7. Dezember

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Erleichtert streifte ich den Helm samt Skibrille ab.
Mit dem Ärmel wischte ich mir den Schweiß von der Stirn.
Wie erwartet hatte Joe das Rennen gewonnen.
Er war aber schließlich auch schon seit zwei Tagen hier und er war früher losgefahren, versuchte ich mir einzureden, denn irgendwie fuchste es mich dieses Jahr mehr als sonst, das ich verloren hatte.
Ich verbarrikadierte meine Skier in einem großen, extra dafür gebauten Spind und machte mich auf die Suche nach meiner Familie.
Wir hatten verabredet um vier gemeinsam zum Après-Ski zu gehen.
Plötzlich sprang mir jemand von hinten auf den Rücken.
Ich schrak zusammen und verrenkte mir den Hals um zu sehen, was mich da attackiert hatte.
Es war Seth.
"Mary", krakelte er in mein Ohr.
Ich packte vorsichtig seine Beine, ging kurz in die Hocke und schnellte wieder hoch.
Er rutschte in eine passende Position und klammerte sich fest.
"Joe und ich haben dich schon gesucht", sagte er munter und krallte seine kleinen Finger in meine Haare, um besseren Halt zu haben.
"So? Und wo ist dein lieber Bruder?", fragte ich den Kleinen und konnte ein wenig Sarkasmus nicht unterlassen.
"Hier!", wie aufs Stichwort kam Joe um die Ecke und grinste uns an.
Sogar in einem dieser hässlichen Skianzüge sah er gut aus: groß, schlank, braungebrannt (fragt mich nicht wie das im Winter geht!), dunkle Haare, meerblaue, tiefe Augen.
Gut seine Muskeln wurden gerade nicht unbedingt betont, aber ich wusste dass er einen Sixpack hatte.
Und gleich darauf ärgerte ich mich, dass ich jetzt an sowas denken konnte.
Ich hatte einen Freund, zum Kuckuck nochmal!
Da hatte ich gefälligst nicht über das Sixpack eines anderen nachdenken.
Ich schüttelte meinen Kopf um den Gedanken loszuwerden.
Denn ich konnte Joe doch eigentlich nicht leiden.
Wir hatten uns schließlich als Kinder immer schon geprügelt, wenn wir nicht gerade verbissen versuchten uns in irgendwelchen Wettkämpfen fertigzumachen.
Ich schweifte schon wieder ab.
Ich sah Joe mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"Und was wolltet ihr von mir?", fragte ich.
"Dir nur Bescheid sagen, dass deine Eltern, Caulder und Jeff schon längst beim Après-Ski sind, weil sie die McLohans getroffen haben und mit ihnen schon mal vorgegangen sind.
"Okay", sagte ich nur.
Um nicht unhöflich zu sein fügte ich noch ein rasches 'Danke' hinzu.
Er nickte.
"Willst du mit uns mit ins Hotel kommen oder auch zum Après-Ski?", fragte Joe nach kurzem Zögern.
Ich überlegte und wog schnell die Möglichkeiten ab.
Das wäre die ideale Gelegenheit Joe nach Chris zu fragen.
Andererseits wollte ich das Après-Ski nicht verpassen.
Seth begann zu quengeln, ihm wurde langweilig auf meinem Rücken.
"Komm schon Mary, ich zeig dir mein neues Spiel!", sagte er und rutschte von mir hinunter.
Ich lächelte ihn an.
"Wie schön, hast du es zum Geburtstag bekommen? Alles Gute nachträglich, übrigens!"
Seth strahlte und nickte.
An Joe gewandt lachte ich "Ich denke, damit wärs entschieden."
Seth packte meine Hand und zog ich mich in Richtung Bushaltestelle.
Joe folgte uns, beteiligte sich aber nicht an unserer Diskussion über den neuen 'Muppet Movie', den Seth auch zu seinem Geburtstag vor zwei Wochen bekommen hatte.
"Mary, ich muss dir nachher noch was sagen. Es ist wegen Chris", raunte er, als wir in den Bus einstiegen.
Ich zog eine Augenbraue hoch (auf diese Kunst der Mimik war ich sehr stolz, ich hatte sie lange geübt!), sagte aber nichts, weil Seth mir gleich auch noch von seiner neuen CD erzählte und dabei kein Detail ausließ.
Na, auf das Gespräch war ich ja mal gespannt.

All I want for Christmas is youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt