Chapter 4

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"Wie heißt du... Äh... Sie... Äh..." begann ich stotternd, wurde aber von dem Mann unterbrochen. "Nenn mich Niall." sagte er grinsend. "Ich soll dich so nennen? Heißt du denn nicht so?" fragte ich ihn, um etwas Humor in dieses Gespräch zu bringen. "Niall James Horan. Soll ich dir meinen Ausweis zeigen?" lachte er, und ich erwischte mich dabei, wie ich ebenfalls anfing zu grinsen, antwortete ihm aber nicht.

"Du hast nicht zufällig deinen Ausweis dabei?" fragte mich der Fremde, der sich nun als Niall herausgestellt hat, nachdem einige Zeit eine unangenehme Stille herrschte. Ich richtete meinen Blick von der mittlerweile dunklen Straße, die man jetzt nur noch dank der Scheinwerfer sehen konnte, ab und starrte ihn an.
Ich war nicht wirklich so dumm und habe nicht nachgesehen, ob sich etwas in meinen Hosentaschen befindet, oder? Wie dumm bin ich eigentlich?!
"Hallo?" riss mich seine Stimme aus den Gedanken.
"Was? Ich habe gerade nachgedacht..."
"Worüber?"
"Ich hab noch gar nicht geguckt, ob ich einen Ausweis oder so etwas bei mir trage. Vorhin war irgendwie alles so verwirrend."
Ich tastete meine Hose ab und fand tatsächlich etwas. Es war zwar nur ein Euro, aber immerhin. Ich hielt ihn fest in meiner Hand und suchte weiter.
Aber da war nichts; nur ein kleines Stück Papier. Doch dieses kleine Stück Papier ließ mich kurzzeitig vergessen zu atmen, als ich es auseinander faltete.

Ich weiß, dass du dich befreit hast und du jetzt irgendwo da draußen bist, um fremde Menschen mit deinen Problemen zu nerven.
Doch egal wo du bist, ich werde dich finden.
Und ich werde dein Leben zur Hölle machen.

Drei Sätze. Es waren lächerliche drei Sätze, die mich zum zittern brachten. Mein Herz klopfte so stark, dass ich befürchtete, dass es jeden Moment aus meinem Körper hinaus springen würde.
Auch Niall schien bemerkt zu haben, dass etwas nicht stimmte. "Hey, was ist los? Was ist das?" fragte er mich ruhig.
Er klang so fürsorglich und lieb, dass ich tatsächlich ein schlechtes Gewissen bekam, da ich einfach nur eine Last war, die er irgendwo auf einer Straße mitten im Nirgendwo aufgegabelt hatte. Einerseits könnte es auch total gefährlich sein, bei einem Fremden mitzufahren, andererseits hatte ich nicht wirklich viel zu verlieren. Einem fremden Mann, der mich in so einer Situation rettete und zum lachen brachte, konnte ich vertrauen. Ich spürte es.
Also begann ich langsam und mit zitternder Stimme, den Text vorzulesen.

"Und du hast echt keine Ahnung, von wem das sein könnte?" wurde ich nun schon zum x-ten Mal von Niall gefragt. "Ich hab's dir zwar schon hundertmal gesagt, aber ich tue es gern wieder: Nein, ich hab absolut keine Ahnung. Ich werde es wahrscheinlich auch nie herausfinden."
"Sieh das mal nicht zu negativ. Deine Erinnerungen kommen bestimmt irgendwann zurück, keine Sorge. Und dieser Idiot, der den Zettel geschrieben hat, wird dich nicht finden. Wir werden ihn finden!"
"Es ist echt süß, dass du so denkst, aber ich bezweifle es. Ich bin schon froh, dass ich nicht total durchdrehe. Immerhin sitze ich mit einem fremden Mann in einem Auto Richtung nirgendwo."
"Ich bringe dich in ein Krankenhaus in London, falls es dich interessiert."
Aha, wir waren also in London.
"Das ist nett. Wirklich. Danke für alles. Danke, dass du mich nicht einfach auf dieser Straße liegen gelassen hast. Und auch danke, dass du wenigstens so tust, als würdest du dich für mich interessieren."
"Ich tu nicht nur so. Wenn ich schon ein Mädchen, das ihren eigenen Namen nicht weiß, in meinem Auto mitnehme, möchte ich gern wissen, wie es in diese Lage gekommen ist. Und auch, wenn du es mir nicht sagen kannst, finde ich es sehr interessant."
Ich lächelte. Bis vor ein paar Stunden schien es noch so, als wäre mein Leben bald vorbei. Jetzt saß ich mit jemanden in einem Auto, den ich zwar nicht kannte, der mich aber alles vergessen ließ. Also zumindest für kurze Zeit.

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Danke an alle, die bis hierhin gelesen haben :)

Forgotten Memories | ABGEBROCHEN.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt