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Fast schon sanft nahm dieses etwas meinen Bruder.
Schnell drehte ich mich um, sah aber nicht mehr als eine schwarze tiefe Kapuze, die zu einem langen Mantel gehörte. Das Gesicht des Fremden war somit versteckt. Jedoch verspürte ich das Verlangen, dem Fremden die Kapuze vom Kopf zu ziehen und ihn zu betrachten.
Es war zweifelos ein männliches Lebewesen, die Statur war viel zu breit für eine Frau, doch immer noch schmaler und wendiger als die der Barbaren.
Ängstlich und neugierig zugleich, beobachtete ich wie er sein Handgelenk unter die Kapuze hob und es danach wieder hervor zog.
Angeekelt bemerkte ich, dass das Handgelenk aufgebissen wurde und eine, in der Dunkelheit schwer identifizierbare, Flüssigkeit hervorquoll. Es war auf jeden Fall kein Blut.
Bevor ich überhaupt etwas einwenden konnte, hatte er das Handgelenk an den Mund meines Bruders gedrückt und zwang ihn etwas von der Flüssigkeit zu schlucken.
„Was...?" Ich brachte keinen vollständigen Satz zustande, war zu sehr geschockt und in einer Starre gefangen.
„Fürchte nicht die Dunkelheit, ma belle. Wir schützen dich, doch die Fremden von Übersee sind gefährlich. Nimm dich in Acht!" Die Stimme des Mannes war rau und schmerzte leicht in den Ohren. Noch einmal warf ich einen Blick auf seine kalten Finger, die lange Klauen am Ende hatten, bevor er verschwand.
Wie Rauch stieg er in die Dunkelheit empor und war einfach weg.
Schreie ertönten kurz darauf wieder und Fledermausartige Wesen zischten über unsere Köpfe.
Die Barbaren schlugen wild um sich und stießen ein oder zweimal Kampfschreie aus.
Mein Verstand hatte sich zum Glück schnell erholt und ich griff nach meinem Bruder.
Mühsam schleppte ich ihn, er war halb bei Bewusstsein und torkelte an mich gelehnt den Weg entlang, den Weg zu unserer Hütte und musste dort erschreckend feststellen, dass sein Rücken verheilt war.
Alles schien in bester Ordnung, wenn man mal von meiner seelischen Erschöpfung absah.
Mein Bruder schlief sofort ein, während ich ihm noch den Oberkörper wusch und dann auch ins Bett ging.
Ich würde sicherlich nicht noch zu Warkan gehen.
Niemals wieder wollte ich in seine Nähe geraten, was aber leider nicht funktionierte.
Spätestens bei der Hochzeit, die ich NICHT wollte, würde ich ihn wieder sehen.
Meine Gedanken wanderten zu Raswan und ich erschauderte.
Was stimmte mit ihm und seinen Männern nur nicht? Irgendwie waren sie anders, fremd und unmenschlich.
So wie die Kreatur von eben.
Die Kälte kroch immer noch durch meinen Körper, doch war nicht mehr so stark.
Schnell schüttelte ich den Kopf und zog die Felle dichter an mich heran.
Morgen würde ich heiraten und trotz alledem freute ich mich.
Die Hochzeit war etwas einzigartiges und vorallem in unserer Sippe hoch angesehen.
Ich wollte einen schönen Tag haben, auch wenn dies eine arrangierte Ehe, mein Vater tot und mein Bruder höchstwahrscheinlich nicht dabei war. Nicht zu vergessen, dass ich danach meine Heimat verlassen musste.
Morgen würde ich diese Tatsachen vergessen und feiern. Natürlich erst nach dem unangenehmen Teil im Tempel.
Raswan war trotz seines guten Aussehen nicht der Mann an dem ich meine Unschuld verlieren wollte.
Ich hatte zwar schon immer gewusst, dass ich meinen Gatten nicht selbst wählen durfte, doch ich hatte bis zum Schluss gehofft, dass es eine Wendung nehmen würde und ich den Mann meiner Träume heiraten könnte.
Naja, wahrscheinlich wäre es schon ein Anfang gewesen, wenn ich überhaupt geträumt hätte, was ich seit dem Tod meiner Mutter kaum mehr tat.
Ich war schon ein merkwürdiges Kind.
Mit einem schmunzeln auf den Lippen schlief ich schließlich ein und wachte auch erst auf, als die Sonne schon längst aufgegangen war.
„Da bist du ja, mein Kind. Schnell, schnell! Wir müssen dich baden und umziehen", überraschte mich Warkans Frau und zerrte mich aus dem Bett.
Verwirrt stolperte ich ihr hinter her und verstand nicht ganz was los war.
Eine Schar von Cousinen, Tanten und irgendwelchen Frauen begannen um mich herum zu wuseln und kurz darauf fand ich mich in einer dampfenden Wanne wieder.
Noch völlig müde rieb ich mir über die Augen und sah mich um.
Ich lag in einer Wanne mit dampfenden, wohltuenden Wasser, während die Frauen und Mädchen meine Kleider und alles nötige herrichteten.
Ich musste grinsen und schüttelte den Kopf, als ich den Tumult bemerkte.
Gemütlich reinigte ich meinen Körper und entspannte noch etwas, bevor ich aus der Wanne gezerrt wurde.
Mein Körper wurde mit irgendwelchen Ölen eingerieben, welche sie wohl von Raswan erhalten hatten und dann kam schon das enge Unterkleid.
Zufrieden nickten die Frauen über meine Auswahl und begannen mich in das eigentliche Hochzeitskleid hinein zu zwängen.
Verzweifelt röchelte ich nach Luft, als sie mir dann das Korsett zu zogen, doch nach kurzer Zeit hatte ich mich daran gewöhnt. 
Mein Haar wurde noch geflochten und mit irgendwelchen roten Blütenblättern verziert. Auch diese hatten sie von Raswan. Anscheinend war es ihm wichtig, dass ich das trug und wie ein Tier roch.
Diese Öle waren nämlich echt abartig und rochen nach Hund und Wald, oder irgendwas ähnliches.
Jedenfalls war es nicht mein Geschmack und auch die Frauen runzelten verwirrt die Stirn.
„Vielleicht ist es so Brauch bei ihnen", meinte Warkans Frau und prüfte nochmal meine Kleider.
„Du bist wahrhaftig die schönste Frau, die mein Sohn heiraten könnte und ich hoffe sehr, dass ihr glücklich werdet. Irgendwann will ich dann auch mal meine Enkel sehen, damit das klar ist!", sagte sie ernst, lächelte aber.
Ich nickte nur unsicher und spielte nervös mit meinen Händen. Die Sonne stand jetzt hoch am Himmel, weshalb ich mich bereit hielt. Um diese Zeit begannen die Rituale meist und ich war froh, dass ich wusste wie alles ablief.
„Alle warten schon", sagte plötzlich Warkan und ich sah ihn aus großen Augen an.
Mürrisch packte er meine Hand und zog mich aus dem Haus.
„Halte dich an den Ablauf und wehe dir du erfüllst meinen Sohn nicht mit Freude und Begehren. Falls er etwas geändert hat, weil es bei seinem Volk so Brauch ist, dann wird er es dir sagen und du wirst es ohne Zögern ausführen. Verstanden, meine Tochter?", fragte er und sah mich abwartend an.
„Ja, mein Herr", flüsterte ich und er nickte zufrieden. 
Wir erreichten den Marktplatz und er ging etwas langsamer. Ich straffte meine Schultern und sah mich vorsichtig um. Links standen die engsten Krieger von Warkan und rechts die Männer von Raswan. Frauen waren nur bei einem Teil der Hochzeit erlaubt und dann auch nur sehr wenige von ihnen.
Meine Hand zitterte leicht, weshalb Warkan sie fester drückte und mich streng an sah.
Vor dem Eingang des Tempels blieben wir stehen und drehten uns so, dass wir gegenüber von einander standen.
Wie in den letzten Tagen oft, sank ich vor Warkan auf die Knie und begann das erste Ritual. Ich legte jeweils eine Hand auf einen Schuh von Warkan und murmelte leise die Worte die mir die Fraue beigebracht hatten seit ich denken konnte. Ich musste um den Segen des Vaters bitten und darum, dass er mich als vollständiges Mitglied seiner Familie akzeptierte.
Als ich fertig war stand ich auf, hielt aber den Kopf gesenkt.
Erst als Warkan mir einen Kuss auf den Kopf gab und unverständliche Worte flüsterte, sah ich wieder auf.
Warkans Söhne jubelten und feierten ihr neues Familienmitglied, während Warkan den Platz verließ.
Seine Aufgabe war erfüllt.
Raswan nahm ziemlich schnell seinen Platz ein und ich sah nervös auf seine großen Hände hinab.
„Der Vorgang im Tempel wird fast der selbe sein. Ich werde nur ein paar sachen ändern, da ich die Bräuche meines Stammes mit einbringen möchte!", rief er laut und seine Männer johlten zustimmend.
„Bei uns ist es ein Muss, dass die anderen bei jedem Ritual zu sehen. Als Zeugen für unsere Götter. Vier meiner Männer werden deshalb mit uns in den Tempel gehen und jedes Ritual begleiten. Außerdem müssen sie mich zurückhalten", erklärte er leise, sodass nur ich ihn verstand. Mein Körper begann zu kribbeln und ich keuchte erschrocken auf.
Aber sie konnte doch nicht ... nicht bei diesem einen Ritual zu sehen!
Nicht bei der Verbindung.
„Und wir werden nicht deine Götter um Gnade und eine fruchtbare Ehe bitten, sondern unsere. Mach einfach alles was ich dir sage und denke nicht an deine Götter. Es gibt sie nicht!"
Seine Worte trafen mich hart, obwohl ich in letzter Zeit an den Göttern gezweifelt hatte. Schließlich ließen sie mich immer im Stich, wenn ich um ihre Hilfe bat.
Ängstlich sah ich zu Raswan hinauf und schluckte, als ich in seine Augen blickte.
Schwärzer als die Nacht.
„Wir beten zu Freyja um eine fruchtbare Ehe und zu dem Allvater Odin, auf das er uns wohl gesonnen sei."
Er drehte sich kurz zu seinen Männern um und nickte ihnen zu.
Daraufhin lösten sich vier von ihnen aus der Gruppe und kamen zu uns.
Mit erschrecken stellte ich fest, dass es unter anderem Narbengesicht und der, der mich so anzüglich angegrinst hatte, waren.
Rawsan sah mich noch einmal an, bevor er meine Hand ergriff und los ging.
Meine Finger begannen zu kribbeln und ich nahm deutlich jeden der Männer war. Ich hörte auch geschockt zu, als einer von ihnen murmelte, dass ich so verlockend riechen würde.
Wäre ich keine eher schwache Frau, hätte ich ihm längst eine verpasst.
Vor dem Tempeleingang wollte ich stehen bleiben und wie jedesmal bevor ich den Tempel betrat zu den Götter beten, doch Raswan zog mich einfach weiter.
„Denk an meine Worte und beachte die Männer gar nicht", flüsterte er und drückte meine Hand aufmunternd.
Ich versuchte einfach mich zu entspannen und atmete tief aus. Mein Blick blieb fieberhaft am Boden des Tempels, weshalb ich fast gegen die Wand lief. Hier wurde es nämlich knifflig. Der Eingang war keine normale Tür, sondern ein schmaler Spalt am Boden.
Ungewiss, ob Raswan dieses Ritual durch führen würde, nestelte ich an dem Saum meines Kleides rum.
Ruckartig wurde ich jedoch umgedreht, sodass ich mit dem Rücken zu Raswan stand und die Männer mit großen Augen beobachtete. War ja klar, dass er sich das nicht nehmen ließ.
Langsam und bedächtig löste er die Schnüre von dem Korsett und ich holte tief Luft, als der Druck von meinen Lungen wich. Die Männer schienen jetzt auch zu verstehen und betrachteten mich gierig.
Also Narbengesicht sah eher an mir vorbei, worüber ich echt froh war, da mir sein Blick Angst machte.
Außerdem weckte er meine Verachtung, da er meinen Bruder auspeitschen wollte.
Mit einem Knurren legte Raswan seinen Kopf in meine Halsbeuge und atmete tief durch.
Dabei zog er mir sanft das Kleid aus, sodass ich schutzlos und nur in einem Unterkleid vor den Barbaren stand.
Raswan drehte mich wieder herum und stieß einen deutlich erregten Laut aus, bevor er den Blick abwand und mir mit einer Geste verdeutlichte, dass ich vorraus gehen sollte.

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Danke für die Votes<3
würde mich über Kommentare freue und eure Meinung zu dem Buch:)
(lest doch bitte mal bei Sweete4636 rein, ihr Werwolfbuch Bad Mate ist echt gut)

Vanja's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt