11- Die verlorene Wölfin

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11- Die verlorene Wölfin

Es war nicht Jonata. Die Hoffnung, die für einen kurzen Moment in Endres aufgekeimt war, erstarb sofort wieder. "Wir suchen jemanden", schrie Alba zurück. "Wen denn?", fragte der Wolf. "Eine Wölfin, die mit uns unterwegs war, aber leider haben wir uns verloren", antwortete Alba. "Ich könnte euch helfen", rief der Wolf von der anderen Seite des Flusses. "Wobei denn?", rief Alba zurück.

"Erst einmal auf die andere Seite zu kommen, damit wir nicht so schreien müssen", antwortete der Wolf. "Wenn ihr etwas flussaufwärts lauft, kommt ihr an eine schmalere Stelle, dort könnt ihr schwimmen." "Schwimmen?", fragte Endres und sah Alba fassungslos an. "Wir müssen es versuchen", meinte Alba. "Wenn wir Jonata finden wollen, müssen wir jede Hilfe annehmen, die wir kriegen können."

"Ich laufe mit euch und werde euch zeigen, wo die Stelle ist", rief der Wolf von der anderen Seite und setzte sich in Bewegung. Endres und Alba liefen ebenfalls los. Immer wieder sah Endres nach drüben, weil er erwartete, dass der Wolf irgendwann verschwinden würde. Doch er lief immer weiter, bis er stehen blieb und ihnen zurief, dass sie jetzt schwimmen könnten.

"Ich... ich bin noch nie geschwommen", sagte Endres und sah das Wasser angstvoll an. Der Fluss mochte an dieser Stelle zwar schmaler sein, aber die Strömung war nicht weniger stark. "Ich bin auch nur als kleiner Welpe geschwommen. Das liegt schon ewig zurück", erklärte Alba. "Es ist nicht so schwer. Wir müssen nur aufpassen, dass uns die Strömung nicht davon treibt."

Er watete in das Wasser und stieß sich ab. Endres tat es ihm gleich. Als er die ersten Schwimmzüge versuchte, wurde er sofort von der Strömung erfasst. Panisch hielt er sich dagegen und versuchte nicht vom Kurs abzukommen. Die Pfoten taten ihm jetzt schon vom vielen Paddeln weh, aber er hoffte nur, dass sie den Fluss bald durchquert hatten. Irgendwann spürte er wieder die Kiesel und den Sand unter den Pfoten und das Wasser wurde flacher. Als sie wieder festen Boden unter den Pfoten spürten, schüttelte sich Endres, um das Wasser aus dem Fell zu kriegen, doch der Pelz schien jetzt doppelt so schwer und er ließ sich erschöpft auf den Boden fallen.

"Da seid ihr ja endlich!", sagte der andere Wolf. Er lag an einem Baum und hatte ihnen seelenruhig beim Schwimmen zugesehen. "Wollt ihr euch kurz ausruhen und ich erzähle euch, was ich über eure verlorene Wölfin weiß?", schlug er vor. Endres und Alba nickten kraftlos. Das Schwimmen war anstrengender gewesen, als sie gedacht hatten.

"Kann es sein, dass eure Freundin etwas wirr im Kopf ist?", fragte der Wolf. Endres und Alba sahen sich kurz verständnislos an. "Warum?", wollte Endres wissen. "Heute, bei Sonnenaufgang, haben wir eine Wölfin gefunden. Sie hatte graues Fell. Es sieht aus wie Nebel, durch den die Sonne scheint", erklärte der Wolf. Endres hob den Kopf. Diese Beschreibung passte zu Jonata. "Was ist mit ihr?", fragte Alba alarmiert.

"Sie war so erschöpft, dass sie nicht mehr laufen konnte. Wir haben sie in unser Lager gebracht", antwortete der Wolf. "Warum redest du die ganze Zeit von wir?", wunderte sich Endres. "Wir, das sind die anderen Wölfe aus meinem Rudel", erklärte der Wolf. "Wo liegt euer Lager?" Alba sprang auf. Die Nachricht, dass man Jonata gefunden hatte, gab den beiden neue Kraft. Auch wenn die Tatsache, dass sie vor Erschöpfung nicht mehr hatte laufen können, beunruhigend war. "Ich bringe euch dorthin", versprach er.

Die drei Wölfe liefen los. „Du hast gefragt, ob unsere Freundin etwas wirr im Kopf ist", wiederholt Endres. „Was meinst du damit?" „Das, was ich gesagt habe", antwortete der Wolf. „Mit ihr haben wie eine Eule gefunden, die nicht von ihrer Seite wich. Sie würden zusammengehören, hat die Eule erklärt. Wir haben eure Freundin trotzdem mit zu uns genommen. Inzwischen geht es ihr besser, aber wirren Zeugs redet sie immer noch. Was die Eule allerdings auch macht, obwohl die sich in einem weitaus besseren Zustand befindet."

Im Reich der Wölfe - Halbmond (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt