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Ich würde mich über Kommentare freuen, wie es euch gefällt und was man verbessern könnte:)
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Auch dem Wolf ist sein Junges lieb
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Raswan schien nervös darüber, dass wir zu einem anderen Alpha gehen würden. Den ganzen Tag lief er schon auf und ab, bellte Befehle und grübelte über irgendetwas.
„Was betrübt dich, mein Liebster", fragte ich ihn und legte meine Hände auf seine Wangen.
„Allein in einem fremden Gebiet zu sein ist immer gefährlich. Auch wenn Corwick weiß, dass unser Rudel stärker ist, könnte er einen Angriff starten", erklärte er und legte seine Hände über meine.
„Wir schaffen das", erwiderte ich nur, da ich in Sachen Rudel und Grenzen noch nicht wirklich durchblickte. Er nickte besorgt und drehte sich zu Soujim.
„Positionier ein paar Leute um die Mauer herum!"
Langsam ging ich die Treppe nach oben und zu unserem Gemach. Dort suchte ich mir eins der schönsten Kleider raus und machte mich noch etwas frisch.
Vorsichtig strich ich mit den Fingern über das Lederarmband, was mein Bruder mir damals gegeben hatte.
Unser Name war noch gut zu lesen und das fremde Wappen blitzte im Licht der Kerzen.
Auf einmal überrollte mich eine starke Sehnsucht nach meinem Bruder und der Insel.
Najam war seit meiner Geburt mein Zuhause und eine wunderschöne Insel. Ich vermisste sie, sie alle und vor allem meinen Vater.
Mögen die Götter ihn in seinem neuen Leben beschützen!
„Komm Kätzchen, es wird Zeit!"
Lächelnd drehte ich mich zu Raswan um und sah ihn mit feuchten Augen an.
„Was ist?", fragte er besorgt und kam zu mir.
„Versprich mir, dass du mich irgendwann nach Hause bringst! Versprich es!"
Ich stand den Tränen nahe, versuchte jedoch sie zurück zu halten um stark zu wirken. Mein Heimweh war mit einemmal so stark, dass ich kaum atmen konnte, ohne den stechenden Schmerz in meiner Brust zu fühlen.
Die Klippen, das Meer und die vertrauten Gesichter fehlten mir.
Ich hatte mich inzwischen hier gut eingelebt, doch die Mauern schienen mein Gefängnis zu sein.
Ich brauchte meinen Bruder, egal wie unser Verhältnis war, er war vom selben Blut und ich vermisste ihn.
„Das hier ist dein Zuhause!"
Ohne weiteres zu sagen zog er mich mit sich und verbarg sich hinter einer eisernen Maske.
Es war wie ein Schlag ins Gesicht und ich konnte nicht klar denken, da er mich damit wirklich verletzt hatte. Natürlich war er Raswan, ein Alpha, ein Wolf.
Doch ich hatte mehr von ihm erwartet, mehr Verständnis.
„Wehe dir passiert etwas, dann saßt du zum letzten Mal auf dem Pferd!"
Ich nickte nur und starrte auf das leuchtend weiße Fell von Toran.
Es beruhigte mich und ich beschloss mein verletztes Herz erst einmal beiseite zu schieben.
Meine Finger umklammerten die ledernen Zügel und trieben den Hengst leicht an.
„Vanja!"
„Ich komme!", erwiderte ich und strafte die Schultern.
Was zwischen mir und Raswan vorfiel durfte das Rudel nicht belasten, oder uns Schwach darstellen. Ich schob es auf seine Nervosität, dass er so schroff geantwortet hatte und beschloss morgen noch mal mit ihm zu reden.
Wir ritten durch das Tor beim Trainingsplatz und in den Wald hinein. Ich hörte in den Büschen Geräusche und sah Schatten durchs Unterholz huschen.
„Sie begleiten uns bis zur Grenze", erklärte Raswan und wartete bis unsere Pferde im Gleichschritt gingen.
„Dürfen sie nicht mitkommen?", fragte ich und streichelte sanft den Hals des Hengstes. Er schnaubte und schüttelte den Kopf, was mich leise lachen ließ.
„Nein, es ist besser sie bleiben hier. Sonst scheint es, als würden wir dem anderen Rudel nicht vertrauen und das würde den wackeligen Frieden zerstören." Verstehend nickte ich und sah wieder nach vorne auf den Weg.
„Wir sind spät, komm!", rief er und trieb seine Stute in den Galopp.
Sofort tat ich es ihm gleich und holte wieder auf.
Die Dunkelheit umhüllte mich wie ein Mantel und ließ mich alle Sorgen vergessen.
Ich sah ihn beinahe vor mir. Sein markantes Kinn und den Rand der Kapuze, unter der sich sein Gesicht verbarg, welches ich noch nicht sehen durfte.
Kalte Luft streifte meinen Nacken und ich hörte seine tiefe Stimme, die durch meinen Körper jagte.
Die Bäume rasten an uns vorbei, verschwammen zu einer einzigen Masse und die Abendluft wurde kühler. Der Winter nahte.
„Halt!"
Ich streichelte den Hals von Toran und hauchte ein leises "Stopp" in sein Ohr.
Er reagierte sofort und wurde langsamer, bis er neben Raswan zum Stehen kam.
„Ab hier gehen wir alleine weiter. Bash wartet bis wir wieder kommen. Wenn ich rufe, dann kommt sofort!"
Der Wolf der Bash war, nickte und knurrte die anderen an. Scheinbar sprach er mit ihnen, denn sie senkten die Köpfe und zogen sich zurück in die Bäume.
„Bist du bereit? Ab jetzt werden wir auf fremden Territorium sein und du bist nicht ihr Alpha."
Ich nickte ihm nur zu und packte die Zügel etwas fester.
„Los mein Guter, bring mich heil zum Alpha", flüsterte ich Toran zu und strich noch einmal über seinen weiches Fell.
Das Gefühl von fremden Augen angestarrt zu werden begleitete mich den ganzen Weg und auch hier raschelte es wieder laut im Gebüsch.
„Sie passen nur auf, keine Angst. Das riechen und hören sie und das ist schlecht", erklärte Raswan leise, als er meinen steigenden Puls bemerkte. Unter Wölfen zu sein schien mir hier viel schlimmer als bei uns.
Ich kannte diese Wölfe und Menschen nicht, wusste nicht wie sie reagierten und war viel schwächer als sie.
Das Einzige was mir gerade halt gab war der Mantel der Nacht, der mich schützte und stärkte.
Mit gestrafften Schultern stieg ich neben Raswan vom Pferd und sah mich kurz um.
Ähnliche Bauten wie bei uns, wobei bei diesen mehr Holz mit eingebaut war.
Das Rudelhaus war nicht schwer zu erkennen, denn es war größer und pompöser als die anderen Häuser.
Ein junger Knabe nahm die Zügel von Toran und führte ihn beiseite.
„Vanja?"
Ich sah zu Raswan auf und hakte mich dankend bei ihm ein.
Gemeinsam betraten wir dann das Haus und wurden sofort von der Wärme eines großen Feuers empfangen.
„Mach es mir gleich!", raunte er noch bevor er strahlend zu den Personen im großen Raum sah.
„Alpha Corwick, was eine Freude euch besuchen zu dürfen!", rief Raswan und verbeugte sich, jedoch ohne die Faust aufs Herz zu legen, wie es die anderen bei ihm immer taten.
„Vielen Dank für die Einladung ", sagte ich etwas leiser und verbeugte mich ebenfalls.
„Mein Freund komm her!", kam es lachend von dem älteren Mann, dessen Haare schon ins Grau übergingen.
Raswan tat seiner Aufforderung folge und ging näher zu dem Thron, so wie wir ihn auch besaßen.
Während die beiden sich noch weiter begrüßten, ging ich nur langsam zu ihnen und sah mich dabei weiter um.
Hier gab es nur eine große Feuerstelle, die aber viel Wärme spendete und auch zum Fleisch braten diente.
Außer uns waren nicht viele Personen hier.
Die Männer waren ebenfalls groß und breit wie Bären und hatten lange Bärte und tätowierte Haut.
Manche von ihnen hatten eine Art Kriegsbemalung im Gesicht, blaue und schwarze Streifen die irgendwelche Muster ergaben.
Bei einem von ihnen stockte ich.
Es war ein Mann, etwas älter als ich, der auf der nackten Brust ein Zeichen trug, das mir sehr bekannt vor kam.
Bevor ich aber näher darauf eingehen konnte wurde ich von Raswan gepackt und vor den Alpha geführt.
„Meine Frau und Alphaweibchen unseres Rudels, Vanja", sagte er und stellte sich schräg hinter mich. „Herzlich Willkommen, Vanja", sagte der andere Alpha und sprach dabei mit einem harten Akzent, der mir eine Gänsehaut verpasste.
„Lasst uns Essen!"
Kurz darauf fand ich mich also neben Raswan wieder.
Wir saßen an einem Kopfende, gegenüber des Alphas.
Links und rechts einige Barbaren, wahrscheinlich die Betas.
Es war ein kleiner Tisch, der in einer Ecke neben dem Feuer stand, die große Tafel stand wie bei uns mittig, wäre aber sicherlich zu groß gewesen, weshalb dieser Tisch eine gute Lösung war.
„Wieso stellst du mich immer als Alphaweibchen vor? Impliziert das nicht schon die Tatsache, dass ich deine Frau bin?", fragte ich Raswan möglichst leise, doch der andere Alpha schien es auch gehört zu haben.
„Aber nicht doch mein Kind. Ich habe und hatte schon einige Frauen, aber wenn ich jede von ihnen zum Alpha machen würde, wüsste bald keiner mehr, auf wen er hören muss", sagte er und fing laut an zu lachen.
„Also nein, dass eine bedeutet nicht gleich das andere", fügte Raswan für mich noch hinzu und lächelte entschuldigend.
„Erzählt, wie habt ihr sie gefunden?", fragte der grauhaarige, nachdem er sich wieder beruhigt hatte und trank einen großen Schluck aus seinem Kelch.
„Ich war in meiner Heimat und dort fand ich sie. Sie war die Schönste von allen, dass ist sie noch jetzt", antwortete Raswan und sah mir tief in die Augen.
Peinlich berührt senkte ich den Kopf und trank einen Schluck.
„Manchmal vergesse ich, dass ihr nicht von hier seid. Doch zu eurem Glück kenne ich das Gefühl, mein Vater war auch ein Fremder und ich bekam oft mit, wie ihn manche Alphas behandelt haben."
Raswan nickte verständnisvoll und sah wieder nach vorn.
„Mein Kind, erzählt, wie fühlt ihr euch? Kümmert sich mein Freund auch gut um euch?", fragte er lachend und grinste über beide Ohren. Ich erwiderte das Lächeln, wobei ich sah, dass es nicht ganz echt war und er uns eher prüfen wollte. Doch auf was und wieso? Meine Augen starrten tief in seine, als ich antwortete und dabei immer noch seinen Blick gefangen hielt.
„Sehr gut, ich lerne schnell und erarbeite mir den Respekt des Rudels", erklärte ich und fand mich in dem Farbengemisch seiner Augen wieder, wie schon gestern bei Raswan. Ich suchte diese eine Farbe, diese eine bekannte und wusste zu gleich, dass es schlecht ausgehen würde, sollte ich weiter machen.
Schnell wand ich daher meinen Blick ab und aß schweigend weiter.
Nach dem köstlichen Essen unterhielten sich die Männer noch über irgendwelche Rudelangelegenheiten, weshalb ich mich vors Feuer stellte und den Krieger von vorhin suchte.
Er befand sich ziemlich in der Nähe, sodass ich gut seine Bemalung betrachten konnte.
Sie kam mir so vertraut vor und zog mich an, ohne dass ich es bemerkte.
Ein Schritt vor den anderen und ehe ich mich versah, stand ich vor dem großen Mann, der noch jung war, aber schon viele Muskeln besaß und fast zwei Köpfe größer war als ich.
Ich spürte seinen Blick auf mir, wusste, dass er mich ansah und konnte dennoch den Blick nicht abwenden.
Es war eine Verschnörkelung und breitete sich vom Kern über die ganze Brust aus. Zitternd erhob sich meine Hand und mein Zeigefinger legte sich auf eins der äußeren Ende.
Vorsichtig und von einem fremden Gefühl berauscht, fuhr ich die Linie immer weiter nach.
Mit jedem Stück wurde meine Sicht trüber, bis ich nur noch das Symbol sah und meine Gedanken von dem altbekannten Nebelschleier verdeckt wurden.
Ich suchte die Farbe und entdeckte sie im Kern des Symbols. Der milchige Schein breitete sich von dort aus, benetzte nun auch meinen Finger, sodass ich ihn ruckartig zurück zog.
„Vanja?!" Verwirrt sah ich zu Raswan und wieder zu meinen Fingern. Alles wie vorher.
Mein Kopf brummte und meine Gedanken kreisten.
Was war das? Ich sah wieder zu dem Mann mit dem Symbol.
Er lächelte nicht, guckte aber auch nicht böse, als er meinen Blick erwiderte und schien mit den Augen zu kommunizieren. Bei ihm gab es kein Farbengemisch, dass es zu entschlüsseln gab. Seine Augen waren einfach blau.
Unvermischt.
„Mein Sohn", erklärte Corwick und überspielte so die Situation.
„Ich möchte euch jemanden zeigen, Vanja." Ich sah zu dem Alpha auf und nickte noch immer leicht benebelt.
„Das ist eine meiner Frauen, sie ist ein Orakel. Habt ihr schon mal eins gesehen Alpha?"
Überrascht sah ich die ältere Frau an und schüttelte dann den Kopf.
„Ich möchte, dass sie euch etwas sagt! Ihre Vorhersagen sind ziemlich zutreffend", lachte er und machte dann eine auffordernde Geste.
Die Frau sah mich beinahe mittleidig an, als sie eine meiner Hände ergriff und in die Flammen des Feuers blickte.
Sofort schoss mir die Erinnerung mit Sulay in den Kopf. Zwei mal schon hatte sie in die Flammen gestarrt, wie die Frau und danach merkwürdige Sachen geredet. Die Frau drehte ihren Kopf abrupt zu mir und hatten den milchigen Schimmer auf den Augen, wie Sulay.
„Der Mond wird zerbrechen und fallen, bis von ihm nur Schatten übrig bleiben."
Verwirrt sah ich weiterhin in ihre Augen und versuchte zu verstehen was sie da sagte.
„Ihr solltet einen Sohn gebären. Doch dunkle Zeiten stehen euch bevor!" Mit einem Zwinkern waren ihre Augen wieder normal und sie lächelte.
„Ihr seid schon über einen Mond schwanger", sagte sie dann noch, bevor sie kehrt machte und den Saal verließ.
„Ich würde sagen, herzlichen Glückwunsch Alpha."
Perplex sah Raswan mich und dann Corwick an.
„D-danke", murmelte er und sah dann wieder zu mir. Auf einmal begann er zu strahlen und küsste mich stürmisch.
„Oh, wie sehr habe ich mir das herbei gesehnt!"
Ich war etwas überrascht von seiner Fröhlichkeit darüber, dass ich schwanger war, doch es freute auch mich.
Es schweißte uns näher zusammen und langsam begriff ich, dass das genau das war, was ich wollte.
„Ich liebe dich Alpha", lachte ich und küsste ihn. Es war das erste mal, dass ich es sagte und ich bereute es keineswegs.

Vanja's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt