Kapitel 47

6K 228 18
                                    

Schade das Ryan mich in diesem Moment nicht sah, denn als ich mich im Spiegel betrachtete, sah ich rockig und sexy aus. Zwar machte ich mich manchmal schick, aber da ich durch die Jahre ohne meine Familie in ein schwarzes Loch fiel, hatte ich nicht die Möglichkeit irgendwo hinzugehen. Ich wollte es auch einfach nicht. Langsam wurde es Zeit. Immerhin war ich achtzehn Jahre alt und hatte noch nichts weiter erlebt. Es war mein erstes Konzert und langsam freute ich mich wirklich darauf. Irgendwann fühlte ich mich wohl in den Klamotten, aber trotzdem stand ich komplett neben der Spur, durch den Traum von meinen Eltern und meiner Schwester und dann die ganze Sache mit Ryan, die mich auch noch total verrückt werden ließ.

Ich bemerkte bloß nebenbei wie Mira etwas aus ihrer Tasche herausholte. Es war eine zerschlissene und zerschnittene enge Jeans, die sie sich schnell anzog, dazu ein schwarzes Top, was ebenso knapp war. Dann ließ sie Schminke auf das Bett fallen. »Ich werde dich ein bisschen hübsch machen«, freute sie sich. »Okay!« Ich zog das Wort ellenlang, setzte mich zu ihr und schloss die Augen. Bevor ich das jedoch machte, schaute ich auf die Uhr. Es war später wie gedacht. Der Wecker zeigte vier Uhr am Nachmittag. Scheiße, wo ist die Zeit hin?

Mira tat nicht viel, aber das reichte. Ich sah, dass sie mir die Augen dunkler geschminkt hatte und betrachtete mich weiter im Spiegel. Nur ein leichter rosa Lipgloss war auf meinem Mund und etwas Rouge an den Wangen. Im Anschluss warf ich meine Haare über den Kopf und sie verpasste mir fast eine Flasche Haarspray. Zumindest kam es mir so vor. Als ich sie wieder nach hinten fallen ließ, begann sie daran herumzuzupfen. »Das kommt einer Hexe schon ziemlich nahe«, äußerte ich mich. »Nein, eher Rockerbraut«, schmunzelte sie und ich griente: »Wenn du das sagst.«

Sie ließ ihre braunen Locken ebenso wild aussehen und die Schminke von ihr war noch weniger, außer der Mund. Der Lippenstift war in einem knallen Puffrot, aber es stand ihr total gut. »Zac wird die Kinnlade herunterfallen«, schmunzelte ich. »Das will ich ja auch hoffen«, antwortete sie mir fröhlich und zog mich aus dem Zimmer. »Wir müssen los. Wir holen noch Jessy, Joel und Amy ab.« Das war gut. Somit waren wir mehr Leute und hatten sicher auch mehr Spaß. Deswegen war ich auch nicht verwundert, als wir zugleich zum Wohnheim fuhren, mussten aber noch eine Weile davor warten, was mich schon wieder nervte. Geduld war nicht eine meiner Stärken.

»Sorry«, rief Jessy und kam mit den anderen beiden gefühlte Stunden später zu uns geeilt. »Joel hat einfach zu lange gebraucht.« Mir blieb der Mund offen stehen. Ich passte eindeutig dort mit hinein. Amy sah aus wie immer irgendwie. Jessy hingegen trug eine kurze Hotpants mit zerrissenen Strumpfhosen und ein Oberteil mit lauter Sicherheitsnadeln. Ihre blonden Haare hatte sie zu wilden Locken frisiert. Joel sah hingegen ganz anders aus. Ich hätte ihn fast nicht erkannt. Sein Haar war schwarz gefärbt und einzelne Strähnen fielen ihm weit ins Gesicht. Sonst kämmte er sie immer straff nach hinten. Deswegen sah man ihm die Länge nicht an. Nietenarmbänder schmückten seine Handgelenke. Dazu trug er Stiefel, schwarze Jeans und ein weites schwarzes Shirt mit dem Namen der Band Cold Black.

»Alles in Ordnung?«, fragte er mich, als er bei mit ankam und ich versteckte mein überraschendes Gesicht überhaupt nicht. Warum auch? »Ja. Du siehst nur so anders aus«, gab ich zurück. Joel hingegen kicherte und machte seine typische Handbewegung. Es lenkte mich extrem von allem ab. In dem Moment konnte ich sogar das Fehlen meiner Familie nach hinten drängen, aber das mit Ryan leider überhaupt nicht und das schien auch Mira zu merken. Er fehlte mir einfach. Außerdem war ich wirklich enttäuscht, dass er wieder einmal spurlos verschwand.

»Alles okay mit dir?«, wollte Mira wissen und stupste leicht gegen meine Schulter. Die anderen hingegen sprachen darüber, wie weit sie es an die Bühne schafften und hörten uns gar nicht zu. »Du siehst aus, als wärst du unglücklich verliebt.« Dass sie das sagte traf es natürlich auf den Punkt. Mein Gesicht musste nach ihren Worten Bände brechen. Warum sagt sie das? Irgendwie fühlte ich mich ertappt. Eben, weil sie mir die ganze Zeit von ihrem Bruder abriet und ich ihr sagte, dass ich ihn nicht einmal mit dem Arsch anschaute. Jedoch hielt sie inne. Sie war ja nicht dumm. Prompt schnappte Mira sich meinen Arm und zog mich etwas von den anderen weg. Im Anschluss begann sie: »Nein. Das hast du nicht. Sag mir, dass es nicht mein Bruder ist. Bitte.« Ihr Blick wirkte sorgenvoll. Zwar nicht unbedingt sehr überrascht, sondern eher traurig. »Du weißt wie er ist. Er tut dir nur weh. Er ist nicht in der Lage mit einem Mädchen zusammen zu sein und du bist nicht so wie diese Schlampen mit denen er immer ins Bett steigt.« 

Perfect Disaster I - Ein Arschloch zum VerliebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt