Kapitel 10

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Mira kam mir schon auf halben Weg entgegen und zog mich an meinem Arm vor die Wohnungstür, als ich gerade oben ankam. Ich war nicht einmal wirklich darauf gefasst und zuckte kurz zusammen, weil sie mich erschreckte. »Ich habe dich gesehen!«, feixte sie und ich griente: »Beobachtest du mich etwa?« Nebenbei schloss ich die Wohnungstür auf und lief durch das kleine Wohnzimmer, durch welches ich musste, um in mein Zimmer zu gelangen.

Mira grüßte Joel, der sich irgendwie gar nicht weiter um uns scherte, sondern in seine Zeitung vertieft war und lediglich die Hand zum Gruß hob. Amy hingegen schien gar nicht da zu sein. Wahrscheinlich war das Gang und Gebe, dass jeder ging wie er wollte, aber es kümmerte mich nicht weiter. Aufdrängen würde ich mich nicht und manchmal war es auch ganz gut, wenn man etwas Ruhe hatte. Vor allem in diesem Moment, da ich mich eigentlich in die Waagerechte legen wollte. Jedoch war ich noch immer nicht allein. Jedoch wusste ich, worauf das hinauslief. Sie wollte mich ausquetschen.

Leise schloss Mira die Zimmertür hinter uns und stemmte die Hände an die Hüfte. »Du und Luke...«, begann sie langsam und ich hob die Augenbraue an. Was soll das werden? »Ich und Luke?«, fiel ich ihr ins Wort und tat ganz unschuldig. Keine Ahnung was sie nun von mir erwartete, aber das erfuhr ich schon einen Moment später. »Was soll damit sein? Er hat mir nur ein wenig Gesellschaft geleistet...« Was sollte ich auch sonst sagen? Ich kannte ihn nicht und er mich auch nicht. Er war einfach bloß ... nett. »Er ist ein guter Kerl. Er war mal der beste Freund meines Bruders. Zumindest so lange, bis er nicht immer eine neue Alte abschleppte, noch nicht vom College flog und diverse andere Dinge verbockte... Also mein Bruder.«

Müde ließ ich mich auf den Drehstuhl vor dem Schreibtisch fallen, der am Fenster stand und holte mir ein paar Bücher aus meinem Rucksack, um sie drauf zu legen. Eigentlich interessierte mich dieser Typ normalerweise gar nicht, aber trotz dessen fragte ich sie: »Wieso ist er denn hier herausgeflogen?« Somit gab es wenigstens ein Gesprächsthema und das war nicht Luke und ich. »Er hat es mit den Partys eindeutig übertrieben. Hat den ganzen Tag verpennt, anstatt zu Seminaren zu gehen und gemacht, was er wollte. Alkohol floss zur Genüge und Drogen gingen auch rum. Er schwor, dass er sie nicht anschleppte und nahm; und das glaube ich ihm auch. Zac hat mir ebenso geschworen, dass sie mit der Sache nichts zu tun hatten, aber da schon genug passiert ist, flog er. Eigentlich schade, wenn man bedenkt, wie gut er ist. Aber es ist sein Leben. Er ist alt genug. Was soll ich machen? Ich bin lediglich seine jüngere Schwester. Auf mich hört er gleich gar nicht.«

»Und eure Eltern?«, fragte ich sie auf Anhieb und drehte mich um meine eigene Achse. »Die sind natürlich ausgerastet. Haben ihm am Anfang das Geld gestrichen. Das hielt aber nicht lange an. Sie hatten Angst, dass er richtig abstürzt und somit steckten sie ihm immer wieder was zu. Jetzt verdient er selbst genügend.« Geld wurde vollkommen überbewertet. Die mussten alle darin schwimmen. Na dann konnte er froh sein, dass sie so großzügig waren und er nun selber genug hatte; woher auch immer. Das Leben war schon ungerecht, wenn man darüber nachdachte. Die Menschen, die genug hatten, bekamen immer mehr und die die es benötigten, mussten sehen wie sie mit dem Arsch an die Wand kamen. Das Leben war echt eine Ratte.

Unverhofft klopfte es auf einmal gegen meine Zimmertür, woraufhin ich zusammenzucken. Mein Blick fiel auf Mira, die ebenso unwissend schaute. Da ich keinen kannte, konnte ich wohl schlecht Besuch kriegen, von wem auch immer... und als ohne ein weiteres Wort der Zustimmung eine unbekannte Person in den Raum trat, fühlte ich mich noch irritierter. Eine kleine Blondine, die ich noch nie zuvor sah stand binnen weniger Sekunden vor uns. Wie selbstverständlich trat sie ein und musterte uns einen Moment. Auf ihren Lippen lag ein breites Grinsen. »Mira. Hier bist du. Ich habe dich schon gesucht. Schön, dass du wieder da bist.« Sie umarmte sie herzlich und schließlich fiel ihr Blick auf mich.

Ihre Klamotten waren komplett in pink. Sie passte in dieses Zimmer. Prompt verdrehte ich die Augen. Das war eindeutig nicht der Typ Mensch, mit dem ich in meinem Leben zu tun hatte und so sollte es auch weiterhin bleiben. Womöglich war ich oberflächlich, doch leider lag ich in solchen Dingen meist richtig. Wir waren zu verschieden. Das erkannte ich sofort. Mich wunderte es schon, dass Mira mit solchen Leuten verkehrte, aber das schien hier gang und gebe zu sein. Man kannte alles und jeden. »Und du bist das Mädchen, was mit angeschleppt wurde? Ich habe die SMS erst jetzt gelesen und Luke habe ich auch gerade auf der Treppe getroffen. Er hat mir gesagt, wo ich euch finde.« Na das geht ja hier schnell rum. Mir war klar, dass sich viele untereinander kannten, aber so? Denn sie kam immerhin ins Zimmer gestürmt und wusste gleich, wo wir uns aufhielten und vor allem, dass mich Mira in dieses Wohnheim einquartierte.

Perfect Disaster I - Ein Arschloch zum VerliebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt