Kapitel 9

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Hastig öffnete ich die Tür mit meiner Schlüsselkarte. Der Vorraum war mittlerweile ohne Wachen. Thomas kontrollierte das wirklich alle Kameras ausgeschaltet waren. Schnell stürmte ich in den Raum der Jungs. Wie üblich saßen sie in Gruppen zusammen oder lagen in ihren Stockbetten. Minho saß zusammen mit Gally auf einem Bett und unterhielten sich. Erst als sie mich erkannten sprangen sie auf und kamen auf mich zu.

"Ich habe gute Neuigkeiten."

Sie schauten mich mit großen Augen an.

"Ich konnte es verhindern das einer von euch ins Labyrinth gebracht wird. Das Gally heute ins Labyrinth geschickt wird. Ich konnte es verhindern. Zumindest für die nächsten Wochen."

Minho und Gally fielen mir gleichzeitig in die Arme. Ich spürte wie die Erleichterung aus ihren Körpern wich.

"Und..."
"Und?"

Minho trat nervös von einem Fuß auf den anderen.

"Die Kameras in diesem Zimmer sind abgeschaltet und auch die Wachen sind fort."
"Wie hast du das geschafft?"
"Ich bin der Liebling hier."

Ich grinste die beiden frech an als ich Blicke auf meinem Körper spürte. Ich schaute mich um. Newt saß auf seinem Bett und musterte mich. Ich lief auf ihn zu und setzte mich langsam auf sein Bett.

"Warum tust du das für uns?"

Er schaute auf die Bettdecke und mied meinen Augenkontakt.

"Weil ich euch helfen möchte. Meine Aufgabe war es ein Gegenmittel zu finden. Nicht Teenager zu quälen. Einem konnte ich nicht helfen. Euch werde ich helfen und wenn es das letzte ist was ich tue."

Newt schaute zu mir auf.

"Was werden sie mit dir machen wenn sie das hier rausbekommen?"

Ich lächelte schwach und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Sie werden mich umbringen."
"Das riskierst du, für Jungs die du nicht kennst?"
"Ich kenne euch, immerhin habe ich euch Monate lang beobachtet und studiert."
"Stimmt, das hatte ich schon total vergessen."

Wir lachten. Plötzlich schaute er auf.

"Wie lange bist du schon hier?"

Mein Blick war weiterhin auf die Decke gerichtet als ich meine Augen schloss.

"Seit mehreren Jahren."
"Warum?"
"Sie sagten Thomas und ich seien besonders schlau deswegen brauchen sie uns für dieses Projekt."

Newt atmete hörbar tief aus.

"Warst du jemals außerhalb dieses Gebäudes?"
"Nein."
"Erinnerst du dich an deine Vergangenheit?"
"Nein."

Ich biss mir auf die Lippe und senkte meinen Kopf.

"Ich erinnere mich nur noch an einen einzigen Moment in meiner Vergangenheit."
"Welchen?"
"Als ich von ANGST abgeholt wurde."

Ich schloss mein Augen um die Tränen zu unterdrücken.

"Ich erinnere mich an das Weinen meiner Eltern. Das ich geschrieen habe als Janson und zwei Wachen mich aus dem Raum gezerrt hatten. Sie schmissen mich in einen Transporter und brachten mich ins Hauptquartier. Immer wieder hörte ich den selben Satz 'ANGST ist gut'. Janson sagte mir ich sei besonders, er bräuchte mich damit ich die Welt vor etwas schrecklichem retten kann. Danach wird alles verschommen. Heute bin ich sein 'kleiner Liebling'."

Eine Träne lief meine Wange hinunter als ich plötzlich eine Hand um mein Gesicht spürte. Als ich meine Augen öffnete schaute ich in Newts braune Augen während er mir die Träne mit seinem Daumen weg wischte.

"Es tut mir leid. Ich wollte nicht..."
"Nein, es ist okay."

Ich lächelte ihn gequält an.

"Erinnerst du dich an die Welt außerhalb dieses Gebäudes, Newt?"
"Ja, sehr gut sogar. Ich erinnere mich an den Wind, den Geruch des Waldes. Die Melodien der Musik. Ich erinnere mich an die Sterne, den Nachthimmel."

Gefesselt an seine Worte hörte ich ihm zu als wir uns im Schneidersitz gegenüber setzten.

"Das klingt schön."
"Das war es."

Er löste seine Hand von meinem Gesicht.

"Ich wünschte ich könnte mich an den Nachthimmel erinnern."

Traurig schaute ich mich im Raum um. Die Jungs waren in Gespräche vertieft. Im Allgemeinen konnte man nicht vermuten das außerhalb dieser Tür ihr Verderben lauerte. ANGST. Mein Gefängnis.

"All die Jahre bestand mein Leben aus der Arbeit für ANGST. Ich wurde zu der Arbeit gezwungen. Ich wurde in diese Klamotten gezwungen."

Ich schaute an mir herab. Ich trug eine weiße, enge Jeans, eine weiße Bluse die an den Ärmeln weiter war und weiße Stiefel. Eingekleidet in purem weiß.

"Du siehst schön aus."

Lächelnd klemmte ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Als ich aufschaute trafen sich Newts und meine Blicke. Ein seltsames Gefühl durchströmte meinen Körper. Es war wie ein Stromschlag. Doch er löste seinen Blick nicht von mir.

"Möchtest du den Nachthimmel sehen?"

Erstaunt schaute ich ihn an.

"Wir können nicht raus."
"Das weiß ich. Komm."

Er nahm meine Hand und zog mich vom Bett. Newt zerrte mich durch den Raum an eines der vergitterten Fenster.

"Schau."

Er deutete aus dem Fenster hinaus. Durch die Gitter konnte ich etwas sehen das mir den Atem verschlug. Ich blickte in den dunklen Nachthimmel. Sterne glitzerten auf der schwarzen Wand. Der Mond strahlte in einem warmen Licht auf uns herab. Ich umklammerte die Gitterstäbe mit meinen Händen und drückte mich näher an die Gitter. Der Anblick schien so normal für die anderen. Doch für mich war es unglaublich. Die tausenden Sterne, der große Mund, der schwarze Himmel. Es war wunderschön. Ich spürte wie Newt seine Blicke nicht von mir nahm. Erneut war es da dieses seltsame Kribbeln.

"Wunderschön, nicht wahr?"

Ich schaute zu ihm. Die Sterne spiegelten sich in seinen dunklen, braunen Augen. Sie zogen mich in ihren Bann. In diesem Moment vergaß ich ANGST.




Das verbotene Mädchen || Vor dem Labyrinth || Newt ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt