Kapitel 6

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Ich blickte in einen hellen Raum. Etwas weißes leuchtete über mir. Wo war ich? Der Unfall fiel mir wieder ein. War dies der Himmel? Etwas warmes legte sich um mein rechtes Handgelenk, packte es sachte. Ich drehte meinen Kopf in dessen Richtung. Es tat weh. Ich blickte in die Augen einer weißgekleideten Frau. Meine Gedanken schienen sich zu drehen. Schneller immer und immer schneller. Dies war wirklich absurd. Das konnte doch nicht sein? War ich tot? Fühlte sich so der Tod an? Ab diesem Moment bin ich anscheinend eingeschlafen, denn als ich die Augen erneut öffnete sah ich weder Licht noch weißgekleidete Gestalten. Ich blicke in einen dunklen Raum. Das einzige Licht fiel durch den Schlitz unter der Tür hinein. Ich lag in einem Bett. An den Wäden hingen Bilder, rechts in der Ecke stand ein Tisch mit zwei Stühlen und ein Schrank links neben mir. Dann bemerkte ich das jemand auf der Kante meines Bettes saß. Es war Mama. Ich erkannte ihre lockigen braunen Harre die sie zu einem lockeren Dutt zusammengebunden hatte und ihren grauen Strickmantel den sie immer dann trug wenn sie etws bedrügte. Sie war wohl eingenickt, denn auf meinen Blick reagierte sie nicht. Ich versuchte mich auf die Seite zu drehen doch ein Schmerz durchzuckte meinen ganzen Körper. Verdammt, dachte ich. Verdammt, verdammt, verdammt. Der Autounfall fiel mir erneut ein. Die Lichter, Paul, der Knall. Auch wenn Paul an allem Schuld war ich wollte wissen wie es ihm geht. Oh Gott war er tot, kam es mir in den Sinn. Ich versuchte wieder einzuschlafen doch es gelang mir nicht. Zu sehr quälte mich dieser Gedanke. "Mama", flüsterte ich. "Mama wach auf." Ich gab ihr einen leichten Stupser mit meinem Knie, denn mein Bein war einbandagiert. Es wirkte und sie wachte auf. "Holly, du bist ja wach. Wie geht es dir?", fragte sie mich. "Mum, Paul wollte mich nach Hause bringen und dann.." Sie unterbrach mich. "Ich weiß mein Schatz. Gott sei Dank ist dir nichts schlimmeres passiert. Das hätte wirklich dramatischer ausgehen können." "Ist er okay?", unterbrach ich sie dieses Mal. "Bis auf ein paar Prellungen ist alles okay mit ihm. Ich muss wirklich nochmal mit ihm reden. Das war so unverantwortlich." "Ist schon gut. Ich rede mit ihm. Er wollte mich nur schnellstmöglich nach Hause bringen, dass war alles. Er meinte es nur gut", sagte ich. Ich wollte nicht, dass Paul in Schwierigkeiten geraten würde. Ich kannte meine Mutter wenn es um eine ihrer Töchter ging und ich kannte auch Pauls Vater. Dieser würde ihm schon genug die Hölle heiß machen. Ich werde das alleine regeln, denn okay war es wirklich nicht von ihm, dachte ich und das wollte ich ihm auch sagen, dennoch in einem ruhigen Ton.

Ich schlief wieder ein. Am nächsten Tag erfuhr ich, dass mein rechtes Bein stark verstaucht war und ich es keinesfalls bewegen sollte, damit es schnellsmöglich heilt. Außer einer leichten Gehirnerschütterung war auch ich sonst in Ordnung. Am Nachmittag durfte ich dann Gott sei Dank nach Hause. Meine Schwester hatte eine Kuchen gebacken und mit Zuckergussschrift : "Paul das Arschloch!" draufgeschrieben. Ich musste lachen als sie mir ihren Kuchen vor die Nase hielt. Das war typisch Lilly. Mum, Lilly und ich aßen den Kuchen und verbrachten den restlichen Nachmittag vor dem Fernseher. Die nächsten sieben Tage würde ich auf keinen Fall mit dem rechten Bein auftreten dürfen, hatte mir der Arzt im Krankenhaus heute morgen befohlen. Das bedeutete kein Leichtatlethiktraining für die nächste Zeit und den Ausflug zum See mit Mia am Donnerstag würde ich auch vergessen können. Insgeheim war ich dennoch froh, dass ich am Tag des meet&greets wenn ich Glück hatte, vermutlich wieder normal laufen werden kann . Die folgenden sieben Tage waren die langweiligsten meines bisherigen Lebens. Ich hockte den ganzen Tag zu Hause, durfte weder in die Schule noch vor die Haustür gehen. Mia besuchte mich jeden Nachmittag um mich auf dem Laufenden zu halten und durchforstete mit mir sämtliche youtube Videos über One Direction, laß mir ihre selbstgeschriebene Fanfiction vor in der es darum ging wie sie sich das Treffen mit den Jungs vorstellen würde. "Du passt übrigens äußerst gut zu Harry Styles.", sagte sie eines Nachmittags. "Der mit den Locken, Holly." "Ach so ein Blödsinn.", entgegnete ich. "Ich glaube du bist sein Typ", entgegnete sie daraufhin. Ich ging nicht weiter darauf ein. Ich würde doch nicht für einen Star schwärmen. Um Gottes Willen nein. So enden wie Mia möchte ich nicht, dachte ich. Hoffen und träumen und das den ganzen Tag lag. Dabei beziehe ich mich auf das Hoffen und Träumen auf eine Beziehung mit Niall Horan von One Direction.

Abends kam Paul vorbei. Er wollte sich entschuldigen. Als er durch die Türschwelle des Wohnzimmers trat fing er den hasserfüllten Blick meiner Schwester ein. Gott sei Dank war Mama nicht zu Hause, dachte ich. Sie würde ihm eigenhändig den Kopf abreißen. Ich warf Lilly einen vielsagenden Blick zu worauf sie das Wohnzimmer verließ. "Holly, es tut mir so unglaublich leid. Ich wollte das nicht.", brach er plötzlich die unangenehme Stille. Verzweifelt blickte er mich an. "Setz dich.", befahl ich ihm. Er setzte sich neben mich auf das Sofa, berührte mit seinen Fingerspitzen mein Bein, das ich hochgelegt hatte. "Lass das Paul.", sagte ich ruhig, dennoch bestimmend. "Ich weiß ich habe einen riesen großen Fehler gemacht", entgegnete er. "Paul, ich habe dich tausendmal gebeten langsamer zu fahren und du hast nicht auf mich gehört. Stattdessen wurdest du schneller und schneller bis du schließlich die Kontrolle über das Auto verloren hast. Ich dachte wir wären Freunde. Freunde riskieren nicht das Leben des anderen", warf ich ihm vor. "Ich weiß. Ich glaube ich hätte an diesem Abend nicht so viel Alkohol trinken sollen. Es tut mir leid." "Das war wirklich unverantwortlich von dir, aber es ist nicht rückgängig zu machen." "Verzeihst du mir, Holly ?", fragte er darauf hin. Paul war eigentlich immer ein guter Freund gewesen und im Großen und Ganzen mochte ich ihn und ich wusste auch das er anders sein konnte. Hilfsbereit, nett und fürsorglich hatte ich ihn kennengelernt. Deshalb beschloss ich ihm zu verzeihen. "Okay ich verzeihe dir, aber nur wenn du mir versprichst dass, das nie wieder geschieht". Ich sah ihm tief in die Augen. "Ich verspreche es", antwortete er. Er nahm mich leicht in den Arm. Diesmal ließ ich mich einfach in seine Arme fallen und versuchte nicht zu protestieren. Er ist nur ein Freund, sage ich mir und zog den Geruch seines Männerparfüms in meine Nase.

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