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Die aufgebrachten Rufe der Barbaren lockten mich aus der Kajüte, sodass ich kurz darauf an Deck stand und über den weiten Ozean blickte.
Irgendwo dort draußen lag meine Heimat. Die Insel Najam, benannt nach der Frau des ersten Mannes der dort lebte.
Der Legende zu folge kam er aus hohem Hause, weit in Übersee. Dort soll er sich in eine hübsche Händlertochter verliebt haben und mit ihr geflohen sein. Durchgebrannt, hatte es mein Bruder immer genannt.
Diese Insel soll ihnen als Versteck gedient haben und sie haben sich dort eine Hütte aufgebaut. Mit der Zeit auch einen Tempel, welcher bis heute noch steht.
Viele erzählen auch, dass die Händlertochter ein Schattenwesen war und ihn in eine Falle gelockt hat, deswegen hausen auf unserer Insel auch Schattenwesen die mit der Nacht ausschwärmen.
Dabei hatte doch der Kapuzen Mann gesagt, dass die Dunkelheit nicht mein Feind wäre. Wer wusste schon was wahr war und was nicht.
Ich ging auf die andere Seite des Schiffes und blickte auch dort übers Meer.
Als sich der Nebel lichtete erkannte ich andere Schiffe, Holzstege und kleine Hütten.
Der Hafen.
Jetzt verstand ich such was die Männer riefen, die zum Teil auf meiner Sprache sprachen.
„Soujim wird heute auf dich aufpassen, ich muss ein paar Handel abschließen und du kannst dir währenddessen den Markt anschauen. Denk aber gar nicht daran weg zu laufen", flüsterte jemand mir zu und ich fuhr erschrocken herum. Raswan stand grinsend hinter mir, die Arme locker hinter den Rücken gelegt und die Brust angespannt.
Er sah mal wieder verdammt schön aus und ich hatte mühe meinen Blick von seiner durchtrainierten Brust abzuwenden.
Schnell ging ich in die Kajüte zurück und kramte ein Hemd aus seiner Truhe.
„Reicht ja schon, dass wir wegen eures riesigen Körperbaus angestarrt werden", sagte ich spitz und drückte ihm das Hemd in die Hand. Er lachte rau auf und zog sich das Hemd über. Die Lederriemen die er wieder trug, sah man leicht durch und zwei Schwerte baumelten an seiner Hüfte.
„In dieser Gaunerstadt ist das nötig", sagte er auf meinen fragenden Blick hin und sah dann wieder nach vorne.
„Wie gesagt, Soujim wird dich heute begleiten. Vielleicht kommen noch andere mit auf den Markt, jedenfalls wird er dir nicht von der Seite weichen."
Ich fragte mich wer Soujim war, wollte Raswan aber nicht nerven, da er trotz seiner lockeren Haltung sehr angespannt wirkte und die Stirn in Falten zog.
„Warte hier!", befahl er und ging weg.
Genervt sah ich ihm hinter her und dann auf das dunkle Holz des Schiffes. Aus welchem es wohl bestand?
„Drei Männer bleiben an Bord, zwei kommen mit mir und der Rest besorgt Nachschub!", rief Raswan und alle sahen zu ihm.
Ein paar Worte auf der fremden Sprache wurden noch gewechselt, bevor sie das Schiff befestigten und die ersten hinab sprangen.
Mit großen Augen sah ich auf den Steg hinab, der so weit weg schien. Niemals würde ich da runter springen, nicht ohne mir alle Knochen zu brechen.
„Achtung kleines!", rief Raswan, packte mich an der Hüfte und warf mich ohne große Mühe über Bord. Erschrocken schrie ich auf und kniff die Augen zu.
Das wars, mein Ende war nah.
Doch statt auf dem harten Holz zu landen, wurde ich von zwei starken Armen aufgefangen und an eine warme Brust gedrückt.
„Hör auf schreien", sagte die Stimme der dazu gehörigen Person und ich blinzelte verwirrt.
Mein Mund schloss sich und ich begann meine Umgebung zu checken.
Über mir, auf dem Schiff, stand ein grinsender Raswan, der einen Daumen in die Höhe hielt, wofür ich ihm die Zunge rausstreckte und die Augenverdrehte.
Sein darauffolgender Blick ließ mich kalt und ich sah in das Gesicht von Narbengesicht.
„Ich, Soujim", sagte er. Ah, jetzt gab das Sinn.
Langsam ließ er mich hinab, als hinter uns wieder jemand landete. Dieses mal mit einem ziemlich lauten Knall.
„Ignorier, Raswan wütend", murmelte Narbengesicht, also Soujim und schmunzelte.
Ich warf Raswan einen herausfordernden Blick über die Schulter zu und schritt dann den Steg entlang.
Keine Ahnung woher mein Mut kam, aber Soujim schien mich zu bestärken.

An diesem Hafen war deutlich mehr los als bei uns. Mindestens zehn weitere Schiffe standen hier und schon von weitem vernahm ich die Marktschreier. Scheinbar war das eine gern genommene Anlaufstelle.
Ich schlängelte mich durch die ganzen Seemänner, welche ein wachsamen Blick auf die Barbaren hatten, und betrat kurz darauf festen Boden.
Die Stadt war von einer hohen Steinmauer umgeben und die Hütten waren auch meistens aus Stein.
Anders als bei uns, wo nur der Tempel aus massiven Stein bestand.
Fasziniert lief ich durch die Straße und erreichte schon kurz darauf einen großen Platz, der mit Ständen gesäumt war.
Meine Augen waren bestimmt riesig und glänzten vor Vorfreude.
Sofort ging ich schneller und hielt bei dem ersten Stand.
Eine ältere Dame lächelte mir freundlich zu und deutete auf ein paar Beutelchen.
„Kräuter aller Art. Sie helfen beim Einschlafen, zur Entspannung oder für etwas Aufregung", sagte sie und zwinkerte mir zu. Mein Blick folgte ihrem, der auf Soujim lag und ich schüttelte schnell den Kopf. Sie dachte doch nicht... Nein!
„Ich hätte gerne welche die einfach nur gut duften und die man um den Hals hängen kann", sagte ich mit geröteten Wangen.
Abgesehen von den ganzen Narben in seinem Gesicht war Soujim schon sehr hübsch, nicht so wie Raswan, aber hübsch.
Sie nickte lächelnd und zeigte mir verschiedene Düfte.
Ich entschied mich für einen Rosenduft, den Soujim kaufte und mir dann gab. Lächelnd hängte ich ihn mir um und sah dann nach vorne.
Wüsste er nur auf was ich aus war..., er würde mich direkt zu Raswan schleifen.
Auf meinem Gesicht erschien ein freches Grinsen und ich steuerte den nächsten Stand an.

Nach mehreren Kräuterständen und welchen mit unglaublich schönen Kleidern, da hatte ich mir natürlich auch eins gekauft, kamen wir zu einem Schmied.
„Habt ihr einen Raum wo ich mich umziehen könnte, Sir?", fragte ich den Schmied höflich und blinzelte mit meinen langen Wimpern.
„Natürlich schöne Dame, kommen sie", antwortete er und fuhr sich durch die Haare.
„Ich ziehe mir kurz mein neues Kleid an, warte hier", sagte ich zu Soujim, der mich kurz kritisch beäugte, sich dann aber den Schwertern zu wand.
Sehr gut, er musste vollkommen abgelenkt sein.
Der Schmied zeigte mir ein Zimmer und schloss dann die Tür hinter sich.
Diese verschloss ich auch nochmal von innen und schälte mich dann aus dem Kleid.
Schnell zog ich das neue an, was dem alten wirklich gar nicht ähnelte, steckte meine Haare hoch und schmierte mich mit mehreren Kräutern ein, bevor ich das Rosensäckchen um meinen Hals legte.
So würde es ihnen definitiv schwerer fallen meine Fährte auf zu nehmen.
Wenn sie nämlich nur annähernd so gut rochen wie Hunde, dann hätte ich ein ganz schönes Problem.
Mein altes Kleid warf ich aus dem Fenster in eine Seitengasse und verließ dann den Raum. Durch eine Hintertür trat ich dann auf eine weniger gefüllte Straße. Eilig lief ich diese entlang und um ein paar Hausecken, bevor ich meinen Schritt verlangsamte und den Hut, den ich die ganze Zeit in der Hand hielt, aufsetzte. Weiße Handschuhe schmückten noch meine Hände und ich setzte ein elegantes Lächeln auf.
Vorhin hatte ich die Burg etwas oberhalb des Marktes entdeckt und war mir sicher, dass dort eine erhobene Gesellschaft lebte.
So könnte ich mich vielleicht einschleusen und um Unterschlupf bitten.
Bevor ich jedoch an die große Tür der Burg klopfte zerknüllte ich mein Kleid etwas, riss einen Handschuh kaputt und verwuschelte meine Haare, den Hut nahm ich in die Hand.
Leise klopfte ich gegen das Holz und legte einen ängstlichen Gesichtsausdruck auf.
„Guten Tag Madam, wie kann ich ihnen helfen?", fragte ein schick gekleideter Diener.
„Darf ich bitte mit dem Herr des Hauses sprechen?", fragte ich mit weinerlicher Stimme.
„Dieser ist zur Zeit in einer Besprechung, ich werde seine Gattin rufen, treten sie bitte ein", sagte er und öffnete die Tür ein Stück weiter. Dankbar lächelte ich ihn an und betrat den pompösen Vorraum.
Würde Warkan so ein Haus besitzen, er würde uns wie Dreck behandeln und sich zum König machen.
Wobei er das irgendwie schon tat.
„Wie kann ich ihnen helfen?", erklang eine zarte Stimme und ich sah zu der Dame.
Das Mädchen war nicht viel älter als ich, edel gekleidet und hatte ein weiches Lächeln.
Ich hoffte für sie sehr, dass ihr Gatte nicht so alt war, das wäre wirklich widerlich.
„Ich war unten auf dem Markt als man mich beraubte und fast ...", ich hörte extra auf zu reden und blickte beschämt zu Boden, während ein paar Tränen aus meinen Augen traten.Sie sollte sich ihre eigene Geschichte dazu ausdenken, Hauptsache sie half mir.
Scheinbar funktionierte es, denn sie schlug sich die Hand vor den Mund und kam sofort auf mich zu geeilt.
„Sie ärmste, kommen sie erstmal mit in den Salon", bat sie und legte fürsorglich eine Hand auf meine Schulter.
„Ich will ihnen keine Last sein, Madam. Ich wollte nur um Unterschlupf für eine Nacht bitten, man hat mir alles weg genommen und unten in der Stadt fühle ich mich nicht sicher...."
„Natürlich, setzten sie sich. Tee, bringt mir Tee!", rief sie einem Diener zu und setzte sich dann neben mich auf die Couch.
„Ich werde mit meinem Ehemann sprechen, sie dürfen natürlich hier bleiben und diese Männer werden wir finden", versprach sie und lächelte mich warm an.
Das hatte echt geklappt, freute ich mich innerlich und lachte Raswan aus. Das schlechte Gefühl, dass ich die Großherzigkeit dieses Mädchens ausnutzte, versuchte ich zu verdrängen, wobei die Schuldgefühle mir jetzt schon Übelkeit bescherten. Ich musste einfach daran denken, dass jetzt alles besser werden würde.
„Nun gut, ich denke wir haben alles beredet", erklangen Stimmen draußen im Vorraum.
„Mein Gatte, ich werde ihn sofort holen", sagte das Mädchen und huschte davon, bevor ich sie aufhalten konnte.
„Das denke ich auch. Wir werden morgen früh abreisen."
Bei dem Klang dieser Stimme gefror mir das Blut in den Adern und ich betete, dass der Herr des Hauses die Männer erst verabschieden würde, bevor er zu mir kam.
Ansonsten war ich geliefert.

Vanja's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt