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„In meiner Heimat könnte ich dich jetzt nehmen. Dich regelrecht zum Umfallen ficken und es wäre egal. Meine Brüder mussten sich echt zusammenreißen um nicht über die Frauen im Dorf herzufallen. Bei uns kann man sich nehmen wen man will, natürlich solange sie nicht die Gattin von jemanden ist. Doch ich möchte dich nicht zu sehr verstören. Geh und wähle Kleidung für die Hochzeit. Ich will, dass du ein enges, aber nicht zu aufreißendes Kleid trägst und darunter...überrasch mich. Die Farben sollten in dunklen Tönen gehalten sein. Blutrot oder schwarz", entschied er und gab mich endlich frei. Schnell erhob ich mich von seinem Schoß und sah mit hochrotem Kopf auf den Boden.
„Zieh dich jetzt an und geh!"
So schnell hatte ich noch nie getan was mir befohlen wurde.
Draußen holte ich erst mal tief Luft, bevor ich mich in die Gruppe, die aus meinen Cousinen bestand, begab.
Sie kicherten und wuselten um mich herum und das, bis wir das Schiff erreichten. Auf dem Weg begegneten wir nur ein paar Kriegern und zwei von den Barbaren, die auf ihr eigenes Schiff zu steuerten.
„Ah, da ist ja die Braut", erklang die piepsige Stimme eines Mannes der mir höchstens bis zum Bauch ging. Meine Cousinen kicherten wie wild und schmissen sich mit riesigen Augen in die Berge aus Kleidern. Der Händler schüttelte nur lächelnd den Kopf und sah mich dann an, während er auf eine Leiter kletterte um mir in die Augen gucken zu können.
„Was für eine Farbe soll das Kleid haben? Groß und pompös? Oder lieber schlicht? Lang, kurz oder beides? Mit Spitze? Samt? Seide? Schmuck und Schuhe direkt dazu? Und", er beugte sich etwas vor. „Was soll darunter?" Leicht überfordert, mit roten Wangen sah ich ihn an und seufzte dann.
„Blutrot oder schwarz, eng, aber nicht zu aufreißend und darunter..." Bevor mir etwas einfallen konnte kam eine meiner Cousinen von der Seite. „Etwas aufregendes! Sie soll ihm richtig den Kopf verdrehen, schließlich soll er sie ja auch gut finden", sagte sie zu dem Händler und zog mich dann mit sich, immer tiefer hinein in das Schiff. Wirklich überall waren Kleider, Schuhe und Schmuck. So weit das Auge reichte und mein Herz begann schneller zu klopfen. Dagegen waren die Kleider unserer Dorfschneiderin gar nichts.
Nach ein paar Kleider die ich zum Spaß anprobieren sollte, kam der Händler mit ein paar echt schönen Teilen.
Zum Schluss entschied ich mich für ein rot-schwarzes Korsettkleid.
In manchen Ländern auf Übersee waren diese Kleider gerade sehr beliebt und wurden von den Häuptlingstöchtern getragen.
Es war aus weichen Stoffen und mit schönen Bändern und Spitze verziert. Darunter würde ich ein schwarzes enges Unterkleid tragen, gegen das ich mich anfangs stark gesträubt hatte, denn ich wollte diesem Barbaren nicht gefallen.
Er würde mich aus meiner Heimat reißen. Etwas was ich mir eigentlich immer gewünscht hatte, doch jetzt wo Vater tot war...
Ich wollte in der Nähe meines Bruders bleiben.

Erschöpft verließ ich mit meinen Cousinen das Schiff und schleppte mich den Steg entlang.
Ich wollte nichts lieber, als mich in weiche Felle zu kuscheln und zu schlafen.
Raswans Worte haben mir etwas Angst gemacht und ich wollte ehrlich gesagt nicht wissen was er und seine Männer schon alles getan hatten.
Schnell schüttelte ich den Kopf und machte mich auf den Weg, den Strand entlang, auf die Klippen zu. Dort stand schon mein Bruder und sah mich erwartend an.
„Ich habe gesagt, dass wir allein sein wollen", sagte er und lächelte mich schwach an. So gerne ich ihm von Raswan erzählen wollte, jetzt zählte noch einmal Vater.
Gemeinsam erklommen wir den Berg und schritten über die lange Wiese, bis an den Rand der Klippen. Dort nahm ich den Schleier von meinem Kopf und kniete mich neben den gewaschenen Leichnam meines Vaters.
„Ich habe dich immer geliebt und werde das auch immer tun", flüsterte ich und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Auch mein Bruder verabschiedete sich nochmal, bevor er ihn mit schwarzen Leinentüchern fest umwickelte. Es war Tradition in unserem Dorf, alle Toten von den Klippen zu stoßen. Es Symboliesierte ihre letzte Reise, ihren letzten Sprung.
Ich kniff die Augen zusammen um mir die Tränen zu verkneifen, als mein Bruder ein Feuer machte und den Leichnam in Brand steckte. Mit Hilfe von einem langen Ast schob er den brennenden Körper über die Klippen, hinab in die stärker werdenden Wellen. Ängstlich und hilflos ergriff ich die Hand meines Bruders und schluchzte leise.
„Jetzt sind wir beide allein", flüsterte ich und lehnte meinen Kopf gegen seinen Arm. „Wir haben uns, Vanja. Alles wird gut", erwiderte er und fuhr mit seiner Hand über mein Haar.
„Ich werde weg gehen", rutschte es mir heraus.
Mein Bruder drehte sich um, sodass ich ihm ins Gesicht sehen musste.
„Wie meinst du das, Schwester?" Seine Stimme war wütend, aber auch leicht zittrig.
„Warkan hat entschieden, dass ich Raswan heiraten soll", erklärte ich und sah ihn traurig an.
„Oh nein, du bleibst hier im Dorf! Ich spreche mit Warkan, dass war nicht die Abmachung!", knurrte mein Bruder und lief los.
„Tu nichts falsches", rief ich, wobei es in ein Schluchzen über ging. Warkan würde meinen Bruder verletzen.
Er bekam immer was er wollte.
Tränen flossen über meine Wangen, weil ich das fürchtete was gewiss geschehen würde.
Mein Bruder lief jedoch so schnell, dass ich ihn nicht einholen konnte.
Von weitem sah ich wie er den Berg hinab kletterte und auf unser Dorf zu stapfte.
Gerade als ich unten an kam, passierte er die ersten Hütten und ich sah, wie er sich immer mehr anspannte.
Er wollte mich nicht auch noch verlieren, so wie ich ihn auch nicht.
Doch Warkan würde eh seinen Willen bekommen, ob er dafür meinen Bruder aus den Weg räumen musste oder nicht. „Warkan!", hörte ich ihn schreien, was mich zusammen zucken ließ.
Während ich rannte, richtete ich meinen Schleier, da ich nicht noch mehr Stress mit Warkan kriegen wollte.
Mehrere Dorfbewohner sahen mir verwirrt nach, doch ich hatte nur Augen für meinen Bruder. Er stürmte gerade in Warkans Haus.
„Das war nicht die Abmachung Warkan! Meine Schwester soll Haslac heiraten und hier im Dorf bleiben. Entweder so, oder ich finde einen anderen Gatten für sie, das wird nicht schwer!"
Mein Bruder schrie beinahe und ich bat die Götter ein letztes mal um Gnade. Ich brauchte ihn.
„Sei vorsichtig Knabe!", hörte ich Warkans drohende Stimme. Atemlos erreichte ich seine Hütte und betrat den Raum, aus dem die Stimmen kamen.
„Entscheide dich, Warkan. Haslac oder niemand!"
Mein Bruder war komplett angespannt und leichte rote Flecken zierten seinen Hals.
„Ich sage es noch einmal. Hüte.Deine.Zunge!" Mit Warkan war auch nicht mehr zu spaßen. Er war inzwischen von seinem Stuhl aufgestanden, ebenso die Männer, die mit ihm an der langen Tafel saßen.
„Ich verstehe, dass du besorgt bist. Aber ich werde mich gut um deine Schwester kümmern und sie wird es gewiss besser haben als bei Haslac", mischte sich jetzt Raswan ein.
„Du willst sie aus unserem Land entführen! Was ist daran gut?", fragte mein Bruder zornig.
Genug jetzt!"
Warkan haute mit der Faust auf den Tisch und brachte alle zum Schweige. Alle außer meinen Bruder.
„Genau, genug", stimmte er zu und drehte sich zu mir um.
„Da Vater nicht mehr lebt bin ich ihr neues Oberhaupt, weshalb ich hiermit entscheide, dass die Verlobung aufgelöst ist!"

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da da damm.....

Vanja's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt