Seth rannte mal ein paar Meter vor, bückte sich dann nach Schnee, den er mit seinen kleinen Händen geschickt zu einem Schneeball formte.
Dann fiel er wieder ein wenig zurück, bis einen von uns plötzlich etwas Kaltes am Kopf oder Rücken traf.
Wir krümmten uns dann gespielt zusammen und stürzten dann auf ihn zu um ihn als 'Strafe' durchzukitzeln oder um ihn zu hochzuheben und zu drohen ihn in den meterhohen Schnee zu werfen, der am Straßenrand aufgetürmt war.
Während er sich glucksend und kichernd von uns befreien wollte, bat er uns dann ganz außer Atem aufzuhören, taten wir dies, ging es gleich wieder von vorne los.
Und so brauchten wir für die letzten 200m doppelt so lange wie sonst.
Als wir dann endlich beim Hotel ankamen, gingen wir nach oben in unsere Zimmer, um unsere nassen Skianzüge und die durchgeschwitzte Unterbekleidung gegen trockene zu tauschen.Ich sprang unter die Dusche und massierte mir mein Lieblingsshampoo (mit Apfelduft) in meine Kopfhaut ein.
Danach schlüpfte ich schnell in meinen dunkelroten Rollkragenpulli und enganliegende, dunkelblaue Jeans, föhnte und bürstete meine nassen Haare, die danach in seidigen Locken meinen Rücken hinabfielen.
Zufrieden tuschte ich meine Wimpern und legte ein wenig Lipgloss auf.
Da ich es für sinnlos hielt mich vor dem Skifahren zu schminken, holte ich das jetzt nach.
Vielleicht noch ein bisschen Puder, gegen den nervigen Glanz.
Ich musterte mich noch einmal kritisch im Spiegel und hastete ein paar Minuten später die Treppe zum Gemeinschaftsraum hinunter.Joe war bereits da und spielte 'Uno' mit Clara, Henry und Seth.
Ich ging auf ihren Tisch zu.
"Hey Clara, schön, dass ich dich auch endlich mal erwische", freute ich mich und umarmte die süße Maus, die im vergangenen Jahr ganz schön gewachsen war.
Sie lächelte, konzentrierte sich aber gleich wieder aufs Spiel.
Dann quetschte ich mich neben Joe auf die Bank und raunte: "Du wolltest mit mir sprechen?"
Da ich nicht wusste ob Joe wollte, dass Henry es mitbekam, hielt ich es für besser erstmal nicht meine laut Fragen herauszuposaunen.
Er nickte leicht.
Auf einmal warf er eine Karte auf den Tisch rief: "Eingeworfen und Uno!", warf noch eine zweite Karte dazu und rief noch lauter "Uno, Uno!".
Henry stöhnte, Clara runzelte die Stirn und Seth kicherte.
Joe machte Anstalten aufzustehen.
Rasch sprang ich hoch und ließ ihn durch.
"Ich geh dann mal gucken, wann es Essen gibt. Kommst du mit Mary?", fragte er scheinheilig.
Ich nickte und folgte ihm."Also was wolltest du mir vorhin sagen?", fragte ich als wir im Flur waren und betrachtete ihn eingehend.
Er kratzte sich im Nacken und legte die Stirn in Falten.
"Es ist mehr so eine Art... Rat.", murmelte er.
"Dann raus damit", sagte ich ermunternd, verschränkte die Arme und lehnte mich an die Wand.
"Es ist mir etwas... unangenehm..."
Ich sagte nichts, sondern starrte ihn nur abwartend an.
Er holte tief Luft.
"Es ist wegen Chris."
Ich spürte wie meine Wangen heiß wurden.
Ob vor Wut, dass er sich in mein Liebesleben einmischte oder vor Scham, das er Chris ansprach, das wusste ich noch nicht.
Doch ich sagte immer noch nichts.
"Ich wollte nur... Also ich glaub... Es ist... Ich denke es wäre besser, wenn du dich von ihm fern hältst.", brachte er endlich heraus.
Vor lauter Entrüstung blieb mir der Mund offen stehen.
Und jetzt war es eindeutig Wut, die meine Wangen rot färbte und mich ihn anfunkeln ließ.
Ich runzelte die Stirn und schüttelte sprachlos den Kopf.
Ich brauchte ein paar Sekunden, bevor ich ein Wort rausbrachte.
"Was fällt dir ein... Ich meine, wie kommst du darauf... Warum sollte ich Ratschläge von einem... Wieso sollte ich auf dich hören? Ist er nicht mein Freund? Ich meine...", diesmal war ich es, die stammelte.
"Woher kennst du ihn überhaupt?", presste ich hervor und versuchte ruhig zu bleiben.
Wie bereits erwähnt, war ich eigentlich sehr temperamentvoll und fuhr somit sehr leicht aus der Haut.
Was ich jedoch auch hier zu verbergen versuchte.
Joe stieß einen leisen Seufzer aus und verschränkte die Hände im Nacken, seinen Blick an die Decke geheftet.
"Das spielt keine Rolle", meinte er dann.
"Oh, doch, dass tut es."
"Ich... Als ich vielleicht 13 war, hat er bei mir in Vancouver gewohnt. Er war neu, bereits 15 und so ziemlich jedes Mädchen fuhr auf ihn ab.
So auch meine Cousine Katie.
Er... Er hat was mit ihr angefangen. Sie war sehr leichtsinnig und verliebt und ist wohl ein wenig weiter mit ihm gegangen. Ich weiß nicht wie weit, vielleicht hat sie ihm auch nur gesagt, sie wäre bereit weiter zu gehen, aber..."
Er schluckte.
"Kaum ist... Ist passiert, was eben passiert ist, hat er sie abserviert und war keinen Tag später mit ihrer besten Freundin zusammen, mit der er wohl schon länger etwas hatte."
Meine Augen weiteten sich.
Nein. Nein, das konnte unmöglich mein Chris sein.
"Ich... Er hat das danach noch ziemlich oft so gemacht, so viel ich weiß.
Ich wollte nur, dass du Bescheid weißt und nicht den gleichen Fehler wie Katie machst."
Er sah mir auf einmal sehr lange und sehr ernst in die Augen.
Etwas trauriges lag darin.
"Und ich sag das nicht, weil ich irgendwie will, das du unglücklich bist."
"Im Gegenteil", fügte er ganz ganz leise hinzu, so leise, das ich mir nicht sicher war, ob ich mir es nicht doch nur eingebildet hatte.
"Ich geh dann mal... chrm die anderen zum Essen holen.", sagte er etwas lauter.
Und mit diesen Worten ließ er mich stehen und ging wie mechanisch in den Gemeinschaftsraum zurück.
Meine Wut war wie weggeblasen, aber meine Verwirrung groß.
Ich wusste nur, dass ich jetzt allein sein musste.
Ziellos lief ich los.
In meinem Kopf schwirrte es und ich konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Als ich endlich registrierte wo ich hingelaufen war, ließ ich mich auf den Boden sinken und zog die Beine an.
Hier würde mich erstmal niemand finden.
Was Joe mir da erzählt hatte, gab mir ein hohles Gefühl in der Magengegend.
War ich wirklich so dumm?
Mich auf so jemand oberflächlichen einzulassen?
Oder meinte Joe am Ende vielleicht doch jemand anderen?
Was wenn Joe Recht hatte und Chris mich wirklich nur zum Spielen wollte?
Ich steckte meinen Kopf zwischen die Knie und begann zu weinen.
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All I want for Christmas is you
RomanceZu Weihnachten geht es traditionell wie jedes Jahr zum Skifahren ins Gebirge. Und wie fast jedes Jahr trifft Mary dort auf Joe. Den sie eigentlich nicht ausstehen kann. Doch uneigentlich fängt er auf einmal damit an ihre Gefühle ganz schön durcheina...