Panik

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Jeder sah sich alles genau an. Die Zeitungsartikel wurden auf die Aktualität geprüft. Sie waren fast zeitlich aufgereiht. Vom Start bis ich nach Malibu geflogen bin. Auf einem Tisch davor lagen weitere Zeitungsartikel, die über meine Abwesenheit berichteten. Auf beiden Seiten standen Pokale und Medaillen von allen möglichen Wettbewerben. Von weniger Bekannten Orten und von weltbekannten Orten. An der Wand hingen Urkunden an Urkunden gereiht. Auf einem Monitor spielten Interviews unaufhörlich weiter. In einer Ecke standen Preise, die ich gewonnen hatte. Von einer Kaffeemaschine, über eine ganze Buchreihe und IPhone hatte ich alles.



"Wow. Ist das das neuste Gerät von Apple?"-fragte Shawn als er genau diese Ecke gefunden hatte. "Ja. Nimms dir. Ich hab noch 4 von denen. Und gebrauchen kann ich keinen einzigen."-meinte ich und zuckte mit den Schultern. Sprachlos nahm er sich ein Handy. Auch die anderen nahmen sich etwas von diesem Haufen, wenn es ihnen gefallen hat. Mich störte es nicht. Meinetwegen könnten sie auch die Tapete aus dem Raum mitnehmen. Hauptsache sie waren zufrieden und glücklich.


"Das alles hast du mir, hast du uns verheimlicht. Du hast dein Leben vor uns verheimlicht."-sprach Carter das offensichtliche aus. "Ja. Ich hatte doch keine Wahl. Es sieht aus als würde alles hier mir gehören. Als würde ich im Saus und Braus leben. Vielleicht tue ich das mittlerweile auch. Aber ich hab's mir Jahre lang erkämpft. Das Haus gehört zum Großteil dem Management. Mir gehört vielleicht insgesamt zwei Räume. Ich Kämpfe jeden Tag. Jeden Tag muss ich mich mit dem immer unzufriedenen Management abgeben. Jeden Tag bin ich mal hier mal dort. Es ist schon fast zu einer Routine geworden, das ich nocht nicht mal einen Tag in der Woche mich entspannen kann. Zu Hause mich mal hinlegegen. Jeden zweiten Tag hab ich Training und dazwischen muss ich zu Veranstaltungen, Galas, Interviews, Fernsehshows, Wettbewerben, Fanmeilen. Malibu war wie ein erhoffter Urlaub. Und den soll ich mir auch noch rauben lassen? Ich hatte mächtiges Glück, das ich in Malibu nicht erkannt worden war. Und wenn, dann wärt ihr auch betroffen gewesen. Lara wäre die Bitch gewesen, die mit allen rum macht. Carter wäre eine Affäre gewesen. So hätten die Leute euch gesehen und ihr könntet nichts dagegen machen. Doch ich will nicht, das die Menschen auf der Welt euch so sehen. Ich will, das sie in dich den liebenswürdigen Jungen sehen, der für mich aus seinem versteck gekommen ist. Ich will einfach nur das sie euch mögen, wenn es hart auf hart kommt. Sie hätten jeden von uns beobachtet. Jeden unserer Taten, jeder unserer Schritte. Und das wollte ich nicht. Einmal glücklich sein. Mehr wollte ich nicht."-meine Anrede war zu Ende.


Und auch meine Stimme. Zum Schluss war sie nur noch ein Flüstern. Ich war es satt mir alles gefallen zu lassen. Mein Handy vibrierte. Die anderen beschäftigten sich weiter mit dem Raum und schwiegen. Ich wusste nicht, ob meine Rede etwas gebracht hatte. Mit einem mulmigen Gefühl sah ich auf meinem Handy.

Das Management will dich morgen sehen. Sie klangen sauer. Außerdem machst du morgen ein Interview in einer Fernsehshow. ~Dean


"Mist."-rutschte mir raus. "Was ist denn? Will dein Mangement dich rausschmeißen?"-kam es provozierend von Shawn. Dieser Junge wusste anscheinend nicht, wann es hieß die Klappe zu halten. "Ja. Man. Zufrieden? Scheiße. Ich kann das nicht."-die ersten drei Sätze schrie ich ihm volle Wucht ins Gesicht. Die restlichen zwei murmelte ich vor mir hin. "Ich kann nicht schon wieder von vorne anfangen. Ein 4. Mal schaff ich es einfach nicht. Ich bin erledigt. Und wozu dieses scheiß Interview?". Mein Kopf platzte. Er konnte die Gedanken nicht mehr bei sich halten. Sie überlasteten meinen Verstand total. Mein Kopf drehte sich. Die Gedanken spielten Karussel. Ich schwankte, bis ich den Türrahmen berührte. Mein Rücken lehnte sich an ihn und langsam rutschte ich runter.


Immer wieder sprach ich das gleiche Wort aus. "Nein...Nein...Nein... Nein... Nein." Ich konnte nicht schon wieder fallen. Ich durfte einfach nicht. Der Kampf ging jetzt erst richtig los. "Jetzt warte mal. Interview?"-drang eine Stimme zu mir. "Ja. Sie wollen mich vernichten. Mir den letzten Schlag im Interview verpassen. "-sprach ich vor mich hin. Sie hatten sich gegen mich verschworen. Alle. Einfach jeder. Außer einer. "Kai....Kai... Kai."-murmelte ich jetzt.
"Sie bekommt eine Panikattacke."
"Wir müssen ihr irgendwie helfen."
"Wozu?"
"Sie will ihren Bruder."
"Der ist hier aber nicht."
"Dann müssen wir ihn anrufen."
"Keiner hat seine Nummer."
"Doch. Lilo."
"Wo ist ihr Handy?"
"Da. Ihr Passwort?"
"Carters Geburtstag."-mischte ich mich ins Stimmengewirr.


Ich wusste nicht wer dort was sagte. Die Stimmen drangen vernebelt in meinen Kopf.
"Es klingelt."
"Stell auf Lautsprecher."
"Hey Lilo, was gibt es?"-hörte ich seine Stimme.
Ich wollte reagieren. Mich ans Telefon schmeißen, doch ich konnte nicht.
"Kai? Hier ist Carter. Wir haben ein Problem."
"Der Carter, von dem sie wie besessen ist?"
"Scheint so. Trotzdem ist Lilo jetzt wichtiger."
"Wieso, was ist mit meiner Schwester?"
"Sie ist dabei eine Panikattacke zu bekommen, vermuten wir. Das einzige was sie bis jetzt gesagt hat, war Nein und deinen Namen."
"Nicht schon wieder. Okay. Carter, geh zu ihr hin, setzt dich zu ihr hin und umarm sie."


Ich hoffte, es war wirklich Carter, der seine Arme um mich legte.
"Sprechen Tu ich. Streichle ihr über den Rücken. Das beruhigt sie meistens am schnellsten."-verteilte das Handy Befehle.
"Hey Lilo. Hier ist Kai."
Kai. Das war mein Bruder. Jetzt erst drang die Erkenntnis in meinem Kopf. "Stitch."-flüsterte ich.
Ein verzerrtes Lachen nahm ich darauf hin war.
"Ja. Komm denk an früher. Wie wir zu fünft am Strand waren. Mama und Papa waren so mit sich selbst beschäftigt, das sie uns voĺlkommen vergessen haben. Ich bin Luan hinterher gelaufen, doch du hast das alles einfach ignoriert. Du hast die ganze Zeit aufs Meer gestarrt. Als wäre es das einzige, was es je gibt. Denk an das Glitzern des Wassers, das die Sonne erzeugt hat."-langsam kam ich immer mehr zum richtigen Bewusstsein. Ich konzentrierte mich auf den Sand, ans Meer, an meine nicht mehr existierende Familie. "Ich vermiss sie."-war mein erster richtiger Satz.


Und ab dem Satz brachen die Dämme. Tränen flossen aus meinen Augen als würden sie um die Wette fließen. Doch schon nach kurzer Zeit wischte ich mir die Tränen weg. Ich durfte nicht weinen. Ich musste kämpfen. Schwankend stand ich auf. "Danke."-meinte ich ins Handy und legte auf. Er wusste er konnte mir nicht weiter helfen. Er hat alles getan was er konnte.


Kurz stützte ich mich noch am Türrahmen, doch dann stellte ich mich richtig hin. Mein Gang war noch unsicher. "Ich möchte, das ihr wieder zum Bus geht."-eine Mauer bildete sich. So etwas durfte nicht mehr passieren. Sie hatten etwas aus meinem Leben erfahren und man konnte sehen wohin es führte.


"Er hat etwas von Familie erwähnt. Warum hast du nie öffentlich über sie geredet."-fragte Lara. Sie wusste, wenn sie jetzt nicht fragte, würde ich nie antworten. "Weil es keine mehr gibt."-meinte ich.


Mein Blick verhärtete sich, als mein Kopf Erinnerungen hervor rief, die nie wieder auftauchen sollten. Mit einer kleinen Unsicherheit lief ich zurück zu meinem Zimmer, um die Koffer zu nehmen. Ich schaffte es, gerade so. Das einzige, was ich jetzt noch wollte, war, mich in der BusEcke zu verkriechen und nie wieder hervor zu kommen.



Undercover in CaliforniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt