Sie sassen gemeinsam im Auto und fuhren die Strassen rauf und runter.
"Wie lange müssen wir das wohl noch machen?", wollte der Beifahrer wissen.
Der Fahrer des Wagens zuckte mit den Schultern.
"Was weiss ich. Solange bis Red oder Miles sagen, es wäre vorbei. Denke ich."
Der andere nickte und sah aus dem Fenster. Sie fuhren gerade an einem schicken Haus vorbei.
"Fährst du bitte ein wenig langsamer?"
Der Fahrer runzelte die Stirn, verlangsamte allerdings das Tempo.
"Wieso? Siehst du eine?"
Der Beifahrer schüttelte den Kopf und starrte weiter zu dem Haus.
"Nein. Aber ich habe mich gerade an etwas erinnert."
"Und was wäre das, Major?"
Major drehte den Kopf zu seinem Kopf.
"Das da drin jemand lebt, den ich einmal wirklich mochte." Er schüttelte den Kopf. "Aber das spielt keine Rolle mehr. Los. Fahr weiter, Trash."
Und Trash fuhr die Strasse weiter hinunter, die Augen offen und nach einem neuen Opfer suchend.
-
Sheila blickte gerade aus dem Fenster, als ein Wagen vorbei fuhr. Er wurde für einen Moment langsamer und sie hatte den Eindruck, dass sie jemanden hinter den getönten Scheiben anstarrte, aber wahrscheinlich bildete sie sich das nur ein. Nur kurze Zeit später beschleunigte der Wagen bereits wieder und Sheila wandte sich kopfschüttelnd vom Fenster ab.
Schnell ging sie mit den Sachen, die sie aus der Küche geholt hatte, wieder hoch in ihr Zimmer und grinste ihre beiden Freundinnen an.
"Na. Wie fühlt ihr euch?"
Sam und Nia sahen sich breit grinsend an.
"Wie oft wollt ihr uns das eigentlich noch fragen?"
Sam nickte zustimmend.
"Genau. Wir sind seit zwei Monaten da raus und immer noch werden wir das täglich mindestens dreimal gefragt."
Sheila legte die Sachen auf ihren Schreibtisch und setzte sich zu den beiden auf den Boden.
"Tut mir Leid. Nur ich weiss im Gegensatz zu euch nicht, wie es ist entführt zu werden und dann wieder frei zu kommen."
Nia sah niedergeschlagen auf den Boden.
"Das Schlimmste ist nicht die Entführung. Das Schlimmste waren die Mädchen, die täglich darauf warteten zu sterben."
Sam nahm vorsichtig Nias Hand.
"Ja. Die Angst jemanden zu verlieren, der einem nahe stand, war grauenhaft."
Sheila nahm die beiden in der Arm.
"Seht ihr? Genau aus diesem Grund werdet ihr täglich gefragt, wie es euch geht."
Nia löste sich leicht lachend.
"Ja. Weisst du, was mit Abstand das Verrückteste an der ganzen Sache war? Für eine Zeit lang hatte ich wirklich geglaubt, sie wären nett."
Sheila runzelte die Stirn.
"Wie kommst du denn auf die Idee?"
Nia und Sam wechselten einen kurzen Blick. Keine der beiden hatte je auch nur ein Wort darüber verloren, was zwischen Red und Nia gelaufen war. Nicht das es wirklich weit gegangen war, aber es ging nun mal ums Prinzip.
"Keine Ahnung. Vielleicht lag es am Stockholm-Syndrom."
Sheila sah ihre beste Freundin mit einem besorgten Blick an.
"Ja. Ich hoffe, du hast recht. Aber lasst uns von etwas anderem sprechen."
-
Irgendwo tief im Wald ging ein junger Mann in seinem Zimmer auf und ab und versuchte mit aller Kraft ein Gesicht aus seinen Gedanken zu verbannen, aber es klappte einfach nicht. Jedes Mal wenn er die Augen schloss, konnte er sie wieder klar und deutlich vor sich sehen. Es klopfte zaghaft an der Tür und ein weiterer trat ein.
"Na. Hat's schon geklappt?"
Der junge Mann drehte sich zu ihm um und sah ihn wütend an.
"Ach, halt doch die Schnauze, Pacho!"
Pacho grinste seinen Boss breit an und lehnte sich locker gegen den Türrahmen.
"Gib es doch einfach zu, Red. Sie fehlt dir."
Das wütende Blitzen in seinen Augen verstärkte sich tatsächlich noch.
"Red keinen Stuss. Sie fehlt mir nicht. Sie war eine verdammte Nervensäge."
Pacho verdrehte die Augen.
"Und genau deshalb mochtest du sie ja. Sie hatte keine Angst davor dir zu widersprechen. Gott, sie hatte mehr Mut als die ganze Crew zusammen."
Red hob die Brauen an.
"Dich natürlich ausgeschlossen", fügte Pacho sicherheitshalber noch schnell hinzu.
Red seufzte und setzte sich leicht niedergeschlagen auf sein Bett.
"Vielleicht hast du recht. Vielleicht habe ich sie wirklich gemocht und deshalb ist es besser so wie es jetzt ist."
Pacho sah für eine Weile an die Decke, dann hörte ein Poltern aus dem Wohnzimmer.
"Sie sind wieder da."
Red erhob sich und zwang sich dazu zu grinsen.
"Dann sehen wir uns mal die neue Ware an."
Gemeinsam gingen sie den Flur hinunter und betraten das Wohnzimmer. Vor der geschlossenen Tür standen Major und Trash und hielten ein bewusstloses Mädchen fest. Red nickte anerkennend.
"Gut gemacht. Aber wir brauchen noch mehr, bevor wir wieder ins Geschäft einsteigen können. Los, bringt sie zu den anderen beiden ins Zimmer."
Major schloss die Tür auf und Trash schubste das Mädchen hinein, dann schlossen sie die Tür wieder ab. Red wandte sich in Richtung Flur und wollte wieder in seinem Zimmer verschwinden. Pacho hielt ihn jedoch noch einmal zurück.
"Warte!"
Red drehte sich widerwillig zu ihm um.
"Was willst du?"
Pacho schluckte schwer.
"Denkst du, wir werden sie noch einmal sehen?"
Jetzt wusste Red nicht mehr was er antworten sollte, also sagte er das erstbeste, das ihm in den Sinn kam.
"Ich weiss es nicht, aber ein Teil von mir will es, während der andere weiss, dass es nicht gut enden würde."
Dann ging er den dunklen Flur hinunter und verschwand in seinem Zimmer.
-
In dieser Nacht konnte weder Red noch Nia noch sonst irgendeiner wirklich gut schlafen.
Sheila und Major trauerten einer Beziehung nach, die es so nie gegeben hatte.
Pacho wünschte sich noch ein letztes Gespräch mit dem Mädchen, von dem er einst glaubte sie zu lieben, weil sie sowas wie seine beste Freundin geworden war.
Nia dachte an ihre verstorbene Schwester und den Jungen, der sie ermordet hatte und den sie einmal wirklich sehr gemocht hatte.
Red starrte lediglich an die Decke und versuchte über gar nichts nachzudenken, dennoch wurde er das Gesicht des Mädchens, dass er immer noch mochte, einfach nicht los.
Und am anderen Ende der Stadt lag ein Mädchen in ihrem Bett und weinte sich wie jede Nacht in den Schlaf, weil sie ihre Familie und Freunde schrecklich vermisste und wusste, dass sie sie vermutlich nie wieder sehen wollte. Es sei denn, sie wollte ihr Leben in Gefahr bringen.
ENDE VON BUCH 1
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MONSTERS - Let The Game Begin
Mystery / Thriller«Eine letzte Träne lief Nia über die Wange und sie wischte sie nicht weg, sondern lies sie trocknen. Es war nicht einfach die letzte Träne für die nächste Stunde oder den ganzen Tag. Nein ... Es war die letzte Träne für eine weitaus längere Zeit. Es...