Faceless Threat

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Ich war mir nicht sicher, ob man in meinem Gesicht kurz eine Regung, Zuckung oder anderes hatte sehen können. Im Normalfall war ich ein Ass darin, meine Gefühle für jeden anderen Menschen zu verbergen, aber in diesem Fall wohl nicht... ich hoffte immer noch darauf, dass ich die kalte Fassade aufrecht erhielt. Es schien allerdings, als habe der Kleine etwas gefunden, was er mit wachsamen Augen gesucht hatte.

„Denkst du, ich bin mir dessen nicht bewusst, Kind?" gelangweilt nippte ich schon wieder an dem Glas, fragte mich ob es nicht langsam offensichtlich wurde.

Arlert faltete die Hände auf dem Tisch und begann mit einer berechnenden, klaren Stimme zu sprechen, die mir klar machen sollte, dass er mir etwas zu vermitteln versuchte.

„Ich weiß, dass dir das schon lang klar ist, was Eren da macht. Er überspielt etwas. Was genau das ist, das weiß selbst ich noch nicht so genau. Ihr beide seid wirklich kompliziert zusammen."

„Ach ja?"

„Ja. Denkst du ich mache bei so was... ach vergiss es." Er schüttelte den Kopf, als würde ihm gerade klar werden, dass er nur unwichtig daher brabbelte. Die Augen des kleinen Blondschopfes lagen nun auf mir, dieses irgendwie kuschelige und niedliche Himmelblau, dass einem sonst entgegenschlug, wie der Blick eines Hundebaby, dass ein Steak ansah, verlor nun ganz plötzlich an Harmlosigkeit.

Es war, als hätte man ihn für einen Moment schockgefrostet, so kalt waren die fast schon kullerartigen Augen.

Dann aber wich die beißende Kälte, die mir nicht viel ausgemacht hatte, so sehr sie auch überraschend war, und der Junge war wieder der Welpe, den er zuvor hatte sehen lassen. Seine Stimme war nun fester, nicht mehr unsicher.

„Ich hoffe nur ihr treibt das Spiel nicht zu weit. Das könnte Eren wieder komplett zerstören." Ich hatte nicht vor Eren zu zerstören, ich wollte ihn nicht verletzen, nur ein wenig triezen, wusste aber nicht, ob er das genau so sah. Er war immer so verfickt unhöflich, machte mich runter, mit allem was er hatte, blamierte mich vor seinen Freunden, wofür es einen Grund geben musste. Es konnte nicht sein, dass er das einfach so tat, immerhin gab es für alles was man als Mensch tat einen Grund.

Die Wortwahl des Jungen störte mich. Armin war ein unglaublich eloquenter Mensch, er überdachte jedes Wort dass er sagte bestimmt drei Mal, bevor er es aussprach, deshalb störte mich das 'wieder' in seinem Satz umso mehr. Er wollte, dass ich nachfrage und um Ehrlich zu sein interessierte mich auch, was den überaus arroganten Jungen dort oben zerstört hatte.

Vielleicht kam es dadurch, dass sein Vater nie da war oder die Trennung von der Mutter. Von ihr hatte ich noch nie irgendwas gehört... Vielleicht konnte es aber auch irgendwas mit einem Kindermädchen sein. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er viele von ihnen gehabt hatte, als er klein gewesen war.

Als könne der Blondschopf die Gedanken lesen, die in meinem Kopf herum spukten, lehnte er sich nach Vorne und sprach ein wenig gedämpfter, als könne jemand uns hören.

„Ich weiß, dass du nicht gefeuert werden willst, weil du es auf deinen Scheck abgesehen hast, aber ich bitte dich: Denk auch an ihn! Er findet irgendwas an dir, was ich mir nicht so recht erklären kann. Auch wenn es nicht so aussieht: Wenn du jetzt gehen würdest, dann würde das bisschen, was er wieder an Lebenslust gewonnen hat, wieder in die eiskalte Hülle zurück gezwängt, die er fast sieben Jahre gelebt hat."

Verwundert zog ich eine Augenbraue hoch. Eine Hülle? Nur ein bisschen Lebenslust? Ich zweifelte an Arlerts Worten. Es schien, als wollte er mir ein Bild des Jungen aufzwingen, welches ich nicht verstehen konnte, ich kannte immerhin nur das, was er jetzt war.

Die Vorstellung, dass er mal ein lebensfrohes Kind gewesen war, war nichts absurdes, allerdings dachte ich mir, dass er bestimmt schon von Klein auf zu dem erzogen wurde, was er ist. Ein größtenteils emotionsloser, junger Mann mit den perfekten Manieren, präsentabel zu allen Anlässen, an denen man es brauchte. Privat vom Geld der Eltern überschüttet, von ihnen selbst allerdings vernachlässigt.

OBEYWhere stories live. Discover now