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You had my curiosity, but now you have my attention.
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Ich sprang die Stufen hinunter und hechtete durch die dunklen Straßen.
Einer Hütte wäre ich fast nicht rechtzeitig ausgewichen, doch ich hatte gerade noch so die Kurve gekriegt.
Gestoppt wurde ich trotzdem.
„Wohin denn so schnell? Nach Sonnenuntergang gibt es eine Ausgangssperre", sagte der Wachmann mürrisch.
„Bitte ich mu-" Er unterbrach mich jedoch und zerrte mich währenddessen über dem Marktplatz.
„Mal sehen was Warkan davon hält", murmelte er und ignorierte meine Proteste. Mit seiner Faust hämmerte er gegen die Tür, die kurz darauf geöffnet wurde.
„Ich habe hier einen Regelverstoß", meldete der Wachmann und schubste mich in die Hütte.
„Kind, wie läufst du rum?", fragte plötzlich Warkans Frau hysterisch und rannte auf mich zu.
Ehe ich mich versah hatte sie mich durch eine Tür in die Küche befördert und verschwand. Keine Sekunde später stand sie vor mir mit einem roten Schleier in der Hand, den sie mir schnell auf den Kopf packte.
Danach scheuchte sie mich zurück in den Vorraum.
„Mein Herr bitte, hört mich an, es ist wirklich wichtig!", sagte ich und sank auf die Knie. Warkans Miene spiegelte nämlich keine Freude wieder.
„Quatsch, sie ist nach Sonnenuntergang draußen rum gerannt", warf der Wachmann ein.
„Bitte, mein Vater hat hohes Fieber. Ich wollte den Arzt holen und habe in der Eile meinen Schleier und die Zeit vergessen. Es war nicht meine Absicht euch zu verärgern, ich muss einfach schnelle Hilfe für meinen Vater besorgen", erklärte ich schnell, wobei ich am Ende schluchzte. Er musste wieder gesund werden und die Angst, dass dies nicht passierte war sehr groß. „Sch, beruhige dich mein Kind. Schickt jemanden aus, der den Arzt aufsucht und du bleibst hier!", bestimmte er und bedeutete mir auf zu stehen. Mit wackeligen Knien folgte ich ihm und sank vor dem Kamin auf eine, mit Fellen ausgelegte Couch. Warkan setzte sich neben mich auf einen großen Sessel und sah abwesend ins Feuer. „Kann ich nicht zu meinem Vater, Sir?", fragte ich leise und klammerte mich ans Fell.
„Morgen, mein Kind. Heute Nacht wirst du hier bleiben. Wir können nicht riskieren, dass du dich ansteckst. Außerdem war der Tag heute sehr aufregend und du solltest schlafen", entschied er und erhob sich. „Aber-" „Schlaf jetzt!"
Mit diesen Worten verließ er den Raum und schloss die Tür mit einem lauten Knall. Erschrocken zuckte ich zusammen und sah nach vorne in die Flammen.
Ich bitte alle Götter, lasst meinen Vater leben. Ich brauche ihn.

Lächelnd sah ich zu der Sonne, die sich immer weiter dem Horizont neigte. Ich weiß noch genau wie wütend und aufgelöst ich an diesem Abend war. Ich brauchte meinen Vater so sehr, auch jetzt wollte ich nichts sehnlicher als mich in seine Arme zu werfen und zu lachen, so wie früher. Mein Blick fiel dahin wo Warkans Haus stand. Nichts war mehr da.

Warkans Frau hatte mir am nächsten Morgen beim fertig machen geholfen und mir einen Schleier geliehen. Jetzt war ich auf dem Weg zu meinem Vater. Ich betete zu den Göttern, dass er noch leben möge, doch langsam schlich sich ein schlechtes Gefühl in meine Magengegend und machte sich dort breit.
Der Moment wo ich vor unserer Hütte stand und zwei Cousins von mir eine in Leinen gehüllte Person aus der Haustür trugen, war der wo ich zusammenbrach.
Meine Knie gaben nach und ich fiel auf den staubigen Untergrund.
Ein Wimmern entfloh mir und ich legte meine Hände vor mein Gesicht.
Nein, das durfte nicht wahr sein! Nicht auch noch mein Vater.
Ich schluchzte in meine Hände und kurz darauf liefen dicke Tränen über meine Wange.
„Wartet kurz", hörte ich meinen Bruder sagen. Ich begann am ganzen Körper zu zittern und wimmerte erneut.
„Vanja, es tut mir leid", flüsterte mein Bruder, der vor mir stand und mich an den Schultern hoch zog. Sofort fiel ich ihm in die Arme und weinte in seine Schulter.
„E-er darf nicht tot sein", schluchzte ich. Mein Bruder hielt mich ein Stück vor seinem Gesicht und zog mir den Schleier vom Kopf. „Sieh mich an!", befahl er und umgriff mit seinen Händen mein Gesicht. Wimmernd sah ich ihm in die Augen, während er mit seinen Daumen ein paar Tränen von meinen Wangen strich.
„Wir schaffen das, okay?! Du musst jetzt einfach ganz stark sein!", sagte er und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. „Ich will meine Schwester nicht weinen sehen. Nicht so kurz vor ihrer Hochzeit." Er sah mir nochmal tief in die Augen, bevor er meinen Schleier wieder richtete und mich los ließ.
„Er war krank, Schwester. So ist es besser", seufzte er und fuhr sich übers Gesicht. Er nickte unseren Cousins zu, welche daraufhin los liefen. Mein Bruder nahm mein Hand wieder auf und zog mich hinter sich her.

Vanja's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt