"Joe!", rief ich aus.
"Hey, Mary, was machst du denn hier?"
"Ich... Ich denke ich hab grad ein Rennen gewonnen und der Verlierer verzieht sich lieber ins Krankenhaus, anstatt zu seiner Schande zu stehen", sagte ich schließlich, um die Stimmung ein wenig zu lockern und da er offensichtlich nicht in Lebensgefahr schwebte.
Gleich darauf biss ich mir auf die Zunge.
Das war ja wohl der lahmste Spruch aller Zeiten!
Er lachte und ließ sich auf das freie Bett fallen.
"Bleibst du über Nacht hier??"
"Liebste Mary. Wie du siehst, geht es mir gut.
Und zweitens würde ich ja wohl kaum mit einem Mädchen in einem Raum schlafen.", sagte er geduldig, aber in einem Tonfall, als wäre ich 3.
Ich wurde rot.
Sehr peinlich das Ganze.
"Was machen wir dann noch hier?", meinte ich schnell.
"Oh die überprüfen nochmal die ganzen Tests, ich hab mir den Kopf ja angestoßen und blablabla.
Und weil das Wartezimmer überfüllt ist, haben sie mich hierher geschickt und in ein paar Minuten werde ich dann gesagt bekommen, ob noch was Schlimmeres passiert ist als das hier", er hob seine Hand.
"Was ich aber nicht glaube, da es mir blendend geht.", schloss er und lächelte schief.
"Und wo ist Henry?"
"Ach, der holt sich nur was zu trinken.", meinte er lässig.
"Was ist denn jetzt eigentlich genau passiert?", hackte ich nach.
"Ach, das war gar nicht so dramatisch."
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und zog eine Augenbraue hoch.
Er seufzte.
"Ich bin ein wenig zu schnell gefahren, hab aus Versehen ein kleines Mädchen angerempelt, hab dann mein Gleichgewicht verloren und weil ich so schnell war, hab ich mich wohl irgendwie überschlagen.
Mein Kopf kam dabei eher unsanft auf und mein Handgelenk hat einmal geknackt.", sagte er.
"Echt keine große Sache."
Trotz der eher angespannten Stimmung, atmete ich ein wenig auf.
Ich hatte mir tatsächlich unnötig Sorgen gemacht, aber darüber war ich sehr froh.
Lieber waren meine Sorgen unbegründet, als das mich Henry morgen aus heiterem Himmel mit der Nachricht überrascht hätte, Joe würde in Lebensgefahr schweben.
"Du hast meine Frage nicht beantwortet", stellte er fest, während ich vor Schreck aus meinem Gedankengang gerissen wurde und zusammen zuckte.
"Hä?", machte ich verwirrt.
Er lächelte.
Aber nicht als würde er sich über meine Verpeiltheit lustig machen, sondern eher als würde er es süß finden, wie ich mich zum Affen machte und die leichtesten Sachen nicht begriff.
Was natürlich völliger Blödsinn war.
Er fand mich nicht süß.
"Das heißt 'Wie bitte' und ich hatte gefragt, warum du hier bist.", erklärte er schmunzelnd.
Ich funkelte ihn böse an.
"Oh, ich gehe immer zum Spaß in Krankenhäuser weißt du.
Das ist mein Hobby, wusstest du das nicht?"
"Nein, das war mir neu. "
Ich wollte gerade etwas erwidern, da flog die Tür auf und Henry kam herein.
In der einen Hand ein Wasser, in der anderen einen Hamburger.
"Oh, Mary, du bist ja schon da!?"
"Du wusstest das sie kommt?", fragte Joe jetzt seinerseits verwirrt.
"Naja, sie hat doch angerufen. Da konnte ich mir vorstellen, dass sie gleich kommt. Wieso hast du eigentlich so schnell aufgelegt?", fragte er und legte die Stirn leicht in Falten.
"Mein Handy ist kaputt gegangen", bemerkte ich trocken und zog aus der Jackentasche.
"Hä?"
"Das heißt 'Wie bitte?'", sagten Joe und ich gleichzeitig.
Jetzt verdrehte Henry die Augen.
"Zeig mal her", forderte er, kam näher und beäugte mit zusammengekniffenen Augen meinen zersplitterten Bildschirm.
Er öffnete schon den Mund, da spazierte eine Krankenschwester, mit Klemmbrett unter dem Arm hinein.
"Ein wenig mehr Ruhe, wenn ich bitten darf. Hier schläft jemand", sagte sie tadelnd.
"Mr Sprouser, Ihnen fehlt nichts, bis auf den Bruch im Handgelenk und einigen oberflächlichen Schrammen. Sonst ist alles in Ordnung. Sie können dann gehen. Termin wegen der Gipskontrolle haben Sie?"
"Ja, Ma'am", sagte Joe und ich musste an mich halten, um nicht loszuprusten, da er so ernst geantwortet hatte, dass es mich nicht wundern würde, wenn er gleich salutierte.
"Dann mal auf Wiedersehen und gute Besserung", erklärte sie und komplimentierte uns hinaus.An der Bushaltestelle, amüsierten sich die Jungs über meine neue App, bis Henry plötzlich fragte: "Sag mal Mary, wieso war es dir so wichtig, sofort da zu sein, als du erfahren hast, dass Joe im Krankenhaus ist?"
Statt einer Antwort stieg ich in den eben eingetroffenen Bus.
Aber das was Henry gefragt hatte, beschäftige mich die ganze Fahrt über, denn ich hätte genauso gut ins Hotel zurückfahren und dort auf neue Nachrichten der Jungs warten können.
Aber ich war ins Krankenhaus gefahren, hatte mich als Familienangehörige ausgegeben und einen alten Mann in den Fahrstuhl geschleift.
Und während ich diesen Gedankengängen nachhing, stellte ich fest, dass ich die Antwort selbst nicht kannte.
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All I want for Christmas is you
RomanceZu Weihnachten geht es traditionell wie jedes Jahr zum Skifahren ins Gebirge. Und wie fast jedes Jahr trifft Mary dort auf Joe. Den sie eigentlich nicht ausstehen kann. Doch uneigentlich fängt er auf einmal damit an ihre Gefühle ganz schön durcheina...