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Am nächsten Morgen wache ich davon auf, dass Luke versucht aufzustehen. Verschlafen sehe ich ihn an und sehe in seine wunderschönen blauen Augen. Ich muss lächeln und auch er ringt sich ein Lächeln ab. Sofort fallen mir die Ereignisse von gestern Abend wieder ein und ich ziehe ihn zurück ins Bett. ''Luke, was ist los?'' frage ich leise. ''Nichts'' murmelt er und weicht meinem Blick aus. ''Luke, bitte'' beharre ich. Er seufzt, legt sich allerdings wieder neben mich, sodass wir uns ansehen können. Zögernd beginnt er zu erzählen: ''Ich weiß selber nicht genau, warum ich so doll geweint habe...Aber es ist einfach so schrecklich, dich jeden Tag in diesem Rollstuhl zu sehen. Du hast die ganze Scheiße nicht verdient. Ich denke immer noch, dass ich es hätte verhindern können...'' Ich sehe ihn mitleidig an. ''Oh Luke. Du bist so süß. Aber du hättest nichts verhindern können. Es war einfach zu viel für mich. Ich denke, wir sollten froh sein, dass ich überhaupt noch lebe...Ich hätte tot sein können, wie Papa...'' ''Sag so etwas nicht!'' ruft Luke aufgebracht. ''Luke, es stimmt. Ich möchte nicht, dass du dir Vorwürfe machst. Wirklich nicht. Du bedeutest mir unendlich viel. So ziemlich alles. Klar ist Chris scheiße, aber wir können es nicht ändern und ich finde, wir machen das ziemlich gut.'' antworte ich ruhig. ''Ich weiß und ich finde auch, dass wir es gut machen. Aber ich kann nicht mehr. Es tut so weh, dich so zu sehen. Wir können nie wie ein normales Pärchen durch die Gegend rennen und so...'' niedergeschlagen sieht er mich an. Ich muss schlucken. ''Bitte sag so etwas nicht Luke. Wir können kein normales Paar sein, aber wollen wir das denn?'' frage ich ihn. ''Manchmal möchte ich das schon...'' Was er gerade gesagt hat, schockt mich und ich sehe weg. ''Annie, es tut mir leid...'' flüstert er. Tränen steigen in meine Augen und ich drehe mich ganz von ihm weg. ''Annie, bitte...verstehst du mich wenigstens?'' fragt er und versucht mich wieder zurückzudrehen. Ich schließe meine Augen und atme tief durch. ''Ich weiß es nicht...'' gebe ich zu ''Ich hätte es nicht erwartet Luke.'' ''Es tut mir leid.'' sagt er ein letztes Mal und steht auf. Ich höre, wie er aus unserem Zimmer geht und die Tür hinter sich schließt. Als sie zu ist, breche ich in Tränen aus. Dieser Tag sollte wunderschön werden. Jetzt ist er das nicht mehr... Warum immer ich? Warum? Ich beruhige mich ziemlich schnell wieder und liege einfach nur ruhig im Bett. Zu etwas anderem habe ich keine Lust. Plötzlich höre ich Liz' Stimme aus ihrem Zimmer. ''Bist du des Wahnsinns Luke? Warum tust du so etwas?'' ruft sie. ''Ich weiß es nicht Mama!'' schreit Luke zurück und ich höre, dass er weint. ''Dieses Mädchen liebt dich mehr als jeden anderen Menschen auf dieser Welt. Und du liebst sie genau so sehr. Nur weil es nicht einfach ist, kannst du nicht einfach aufgeben! Luke, verdammt, sie braucht dich!'' antwortet Liz. Und sie hat Recht, ich brauche ihn. Wäre er nicht da, würde ich vielleicht tot sein. Ohne Luke bin ich nichts. Er macht mich glücklich, nur mit ihm kann ich ich sein. Ich beginne erneut zu weinen und höre, wie die Zimmertür von Liz' Zimmer knallt. Kurz darauf fliegt meine auf und Luke steht weinend im Zimmer. Langsam schließt er die Tür hinter sich und kommt ans Bett. Er setzt sich auf den Rand und nimmt meine Hand. Ich zucke zusammen, lasse sie aber liegen. Traurig sehe ich zu ihm hoch und er zu mir hinunter. ''Scheiße man, ich bin so ein Idiot'' murmelt Luke. Ich nicke vorsichtig und blinzele eine Träne weg. Luke steht auf und geht ins Bad, während ich mich umziehe. Als er fertig ist, tauschen wir und ich putze Zähne und schminke mich.

Um zwei Uhr nachmittags kommen wir am Winter Wonderland an. Luke schiebt mich, aber wir sind immer noch ein wenig distanziert zueinander. Was er heute Morgen gesagt hat, hat mich ziemlich verletzt. Er weiß das und ich weiß, dass es ihm leidtut, aber ich denke wir brauchen beide mindestens heute, um wieder zur Normalität zurückzukehren.

Das ist auch der Grund, warum ich den wunderschönen Weihnachtsmarkt nicht richtig genießen kann. Auch als wir alle gemeinsam auf die Eisbahn gehen und Luke mich wie letztes Mal von hinten umarmt und festhält, spüre ich nicht das vertraute Kribbeln im Bauch. Traurig sehe ich auf das Eis vor mir und lasse mich von meinem Freund lenken. Seine Worte von heute Morgen wiederholen sich immer wieder in meinem Kopf und ich habe schon wieder Tränen in den Augen. In diesem Moment fasse ich einen Beschluss: Ich möchte wieder laufen und ich werde wieder laufen! Egal, was der Arzt gesagt hat. Wenn ich hart arbeite und es wirklich will, dann klappt es hoffentlich. Allerdings werde ich niemandem davon erzählen. Ich möchte Luke überraschen! Ich weiß nur noch nicht, wie ich das schaffen soll und weiß auch, dass ich mir nicht zu große Hoffnungen machen sollte. Bis zu meinem 18. Geburtstag sind es nur noch 17 Tage, sonst würde ich mir den als Ziel setzen, aber das ist mehr als unmöglich. Also muss ich mir irgendwie ein anderes Ziel aussuchen. Mal sehen... Erst einmal muss ich nach dem Brighton-Urlaub zum Arzt und ihm von meinem Plan erzählen.

''Annie, alles klar?'' höre ich Lukes Stimme auf einmal ganz dicht neben meinem Ohr. ''Ähm ja klar'' antworte ich stotternd. ''Sicher?'' fragt er. ''Ja'' gebe ich mit nun festerer Stimme zurück. ''Dann ist ja gut'' Sanft drückt Luke mich enger an sich und ich merke, wie wir langsam wieder wir selbst werden. Stück für Stück verschwindet die Distanz und ich genieße es, Lukes warmen Atem in meinem Nacken zu spüren und kann auch endlich das Winter Wonderland richtig genießen.

Nachdem wir alles fast drei Stunden auf der Eisbahn verbracht haben, entscheiden wirr uns etwas zu essen und dann ein wenig über den Rest des Weihnachtsmarktes zu bummeln. Luke schiebt mich wieder durchs Gedränge und mein Dauerlächeln, das typisch für mich in der Weihnachtszeit ist, kehrt auf meine Lippen zurück. Überglücklich kaufe ich ein paar kleine Weihnachtskugeln und einige Kerzen. Allerdings merke ich, dass ich unendlich müde bin. Für mich ist das Schlittschuhlaufen verdammt anstrengend, da ja meine Muskulatur zurückgebildet ist. Immer wieder fallen meine Augen zu, bis ich irgendwann mitten in London einschlafe.

Nachdem ich ein wenig geschlafen habe, spüre ich, wie mich jemand aus meinem Rollstuhl hebt und in ein Auto setzt. Ich schlafe aber schnell wieder ein und wache auch bis zum nächsten Morgen nicht mehr auf.

depressed. l.h. (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt