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Die Wochen vergehen schnell und es geht mir immer besser. Von meiner Mutter habe ich bisher nichts mehr gehört, aber das war auch nicht mein Wunsch. Inzwischen ist Ende November und heute muss ich zum Arzt, denn heute ist die Untersuchung, die mir sagen wird, warum ich nicht laufen kann. Ich habe Angst vor dem Ergebnis und möchte am liebsten gar nicht erst gehen, denn was ist, wenn mir gesagt wird, dass ich nie mehr laufen kann, aber Luke zerrt mich förmlich aus dem Bett. ''Luke...'' jammere ich. ''Annie, jetzt mach nicht so ein Theater.'' sagt mein Freund ernst und nimmt mich auf den Arm. ''Ich habe aber Angst'' flüstere ich. ''Wovor?'' ''Davor, dass ich nie wieder laufen kann.'' ''Annie, selbst wenn, bis hier hin haben wir es geschafft, dann würden wir es auch weiter schaffen. Aber davon mal abgesehen, glaube ich, dass alles gut wird.'' ermutigt er mich. Ich seufze und sage: ''Hoffentlich...'' Dann schiebe ich mich an und ins Bad, um meine Zähne zu putzen. Lächelnd steht Luke neben mir und legt eine Hand auf meinen Scheitel.

Um halb elf machen Liz, Luke und ich uns auf den Weg zum Arzt. Zitternd sitze ich auf dem Rücksitz und fühle mich schrecklich. Luke drückt meine Hand und küsst meine Wange. Ich drehe meinen Kopf zu ihm und lege meine Lippen auf seine. Sofort erwidert mein Freund den Kuss und für einen Moment vergesse ich, dass ich gleich eine entweder gute oder schlechte Nachricht erfahren werde.

Als Liz einparkt klopft mein Herz noch mehr als vorher und ich würde am liebsten einfach sitzen bleiben. Ich weiß aber, dass das nicht geht. ''Alles ist gut Annie.'' beruhigt Luke mich. Ich nicke, aber der Kloß im Hals bleibt. Langsam schiebt Liz mich durch die Eingangstür der Praxis, während Luke neben mir her geht und meine Hand hält. Im Wartezimmer sitzt außer uns niemand und wir kommen ziemlich schnell dran.

Nervös sitze ich im Behandlungszimmer und bekomme um genau 11:11 Uhr die Nachricht, dass meine Beinmuskulatur zu schwach ist, weil mein Nerv zerstört wurde. Ich werde nie wieder richtig laufen können, es sei denn es passiert ein Wunder, hat der Aryt gesagt. Tränen steigen mir in die Augen und ich fange an zu schluchzen. Mein Kopf fällt auf meine Brust und ich lege meine Hände über mein Gesicht. Sofort ist Luke bei mir, hebt mich aus meinem Rollstuhl und drückt mich an sich. ''Shhh Annie.'' sagt er und streichelt über meinen Rücken. Ich höre, wie Liz und Luke sich vom Arzt verabschieden, kann aber selber nichts sagen. Luke trägt mich zum Auto und schnallt mich an. Wie in Trance starre ich auf die Kopfstütze vor mir, Tränen laufen über mein Gesicht. Mein Körper fühlt sich taub an und ich bemerke nicht, dass wir schon wieder zu Hause sind. Erst als ich aufs Sofa gelegt und mit einer Decke zugedeckt werde, komme ich langsam zu mir. Ich liege jedoch immer noch nur da. Luke und seine Mutter gehen in die Küche und ich höre, wie sie über mich reden. ''Luke, mach dir keine Sorgen. Sie muss das jetzt erst einmal verarbeiten.'' sagt Liz. ''Ich weiß, aber sie ist meine Freundin. Natürlich mache ich mir Sorgen.'' ''Das ist klar, aber ich glaube, es ist besser, wenn du sie für ein paar Stunden alleine lässt.'' ''Okay..'' murmelt Luke und ich höre, dass er weint. ''Oh Luke. Alles wird gut.'' tröstet Liz ihren Sohn und ich weiß, dass sie ihn gerade umarmt. Nach kurzer Stille, beginnt Geschirr zu klappern und ich schlafe langsam ein.

Als ich aufwache sitzt Luke neben mir, streichelt über meine Haare und weint. Ich strecke meine Hand nach seiner aus und drücke sie vorsichtig. Lange sehen wir uns einfach nur an. Irgendwann beugt sich Luke zu mir hinunter und drückt einen Kuss auf meine Stirn. Ich lächele und wische eine Träne von seiner Wange. Auch er muss lächeln. ''Ich liebe dich.'' flüstert er. ''Und ich liebe dich.'' antworte ich. Mein Freund nimmt mich auf den Arm und geht hoch in sein Zimmer.

Nebeneinander liegen wir im Bett und sehen uns an. Niemand von uns sagt ein Wort. Nach einiger Zeit fallen Lukes Augen zu und er fängt leise an zu schnarchen. Auch ich werde langsam müde und kuschele mich an seine Brust. Ich will und werde dieses Ergebnis der Untersuchung nicht annehmen. Es gibt ja auch noch andere Ärzte. Vielleicht kann ich ja doch irgendwann wieder laufen...

Am nächsten Morgen liege ich schon früh wach. Es ist noch dunkel und Luke schläft tief und fest. Doch ich bin hellwach. Zu viele Gedanken kreisen in meinem Kopf: Ich werde nie mehr laufen können. Ich vermisse Brighton. Ich bin wütend auf meine Mutter. Und es ist schon wieder fast Weihnachten und mein Geburtstag. Ich werde dieses Jahr zum ersten Mal Weihnachten in Sydney feiern, ohne Schnee, ohne Kälte...Es ist ein komisches Gefühl. Für mich ist Weihnachten eine gemütliche Zeit mit Kerzen und Keksen, während es draußen eiskalt ist. Hier ist es warm und die Sonne scheint. Ich werde trotzdem Kekse backen und Kerzen anmachen. Ich seufze. Wie gerne wäre ich noch in Brighton. Es ist mein Zuhause und wird für immer mein Zuhause bleiben.

Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als Luke seine Arme um mich schlingt und mich an sich zieht. Ich muss lachen, als er beginnt mich zu kitzeln. ''Kommst du heute mit zur Bandprobe?'' fragt er mich. ''Gerne. Ich vermisse die Jungs total. Wir haben uns zwei Wochen lang nicht gesehen.'' antworte ich. ''Aber du musst auch singen.'' stellt er klar. ''Luke...'' jammere ich. ''Bitte Annie. Wir lieben es, wenn du singst.'' bettelt mein Freund. ''Okay. Ist gut. Ich singe. Aber dann lass mich jetzt bitte los.'' ''Upps.'' grinst Luke und lockert seinen Griff um meine Hüfte. Ich setze mich hin und ziehe mich in meinen Rollstuhl. ''Ey nicht gehen Annie!'' beschwert sich Luke. ''Komm mit'' sage ich und schiebe mich aus dem Zimmer. Sofort springt Luke auf und rennt hinter mir her. Ich kreische auf und beeile mich noch mehr. Lachend erreicht er meinen Rollstuhl und greift nach meiner Hand. Auch ich muss lachen.

Vor allem, als Liz verschlafen aus dem Schlafzimmer kommt und fragt: ''Was ist denn hier los?'' ''Annie ist vor mir weggefahren'' schmollt Luke. Liz verdreht ihre Augen und gibt ihrem Sohn einen Klaps auf den Po. ''Du Baby'' lacht sie. Ich unterdrücke ein Lachen und rolle weiter ins Bad.

Am Nachmittag machen Luke und ich uns auf den Weg zum Laden. Ich freue mich darauf, die Jungs wiederzusehen. Alle drei warten bereits vor der Tür und rennen auf mich zu, sobald ich im Rollstuhl sitze. Lachend umarme ich meine besten Freunde und habe sogar ein wenig feuchte Augen. Es tut so gut zu wissen, dass Cal, Ash und Mikey immer für mich da sind. Die drei, Luke und seine Familie machen es mir so einfach, mit meinem Rollstuhl klarzukommen und zu akzeptieren, dass ich eben nicht wieder laufen kann. Gemeinsam gehen wir in den Laden, nachdem auch Luke begrüßt wurde. Die Jungs setzen sich gleich an ihre Instrumente und beginnen einige ihrer Lieder zu spielen. Lächelnd sitze ich daneben. Nach einiger Zeit meint Luke. ''Leute, Annie muss auch singen.'' Die anderen sind direkt begeistert und auch, wenn ich eigentlich nicht singen wollte, mache ich mit. Ich liebe das Singen und kann nicht ewig nicht singen. Papa würde auch wollen, dass ich das tue was ich liebe. Leise beginne ich, All Time Low's Don't you go mitzusingen. Und je länger ich singe, desto mehr Spaß habe ich und desto lauter singe ich.

Als Luke und ich abends nach Hause fahren, bin ich seit langem wirklich richtig glücklich, obwohl lange nicht alles gut ist, in meinem Leben. Lächelnd sitze ich neben Luke im Auto und sehe auf die Straße. Bald ist Weihnachten. Aber inzwischen freue ich mich darauf, auch wenn es dieses Jahr ganz anders wird, als die letzten Jahre. Was ein Tag alles ändern kann...

depressed. l.h. (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt