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   Die Stärke des Wolfs ist das Rudel
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„Bereitet die Tafel endlich vor! Er kann jeden Moment eintreffen und so sollen wir ihn empfangen? Niemals, bei allen Göttern nein!"
Ein wenig amüsiert, ein wenig nervös, beobachtete ich Raswan dabei wie er Anweisungen erteilte und dabei fast durchdrehte.
Alpha Dehon hatte einen seiner Wölfe vorgeschickt um ihn anzukündigen, was Raswan hatte in Panik ausbrechen lassen.
Er würde gleich noch selbst das Fleisch würzen und anrichten.
Um dies zu verhindern trat ich neben ihn und legte beruhigend eine Hand auf seinen Arm.
„Setz dich und trink etwas, ich kümmere mich darum."
Er schien zwar nicht ganz glücklich, nickte jedoch und ließ sich auf seinem Stuhl nieder.
Kurze Zeit später gesellte ich mich dazu und sah ihn nachdenklich an.
„Was ist das überhaupt für ein Treffen, auf dem Alpha Corwick war?", fragte ich und sah wie sich seine Stirn in Falten legte.
„Du musst erst mal wissen, dass das Gebiet fünf große Rudel beherbergt. Uns, Corwick, Dehon, Toran und Baskett. Jeweils benannt nach dem Alpha, so wie es üblich ist. Die kleinen Rudel spielen eigentlich keine Rolle, meist stehen sie mit einem der großen in Abhängigkeit."
Ich nickte und gab zu verstehen, dass ich verstand was er mir da sagte.
„Es ist Tradition, dass sich die großen Fünf regelmäßig treffen und austauschen, um Streitigkeiten zu verhindern und sich gegenseitig zu helfen. Krieg ist nicht das was wir wollen. Zumindest sollte man das meinen."
Den letzten Teil murmelte er und sah dabei finster auf seine geballten Fäuste. Erneut legte ich eine Hand auf seinen kräftigen Unterarm um ihn zu besänftigen und schenkte ihm ein Lächeln, als er mich daraufhin an sah. „Oh Vanja", seufzte er und legte eine seiner großen Hände an meine Wange.
Ich spürte wie das Tier in ihm pulsierte.
Es heizte meine Haut auf und ließ mich eine Gänsehaut kriegen.
Er war durch und durch ein wahrer Wolf und ich liebte alles an ihm.
„Bitte erzähl weiter, Alpha", bat ich und sah ihm tief in die Augen. Sie waren tierisch schön, so wie er.
„In vier der Rudel kam es in den letzten Jahrzehnten zum Alphawechsel. Die Vorherigen hatten fast einstimmig entschieden einen von ihnen zu wählen, der in Krisenzeiten eine Art Veto erhält, weißt du was das ist?"
„Ich denke schon. Er kann gegen etwas sprechen auch wenn alle anderen dafür sind, oder?"
„Ja, er hat Einspruchsrecht und es ist unumstößlich. Es sollte in Fällen des Krieges oder schwieriger Verhandlungen zwischen den Rudel helfen und uns an Einheit und Respekt erinnern. Doch sie vergaßen, dass derjenige es einsetzen konnte wann er wollte und sie beschlossen auch keine Dauer des Amtes."
Wieder seufzte er, doch dieses mal schien er wirklich frustriert.
„Dieser oberste Alpha war Dehon. Alle waren sich einig er würde die Stelle respektieren, doch schnell zeigte sich, was sein wahres Ziel war. Er wollte Alpha von allen Rudeln werden."
Nun mehr wütend als frustriert stand er auf und spannte sich an.
„Weißt du wie alt ein Wolf werden kann?"
Ich schüttelte verunsichert von seiner plötzlichen Wut den Kopf und stand ebenfalls auf.
„Alt, Kätzchen, 200 Jahre sind nichts für einen starken Alpha und Dehon ist schon älter."
Auf einmal stellte ich mir einen schwachen, grauhaarigen Mann vor, der mit seinen dürren, zittrigen Fingern einen Kelch hielt.
Doch Raswan würde nicht solche Angst haben, wenn Dehon ein alter Mann wäre, den man einfach umschubsen könnte.
„Von den vier neuen Alphas hat sich nun Toran auf seine Seite schlagen lassen, indem er Dohans Tochter zur Frau nimmt. Und Corwick? Der redet groß, doch spätestens wenn Dohan mit seinem Rudel blutiger Wölfe vor ihm steht, zieht auch er den Schwanz ein und senkt den Kopf. Der letzte auf den ich setzte ist Alpha Baskett. Doch er ist noch jünger als ich und ein rassiger Wolf, dessen Temperament manchmal mit ihm durchgeht. Sagen wir mal so, er hat einen Hang zu schönen Dingen und wenn er etwas will, dann nimmt er es sich."
Raswan redete nicht abfällig über diesen Baskett, er schien ihn zu respektieren und tolerieren, jedoch nicht ganz mit ihm warm zu werden.
„Muss ich mich vor Dehon fürchten?", fragte ich, was mir die ganze Zeit schon auf der Zunge lag. Doch er konnte mir leider keine Antwort darauf geben, denn Warlock betrat den Raum und räusperte sich kurz.
„Er hat so eben das Tor passiert, Alpha."
„Danke Warlock", sagte Raswan und sah mich an.
„Wir dürfen uns von nichts und niemanden auseinander bringen lassen. Zusammen sind wir stark, also geh nicht auf das ein was er sagt!"
Leicht zittrig nickte ich und versuchte meine Nervosität weg zu atmen.
„Ich liebe dich", sagte er und gab mir einen langen, intensiven Kuss.

Vanja's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt