Forgotten Memories | ABGEBROCHEN.

Chapter 16

Es vergingen weitere Tage und schlaflose Nächte.

Nachdem Niall mich geküsst hatte, ist eigentlich nichts mehr passiert. Wir haben es nicht wiederholt, reden nicht mehr darüber und reden auch sonst kaum noch miteinander. Der Name "Mara" ist seitdem auch nicht mehr gefallen.
Ich meine, er hat sie ja nicht betrogen - sie waren getrennt. Aber, wenn ich an Maras Stelle wäre, würde es mir mit der Tatsache, dass Niall und ich uns geküsst haben, nicht gut gehen. Zum Glück weiß sie es nicht. Sie würde mich hassen. Ich glaube, sie hasst mich sowieso schon. Einfach nur, weil ich noch mit ihrem Ex unter einem Dach wohne.

Die Stimmung war auch an diesem Morgen angespannt. Das war wieder einer dieser Momente, in denen ich mich fragte, was das alles sollte. Ich fühlte mich wie in einem unglaublich schlechten Film: Er findet mich. Er hat eine Freundin. Sie trennen sich. Er küsst mich.
Was ist das hier?

"Ari? Kommst du mal bitte schnell her?" rief Niall aufgebracht. Ich bin gerade aufgestanden und war deshalb noch nicht wirklich aufnahmefähig, weshalb ich einfach hoffte, dass es nichts Ernstes war.
Als ich dann jedoch im Wohnzimmer stand, woher Nialls Schrei definitiv gekommen war, sah er mich mit einer Mischung aus Verwirrung und Freude an. In seiner linken Hand hielt er sein Handy.
"Was ist los?" flüsterte ich leise. Zu leise. Eigentlich formte ich die Worte nur mit meinen Lippen.
Und trotzdem verstand er mich, woraufhin er eine Geste machte, die mir anwies, dass ich mich kurz gedulden sollte.

Nachdem er endlich aufgelegt hatte, schrie er mir förmlich ins Gesicht, dass ich mich sofort anziehen sollte, weil wir zur Polizei müssen.
"Was? Warum?" fragte ich völlig verwirrt. Die Polizei hat sich schon seit Wochen nicht mehr gemeldet, weshalb ich auch schon gar nicht mehr daran gedacht hatte.
Warum gerade jetzt?

*******

Händchenhaltend saßen wir vor einem Polizisten.
Ich weiß nicht mehr, wie es dazu gekommen ist, dass wir Händchen hielten; ich weiß nur noch, dass es sich ziemlich gut anfühlte.
Wahrscheinlich war es Nialls Idee.

Ich konnte nicht sagen, wer von uns beiden nervöser war. Natürlich war ich extrem nervös, da ich absolut keine Ahnung hatte, worum es ging. Niall war aber ebenfalls nervös, da er bereits wusste, warum wir hierher kommen sollten. Deshalb wollte er mich wahrscheinlich auch nicht einweihen - ich sollte mich nicht unnötig verrückt machen.

"Können sie jetzt bitte sagen, was los ist?" drängelte ich den braunhaarigen Mann in Uniform, welcher vor mir saß und mich mit einem Pokerface anstarrte.
"Wir haben Ihre Identität heraus gefunden, Miss." sagte er kalt. Gefühlslos.
Ich war zu geschockt um passend darauf zu reagieren. Es gab so viele Fragen, die in meinem Kopf herum schwirrten, aber ich wollte nur eines: Wer bin ich und woher komme ich?
"Und...?" fragte ich ungeduldig, nachdem er nicht weiter sprach.
Ich sah kurz zu Niall. Er lächelte. Und trotzdem wirkte er traurig.
Warum? Sie wussten meine Identität, das war doch das, was wir die ganze Zeit wollten. Also ich zumindest.

"Ihr Name ist Mia Joline Silver und sie kommen aus Bristol, etwas über hundert Meilen von London entfernt. Ihre Familie sucht jedoch nach wie vor nicht nach ihnen. Sie haben einen großen Bruder namens Noah und ihre Eltern heißen Isabelle und Benjamin. Reicht das für's Erste?"
Mia Joline Silver. Kann ich bitte wieder Ari heißen? Der Name ist grausam.
Aber gut, ich hatte das erreicht, was ich wollte, oder etwa nicht?
Wieso war ich genauso unglücklich wie Niall?
Wir sahen uns an. Wir redeten nicht, wir kommunizierten über unsere Gedanken. Wir wusste beide, dass ich jetzt zurück zu meiner Familie musste.
Doch ich wollte nicht. Ich hatte mich so an die Tatsache gewöhnt, dass ich keine Gedächtnis hatte, dass ich auch gar keins mehr brauchte.

Ich brauchte nur Niall.
Niall, der meine zitternde Hand hielt.
Niall, der mit mir in den letzten Wochen alle Höhen und Tiefen durchlebt hat.
Niall, der mich nicht kannte und sich trotzdem um mich gekümmert hatte.
Niall, der mich geküsst hatte.
Genau diesen Niall brauchte ich. Mehr nicht.
Und ich konnte nicht anders - ich fing an zu weinen. Einfach nur, weil ich wusste, dass jetzt alles vorbei war.

-
Ich hab das Gefühl, dass jetzt alles ziemlich schnell ging. Sorry, falls euch das stört. Es wäre ansonsten nur einfach ziemlich langweilig geworden.
♥