22. Dezember

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Irgendwann hatten mich meine Eltern aus meinem Zimmer gelockt, mit der Begründung, Weihnachten sollte man mit der Familie verbringen und nicht alleine auf seinem Zimmer.
Gut, okay, sie hatten mit Hausarrest und Taschengeldstreichung gedroht, sobald wir wieder zu Hause waren.
Widerwillig hatte ich meine Tränen und die verschmierte Wimperntusche abgewaschen, meine Haare durchgebürstet und war aus meinem Zimmer gekommen.
Mürrisch hatte mich zu einer Runde Monopoly überreden lassen, was nach einer Weile -auch wenn ich es ungern zugab- tatsächlich auf gewisse Weise Spaß machte.
Immerhin lenkte es mich ein wenig von meinem Kummer ab.
Doch kaum hatten die Sprousers, Joe und dieses Mädchen den Raum betreten, packte ich Caulders Hand und zischte ihm zu, wir würden jetzt Schlittenfahren gehen.
Er wollte schon widersprechen, doch ich warf ihm einen warnenden Blick zu und nickte einmal leicht zu Joe und der Person hinrüber.
Manchmal, wirklich nur manchmal, verstehen mein kleiner Bruder und ich uns ohne Worte.
Binnen ein paar Sekundenbruchteilen begriff er die Situation.
Und so klappte er seinen Mund wieder zu und stand brav auf.
Als wir an Joe vorbeikamen, bemerkte ich aus den Augenwinkeln, dass er mir offenbar etwas sagen wollte.
Schnell schob ich Caulder aus dem Gemeinschaftsraum und ließ die Tür hinter uns zufallen.
"Was ist passiert?", zischte er leise.
Ich murmelte ein 'Später' und zog ihn weiter.

Caulder saß vor mir auf dem Schlitten, die Beine auf die Kufen gestellt.
Ich hatte die Arme um ihn geschlungen und schob uns mit den Füßen den halben Meter nach vorne, den es benötigte, um den Berg hinunter zu fahren.
Wir nahmen ziemlich schnell an Tempo zu.
Der Wind brauste mir um die Ohren, der Schnee unter unserem Schlitten stob auf und mein Gesicht fühlte sich allmählich taub an.
Doch es war himmlisch; der Himmel strahlte blitzblau, die kalte Wintersonne ließ den Schnee glitzern und die Tannen sahen aus wie mit Puderzucker bestäubt.
Viel zu schnell war die Fahrt vorbei.
Caulder kugelte sich vom Schlitten, war aber sofort wieder auf den Beinen.
Er stellte sich vor mich hin, legte den Kopf schief und stemmte die Arme in die Hüfte.
"Also - was ist da mit Joe? Ich dachte ihr seid verliebt?", meinte er gerade heraus.
Ich wurde natürlich rot.
Woher wusste er das so genau?
"Er hat eine Andere", murmelte ich.
"Dieses Mädchen von vorhin.", stellte er fachmännisch fest.
Ich nickte.
"Aber Mary, ich dachte er mag dich", sagte er stirnrunzelnd.
"Das dachte ich auch", meinte ich leise.
"Nein, Mary, du musst dich irren. Ihr seid genauso verliebt wie Mom und Dad. Nicht so komisch wie Jeff und seine Knutschfreundin.", erklärte Caulder und rieb sich die Nase.
Plötzlich leuchteten seine Augen auf.
"Rede doch einfach mit ihm", schlug er vor.
"Ach, Caulder, wenn das so einfach wäre...", sagte ich traurig,
Er verdrehte die Augen.
"Ihr Großen habt echt gar keine Ahnung. Aber ihr tut so als wüsstet ihr alles besser", schimpfte er.
Ich lachte.
"Ach, Kleiner, ich bin froh das ich dich hab. Und wenn du willst rede ich mit ihm. Aber nicht heute, heute ist Weihnachten, da mach ich was mit euch.", lächelte ich.
Er nickte, scheinbar zufrieden mit sich selbst.
Ich zog ihn in eine Umarmung und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
"Iiihhh", quietschte er, machte sich los und wischte sich angewidert die Wange ab.
"Danke, Kleiner. Ich hab dich lieb, weißt du das?", sagte ich grinsend, meinte es aber ernst.
"Hmm... Ich dich auch... Obwohl du ein Mädchen bist!"
Na, wenn das keine Liebeserklärung war.

All I want for Christmas is youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt