Kapitel 22

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Kapitel 22

Bria's P.o.V.

"Hey, Alice! Na, wie gehts euch so?", fragte ich meine neue beste Freundin fröhlich. Sie schob mittlerweile eine beachtliche Babykugel vor sich her, und strahlte jeden Tag ein Stück mehr.

Doch heute war kein glückliches Lächeln auf ihrem hübschen Gesicht zu sehen. "Ich war gestern beim Ultraschall ..", murmelte sie.

Ich schluckte. "Es ist vielleicht behindert",schluchzte sie auf einmal los, und warf sich in meine Arme. Ich taumelte leicht nach hinten, schließlich musste ich zwei Menschen auffangen, und stolperte dabei gegen jemanden.

"Sorry", nuschelte ich kurz nach hinten. Alice nahm gar nichts mehr wahr, sie weinte hemmungslos in meinen Armen.

Zwei Arme hatten sich von hinten reflexartig um meine Hüfte geschlungen, jetzt sah ich nach hinten. Ein Mädchen hatte mich aufgefangen. Sie lächelte mich an. Ihr blondes Haar reflektierte in der Sonne, und ließ es golden aufleuchten. Ihre meergrünen Augen strahlten, und ich sah die Sonne in ihnen.

"Kein Problem", zwinkerte sie. Ich starrte sie an. Oh God. Wie wunderschön sie war .. Stop!

Ich schüttelte meinen Kopf. "Tut mir wirklich leid", entschuldigte ich mich richtig. "Wie gesagt, es ist alles okay", lachte sie mich an.

"Ich bin Phoebe", sagte sie plötzlich. "Brianna", brachte ich heraus. Himmel, was war nur los mit mir? Seit wann war ich in Gegenwart von Mädchen so schüchtern?

Phoebe deutete auf Alice. "Was ist mit ihr?" Ich zeigte nur wortlos auf ihren Bauch. Phoebe nickte nur wortlos.

"Ich muss dann weiter", meinte sie. "Aber wir werden uns bestimmt noch sehen." Ich lachte nervös. Als sie ging, streifte ihre Hand meine, und ihr kleiner Finger schlang sich um meinen. Dann war sie weg, und ich blinzelte.

Oh mein Gott. Was war da gerade passiert?

Am nächsten Tag regnete es, und ich war die einzige, die noch in der Schule war, denn ich hatte noch meine neue Geschichte-Lerngruppe. Heute stieß ich neu dazu, und war dementsprechend etwas aufgeregt.

Doch vorher hatte ich noch ein paar Minuten Pause, und ich saß in der Eingangshalle und aß einen Apfel.

Auf einmal hörte ich Schritte, und drehte mich um. Phoebe kam lachend auf mich zu. Ihre hohen Absätze klackerten auf dem kalten Steinboden.

"Na sowas! Was machst du denn noch hier?", fragte sie neugierig. Ich schluckte schnell noch meinen Apfel hinunter, dann antwortete ich: "Hab noch ne Lerngruppe. Geschichte."

"Dein ernst? Da bin ich auch drin!", rief sie aufgeregt. "Wirklich?", fragte ich. Sie nickte, und ihr Haar, welches sie heute als Locken gestylt hatte, hüpfte mit.

Sie sah mich einen Moment lang forschend an, dann nahm sie meine Hand, und zog mich mit einem Ruck hoch.

"Was..?", wollte ich protestieren, doch sie hielt mit ihrer weichen Hand meinen Mund zu, und zog mich nach draußen.

Es goss wie aus Kübeln, und sofort wurde mir eiskalt.

Phoebe jedoch rannte auf den Schulhof hinaus, und begann, wild herum zu hüpfen. "Was soll das?", schrie ich zu ihr hinnüber.

"Regen ist das Schönste der Welt!", rief sie lachend herüber.

"Es ist eiskalt!", beschwerte ich mich. "Jetzt stell dich nicht so an, kleines Dummchen", zwinkerte sie mir zu.

Sie kam zu mir herüber, und zog mich mitten auf den Hof. Schon nach wenigen Sekunden  war ich bis auf die Knochen nass und durchgefroren.

"Tanz einfach!", rief sie mir zu, und kam auf einmal ganz nah an mich heran. Sie legte ihre Hände auf meine Hüften, und bewegte sie im Takt zu einer Musik, die nur sie hören konnte.

Schon bald hatte ich alle Hemmungen abgeschüttelt, und tanzte zu einer Musik, die tief aus meinem Inneren kam.

Es war wundervoll. Die Kälte hatte ich vergessen, unddas ohrenbetäubende Prasseln des Regens war mein Beat.

So viel Spaß hatte ich nicht mehr seit .. noch nie.

Irgendwann, als der Regen weniger wurde, nahm sie wieder meine Hand, und zog mich vom Schulgelände herunter.

Sie zog im Gehen ihre Schuhe aus, und warf sie in das Gebüsch hinter sich. Zum Glück trug ich meine alten Sneakers, denn sie waren vollkommen durchnässt.

Sie führte mich ein ein kleines Café, wo sie sich in eine kleine, unbeobachtete Sofanische setzte. Das Sofa schmatzte, als wir uns setzten.

Phoebe bestellte uns zwei Kaffee, dann beobachtete sie mich.

"Wer bist du? Was ist deine Geschichte?", fragte sie mich plötzlich.

Ich lachte etwas. "Ich bin vollkommen unaufregend. Ich lebe mit meiner Schwester und meinen Eltern in einem Haus am Stadtrand, ich habe eine Katze und ein Pferd."

"Und deine wahre Geschichte?", fragte sie. "Ich lebe mit meiner Schwester und...", setzte ich wieder an.

"Neinneinnein. Deine richtige Geschichte", unterbrach sie mich.

Ich beobachtete sie misstrauisch.

Doch ich beschloss, ihr zu vertrauen. Sie hatte etwas an sich, was in mir heftige Gefühle auslöste.

Und so erzählte ich ihr alles. Ich breitete mein Leben komplett vor ihr aus.

Sie war nicht sonderlich beeindruckt, und wenn doch war sie eine gute Schauspielerin, denn sie zuckte nicht mit der Wimper als ich ihr alles erzählte.

Als ich geendet hatte, nickte sie. "Sowas in der Art hatte ich mir schon gedacht." Sie trank den Rest ihres Kaffees aus, warf einen 5-Pfund-Schein auf den Tisch, und sprang auf.

Mittlerweile war es Abend geworden.

Es nieselte draußen leicht, wie Puder fiel der Regen auf unser Haar.

Wir liefen eine ganze Weile schweigend nebeneinander.

Irgendwann zeigte sie auf ein silbernes Auto. Es war ihres, und sie fuhr mich damit nach Hause.

Als ich ausstieg, kam sie auf meine Seite, und im Schatten eines Baumes in unserer Einfahrt, gab sie mir eine stillen, süßen Kuss.

Es fühlte sich so verdammt richtig an.

Sie legte ihre Hände auf meine Hüfte, wie sie es beim Tanzen getan hatte, und zog mich enger an sich.

Als wir uns voneinander lösten, sah ich sie mit geöffneten Lippen an.

Sie lächelte, und strich mir über die Wangen. "Bis morgen, Prinzessin", wisperte sie, und küsste mich auf die Lippen. Viel zu kurz, wie ich danach feststellte.

Dann ging sie zu ihrem Auto zurück, und fuhr in die schwarze Nacht hinein.

Ich stand noch eine ganze Weile unter dem Baum, und sah ihr nach. Ihre Abschiedsworte hatte ich noch im Kopf. "Bis morgen, Prinzessin."

Ein süßer Kuss.

Ich schaute nach oben. Ein Mistelzweig wiegte sich im Wind hin und her.

Ich musste lächeln, dann ging ich hinein.

Als ich meine erfrorenen Hände in meine Manteltaschen hielt, spürte ich etwas kleines, trockenes.

Es war ein Zettel, mit einer Nummer. Darunter stand geschrieben: Tanzen wir morgen wieder im Regen, Prinzessin?

Ich stopfte ihn lächelnd in meine Tasche zurück, dann ging ich ins Haus, und warf mich auf mein Bett.

Im Kopf hatte ich immer wieder ihre letzten Worte an mich.

Bis morgen, Prinzessin.

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