Kapitel 5

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Mein Handy schrillte. Noch etwas verschlafen ging ich dran. "Wer reißt mich aus meinem Traum?", grummelte ich. 

"Julie? Du bist noch nicht auf? Du weißt schon wie spät es ist?", tönte Emilys Stimme aus meinem Telefon. Mein Blick fiel auf meine Uhr. Es war schon viertel nach 7!

Mit einem Schrei rollte ich aus meinem Bett und zog mich an. Für eine Dusche war es schon zu spät. Ich putzte mir in Lichtgeschwindigkeit die Zähne, griff mir meine Schultasche und stürmte nach unten. 

Dort saßen meine Eltern und stritten sich laut. "Wie konntest du nur so etwas sagen? Du weißt doch ganz genau, dass sie nicht so ist!", schrie Mom.

"Es sah aber ganz danach aus!", brüllte Dad zurück. "Woher hätte ich denn wissen sollen, dass er ihr Projektpartner ist?!"

"Vielleicht hättest du erstmal nachfragen sollen!" "Was hätte ich denn machen sollen?! Sie ist meine Prinzessin! Ich liebe sie so sehr, und ich will nicht dass ihr etwas Schlimmes widerfährt! Ich werde niemals zulassen, dass man ihr wehtut!!"

"Du beschützt sie viel zu sehr! Du überwachst sie! Das geht nicht! Sie gehört nicht dir! Sie ist ein eigenständiger Mensch, und als solcher muss sie auch lernen was Schmerzen bedeuten!" 

"Ich kann nicht, ich kann nicht!! Sie darf nicht verletzt werden, das lasse ich nicht zu!"

Mir war klar, über wen sie sprachen. Ich schlich die Treppe hinunter und rannte die letzten Stufen extra laut, damit sie mich hörten und zu streiten aufhörten.

Als ich die Küche betrat, drehten die beiden sich um und lächelten mich gekünstelt an. "Hallo Schatz", flötete Mom und drückte mich leicht. 

"Sorry, aber ich bin spät dran. Nur schnell einen Kaffee, bitte." Mom schenkte mir eine Tasse ein und gab den Rest der Kanne in eine kleine Thermosflasche für die Schule. 

Ich kippte die Tasse runter, warf sie in die Spüle und ging zügig in den Flur, wo ich meine Tasche abgeworfen hatte. 

Ich warf sie mir über die Schulter und rannte in die Garage, wo mein Auto schon auf mich wartete. 

Natürlich kam ich viel zu spät zur Schule. Ich öffnete völlig außer Atem die Klassenzimmertür. Alle Köpfe waren auf mich gerichtet.

"Nun, Miss Parker, warum sind Sie zu spät?", fragte Mr Davis mit strenger Stimme. "Verschlafen", murmelte ich reumütig und hielt den Kopf gesenkt. Das zog immer. 

"Nun gut, setzen Sie sich." Ich sah den Lehrer an und nickte, dann rutschte ich schnell in meine Bank. 

Der Unterricht war heute extrem langweilig. Ich nickte immer wieder ein, und nur das stetige Schnipsen meiner Sitznachbarin, wenn sie sich die Fingernägel abclipste, hielt mich wach. 

"Miss Parker, da Sie heute schon zu spät waren, wäre es dann nicht angebracht wenigstens im Unterricht aufzupassen?"

Ich schreckte aus meinem Schlaf auf und entschuldigte mich. Der Lehrer schüttelte seinen Kopf und fuhr dann widerwillig fort, uns die Techniken der Kurvendiskussionen in die Köpfe zu hämmern.

Als die Klingel sich endlich erbarmte, waren 3/4 der Klasse am Schlafen. Ich trank meinen mitgebrachten Kaffee und machte mich auf den Weg zu Biologie.

Heute sollten wir ein Schweineherz sezieren. Die meisten Mädchen der Klasse kreischten immer wieder auf und gaben lautstark preis, wie sehr sie sich davor ekelten.

Die Jungs taten ganz cool und bemühten sich, es sich nicht anmerken zu lassen, wie schlecht ihnen wurde.

Ich lächelte, und begann, es zu untersuchen. Plötzlich nahmen große Hände mir das Skalpell aus der Hand, mit dem ich das Herz bearbeitete.

Ich schaute auf und sah in Jake's silberne Augen. Er lächelte mich sanft an. "Hey, Julie." "Hi Jake. Kann ich bitte mein Skalpell wiederhaben?"

"Willst du das Ding wirklich zuende aufschlitzen? Nicht, dass du mir noch umkippst", warnte er mich. 

Ich musste lächeln. "Keine Angst, ich kann ganz gut mit sowas", versicherte ich ihm. "Ich will später schließlich Ärztin werden, da muss ich jetzt schon Erfahrung sammeln."

Jetzt war er überrascht. "Wirklich? Ärztin? Ich dachte eher sowas wie Anwältin oder so. Schlagfertig und gut im Verteidigen."

ich musste mich zusammenreißen, um nicht laut aufzulachen. "Anwältin? Jetzt im Ernst? Das passt so gut zusammen wie Vanilleeis und Gurken!!"

Ich lachte mit ihm, bis mir die Tränen aus den Augen liefen. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie Emily immer wieder wütend zu mir sah. 

Doch das kümmerte mich nicht. 

"Wann soll ich eigentlich heute kommen, Jules?" ich überlegte. "So gegen fünf würde es passen." "Perfekt!" Er grinste und ließ seine schneeweißen Zähne blitzen. 

"So, Miss Parker, genug geplaudert?" Mein Biologielehrer stand mir mit hochgezogenen Augenbrauen gegenüber.

Bevor ich den Mund öffnen konnte, sagte Jake schnell: "Tut mir leid, es war meine Schuld. Ich habe Julie abgelenkt."

Er nickte unwillig und ging wieder an sein Pult, wo er sich hinsetzte und irgendetwas aufschrieb. 

Auf einmal klopfte es an der Tür. Ich bekam nur aus den Augenwinkeln mit, wie ein Mädchen nach irgendwas fragte. 

"Julie?" "Hm?" Ich hob den Kopf und sah Jake an. Dieser starrte mich an, und sah dann wieder zu dem Mädchen in der Tür. Er schüttelte den Kopf. "Das kann doch nicht sein ..."

"Was?", fragte ich. "Was meinst du?" Ich sah das Mädchen an. Sie sah mich an. Erschrocken. Entsetzt.

Brianna. 

Mittlerweile hatte die ganze Klasse mitbekommen, was los war, und war völlig verwirrt.

Was sollte ich tun?

Ein Mädchen stand in der Klasse, welches haargenau so aussah wie ich. 

Ich traf eine Entscheidung. In aller Schnelle stopfte ich meine Sachen in die Tasche und rannte aus der Klasse, wobei ich meine Schwester mitzog.

"Was tust du hier?", schrie ich sie an. "Ich sollte Kreide holen!", schrie sie zurück. "Und was sollen wir jetzt tun?", fragte ich verzweifelt. 

Meine Gedanken trugen mich zu Jake. Wie fassungslos er mich ansah. Ich vertrieb schnell diesen Gedanken aus meinem Kopf. 

"Ich rufe jetzt Dad an", sagte meine Schwester entschlossen. Ich nickte abwesend.

Nach einigen Minuten hielt Brianna mir das Telefon hin: "Dad will dich sprechen."

"Hi Dad. Was gibt's denn?"

"Julie! Was hast du jetzt schon wieder angestellt?!" "Was? Aber ich hab doch gar nichts..."

"Du bist einfach aus der Klasse gestürmt! Warum hast du nicht die unwissende Julie gespielt?!"

Tränen vor Wut schossen in meine Augen. "Weil ich in dem Moment einfach nicht daran gedacht habe!", brüllte ich ins Telefon. 

"Du denkst nie nach!" "Tja, das hätte ich ja dann wohl von dir!!"

Ich legte auf und warf das Handy gegen die Wand, wo es in tausend Teile zerbrach.

Dann warf ich meine Tasche auf den Boden und rannte.

Ich rannte immer weiter, immer schneller, aus der Schule hinaus auf die Straße.

Irgendwann, irgendwo, sank ich schluchzend zusammen.

Immer war ich die Schuldige bei meinem Vater. Immer war ich es, auf die er alles schob. Für heute konnte ich doch wirklich nichts, oder?

RebelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt