Kapitel 8

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Prompt drehte ich mich zu Mira um und zischte: »Du steckst mich in eine WG mit einer Gothiclesbe und einem schwulen Nerd? Das ist doch 'nen Witz, oder? Das ist alles ein Witz.« Mira kicherte hingegen bloß: »Ich weiß, dass die beiden ein ungewöhnliches Duo sind, aber sie sind ganz in Ordnung und außerdem meine Freunde. Du wirst noch merken weshalb und jetzt lass uns unsere Sachen holen. Leider habe ich kein Zimmer frei, sonst hättest du bei mir pennen können, aber meine Wohnung ist kleiner und meine Mitbewohnerin existiert ja auch noch.«

Ich wollte mich auch nicht wirklich aufdrängen. Eigentlich war ich froh, dass ich überhaupt ein Zimmer bekam und wenn es mit solchen Leuten zusammen war, bekam ich das trotzdem irgendwie hin. So schlimm werden sie schon nicht sein. »Ja, du hast Recht. Lass uns unsere Sachen holen«, erwiderte ich leicht angeschlagen, damit ich endlich irgendwo schlafen konnte. Ich war hundemüde und brauchte eindeutig ein Bett unter meinem Arsch, auch wenn es bloß ein paar Minuten waren.

Zugleich ging ich vor und wich geschickt anderen jungen Leuten aus, die mir entgegenkamen. So viel Trubel war ich gar nicht gewohnt. Unsere Schule in meiner Heimatstadt zählte ungefähr, wenn es hochkam, einhundertfünfzig Schüler und die schienen sich schon hier in jedem Gang zu tummeln. Es war kaum zu fassen, wie unterschiedlich alle an diesem Ort waren. Man sah sofort, wer nicht aus Amerika kam. Mit Sicherheit dachten sie von mir das gleiche, denn immer wieder wurde ich von der Seite aus angestarrt, obwohl ich ganz normal gekleidet war. Mein Blick musste einem scheuen Reh gleichen. »Die glotzen immer so«, hüstelte es hinter mir und ein junger Typ zwinkerte mir zu.

Er war recht süß. Sein dunkelblondes Haar stand wild vom Kopf ab. Er trug die Hände in den Taschen und lehnte locker an der Wand gegenüber. Ich spürte wie sein Blick wenige Sekunden über meinen Körper huschte, aber kurz darauf schaute er mir auch schon wieder ins Gesicht. Auf Anhieb griente er breit, sodass ich gar keine andere Möglichkeit besaß, als zurück zu lächeln. Außerdem wollte ich nicht unfreundlich wirken, denn er war eindeutig sympathischer als der Kerl zuvor. Trotzdem ließ ich mich nicht aufhalten, nickte ihm kurz zu und ging weiter die Treppe nach unten.

Als wir am Auto ankamen, drückte mir Mira sofort mein Gepäck in die Hand und erklärte: »Es ist spät. Ich weiß ja nicht was du machen willst, aber ich werde mich aufs Ohr hauen. Der Flug, die Zugfahrt und das alles haben mich ganz schön geschafft« und auch ich selbst spürte meine Knochen an diesem Tag umso mehr. Sie hat eindeutig Recht.

Eilig schnappte ich mir meinen Rucksack, den ich mir überwarf, sowie meine Gitarre und den Koffer und ging mit Mira zurück ins Wohnheim, oder was auch immer man dazu sagte. Nun spürte ich ebenso ganz deutlich, dass ich ziemlich geschafft war. Ich war extrem müde und ausgelaugt, obwohl ich kurz im Flieger wegnickte, aber das reichte nicht. Außerdem schlief ich seit Ewigkeiten sowieso kaum noch richtig durch und fühlte mich eher wie ein wandelnder Zombie. Das sah man auch eindeutig in meinem Gesicht.

Mein langersehntes Gähnen kam dann doch noch und ließ sich nicht unterdrücken. Schläfrig hielt ich mir die Hand vor den Mund. Ich musste mich unbedingt in die Horizontale legen und auch Mira sah echt geschafft aus. Hoffentlich war es möglich um diese Uhrzeit ein Auge zuzumachen. Mit einem Blick auf die Uhr sah ich, dass es später wie gedacht war. Nicht hier, aber in Deutschland wäre es in diesem Moment um acht Uhr abends; in New York Mittag und ich fühlte mich eindeutig, als hätte mich ein Zug überrollt. Mein Rücken schmerzte, sowie mein Kopf, der anfing zu dröhnen.

Oben angekommen zog ich den Schlüssel heraus, den mir Amy zuvor gab und stand augenblicklich in einem üblichen Flur. Das leichte Mintgrün mit den dicken weißen Streifen war schlicht und modern. Ohne darüber nachzudenken hing ich meine Jacke an den Hacken der Garderobe, stellte mein Gepäck ab und winkte Mira noch einmal, bevor sie ihre Tür, und ich meine schloss. Kurz verweilte ich einen Augenblick auf der Stelle. Noch immer hatte ich mich nicht bei meiner Tante gemeldet. Sicherlich trudelten unzählige Anrufe und SMS auf meinem Handy ein und definitiv nicht bloß von ihr. Da war ja auch noch Nick und egal wie oft ich seine Nummer sperrte, hatte er immer wieder eine neue um mir auf den Senkel zu gehen.

Perfect Disaster I - Ein Arschloch zum VerliebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt