23. Dezember

438 29 1
                                    

Bald darauf kehrten Caulder und ich ins Hotel zurück.
Wir begaben uns wieder zu unserer Familie in den Gemeinschaftsraum, trotz Joes Anwesenheit.
Seine Familie schien sich blendend mit ihr zu verstehen.
Jedoch tat ich, als wäre alles in bester Ordnung und spielte die fröhliche, nicht-pubertierende, siebzehnjährige Tochter, die scheinbar großes Interesse an der Runde 'Texas Holdem' zeigte (mein Vater und Jeff standen aufs Pokern, solange es nicht mehr als um Schokolade oder diverse andere Süßigkeiten ging).
Mein Pokerface ließ keine Gefühlsregung durch, auch wenn ich manchmal zu Joe hinüber schielte.

Der Nachmittag verstrich recht ereignislos.
Einmal sprach Joe mich an und sagte er wolle mit mir reden.
Ich tat, als hätte ich ihn weder gesehen, noch gehört und ging wortlos -und immer noch mit meinem makellosen Pokerface- an ihm vorbei.

Meine Eltern hatten uns gebeten, uns jetzt alle für Heiligabend umzuziehen.
Ich verbrachte viel Zeit vor meinem Koffer und probierte 1000 verschiedene Outfits an, denn obwohl ich mir einzureden versuchte, es wäre egal, wusste ich doch, dass ich es wegen Joe tat.
Denn ich würde ihn auf jeden Fall nachher unten sehen; am riesigen, geschmückten Tannenbaum, vor dem sich, wie jedes Jahr, alle Hotelgäste, samt Angestellte zu einem warmen Tee/Punsch/Kakao trafen und gemeinsam Weihnachtslieder sangen.
Schließlich entschied ich mich für ein grünes Kleid, einen schwarzen Bolero und farblich passende Ballerinas, weil mir im Moment einfach  nichts besseres einfiel.
Meine Haare waren von Natur gelockt und sehr dick, aber weil sie mich gerade störten, band ich sie zu einem schlichten, seitlich herabhängenden Pferdeschwanz zusammen.
Ich schminkte mich noch einmal neu, betrachtete mich kritisch im Ganzkörperspiegel am Kleiderschrank und fuhr schließlich mit dem Fahrstuhl nach unten.
Meine Eltern waren schon da, aber meine Brüder fehlten noch.
Meine Mutter trug ein dunkelviolettes Satinkleid, dass perfekt mit ihren blonden Haaren harmonierte.
Mein Vater trug einen schlichten, schwarzen Anzug.
Wenige Minuten später kamen auch meine Brüder, beide trugen ein blaues Karohemd und dazu beige Hosen, da meine Mutter sie nicht zu Anzügen hatte überreden können.

Gemeinsam betraten wir den Festsaal, der prächtig geschmückt war.
Eine riesige Tanne stand nahe am Kamin, mit leuchtenden Lichterketten und mit in verschiedenen Silbertönen schimmernden Kugeln geschmückt; auf der Spitze ein großer Stern.
Überall verteilt gab es bequeme Sessel oder Couchen, um kleine Tische gruppiert.
Aus den hohen Fenstern, sah man ganz schwach den verschneiten Wald.
Wir ließen und an einem freien Tisch nieder.
Joe und seine Familie betraten den Saal und mir stockte beinahe der Atem, den Joe sah einfach zu gut aus.
Ein schlichtes Hemd, bei dem die Ärmel ein wenig hochgekrempelt waren, wie meine Brüder eine beige Hose, die Haare so gegelt, dass sie wie verwuschelt, aber doch lässig gestylt aussahen.
Das Mädchen war auch dabei, aber wie es aussah, in eine Diskussion mit Clara vertieft.
Trotzdem bildete sich bei ihrem Anblick ein Kloß in meinem Hals.

Es war ein recht schöner Abend, auch wenn ich mich nicht wirklich auf die Lieder konzentrieren konnte.
Nach einer Dreiviertelstunde wurde der Gesang, nach einer kurzen Rede des Hotelmanagers, in lockeres Geplauder umgewandelt.
Doch mir war inzwischen so schlecht, bei dem Gedanken geworden, das Joe eine andere mochte, dass ich mich verabschiedete, mit der Entschuldigung mich hinzulegen.
Doch bevor ich aus der Tür gehen konnte, hielt auf einmal jemand meine Hand fest.
Ich wirbelte herum.
Joe sah mich bittend an, ließ meine Hand aber wieder los.
Doch dabei ließ er einen gefalteten Zettel zurück.
Ich umschloss das Papier, wandte mich ab und stieg, todmüde und sehr verwirrt in den Fahrstuhl.

All I want for Christmas is youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt