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Aus liebe frisst der Wolf das Lamm
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Seit diesem Abend plagten mich Alpträume.
Sie waren unterschiedlich und doch zeigten sie jedes mal das selbe.
Zwei Wölfe, ein grauer und ein sandfarbener.
Jedesmal lagen sie erst ruhig beieinander, bis sie plötzlich aufsprangen und anfingen zu kämpfen.
Eine Nacht gewann der sandfarbene, in der nächsten der graue.
Es war furchtbar zu sehen wie einer den anderen abschlachtete, wo sie zuvor so ruhig beieinander gelegen hatten.
Doch ich wurde diesen Traum nicht los.
Am Tag bildete ich mir ein überall zwei Personen sitzen zu sehen.
Einen alten Mann und einen kleinen Jungen.
Ich sah sie beim Frühstück an der Tafel sitzen und draußen am Feuer.
Überall folgten sie mir hin und mit jedem mal wurde der Mann dem ähnlicher, der mir die Geschichte erzählt hat.
Und auch der Junge bekam ein mir bekanntes Gesicht, doch ich konnte ihn nicht einordnen.
Langsam zweifelte ich an mir selbst, da ich Personen sah, die nicht da waren und jede Nacht das selbe Träumte.
Ich aß nicht, schlief kaum und geisterte Tagsüber durch die Gegend.
Meist folgte mir Warlock wie ein wachender Hund und fragte mich wie es mir ging.
Mich rührte sein Mitgefühl, doch aus diesem Strudel des Abgrundes konnte er mich nicht retten.
Jeder Schritt trieb mich weiter weg von Raswan und doch näher zu ihm als je zu vor.
Die Verbindung durch seinen Wolf war viel stärker, ich spürte immer öfter Gefühle, die nicht meine waren.
Sein Handeln und seine Schmerzen.
Alles bekam ich mit und ich vermutete, dass es auch andersrum so war.
Denn seit langem sah er mich wieder an.
Zwar nicht so wie früher, doch anders als vor ein paar Wochen noch.
Auch hielt er sich nicht mehr in Bailas Nähe auf, was mir das Atmen erleichterte.

Dem Frühling folgte der Sommer und zum zweiten mal schon genoss ich das Gefühl der Sonne nicht.
Sie konnte mich weder wärmen, die Kälte saß zu tief in meinen Knochen, noch mich erheitern, da der Schmerz zu präsent war.
Es war nun schon einige Monde her und dennoch schien es nicht besser zu werden.
Ich hatte Warlock einmal gefragt was mit Bash geschehen war.
Er sträubte sich zwar anfangs mir zu antworten, gab dann jedoch nach.
„Erinnerst du dich an die Nacht vor eurer Hochzeit. Als er deinen Bruder hat auspeitschen lassen?", hatte er gefragt und dann geseufzt.
„Bash hat es sehr viel härter getroffen."
Ich hatte seinen Worten sofort geglaubt, die Wut in Raswan war einfach zu deutlich.
Nur weckte dies in mir eine Angst, die ich lange nicht verspürt hatte.
Ich hatte Angst um Raswan.
Nicht vor ihm, sondern um ihn.
Denn da spielte sich etwas hinter seiner Fassade ab, das ihn ins Verderben zog.
Und trotz all der Geschehnisse liebte ich ihn wie nie zuvor, weshalb die Angst um ihn so groß war.
Ich wusste nur einen der mir helfen konnte, der aber nie da zu sein schien.
Der alte Mann, der den ich ständig sah.

Meine Füße stoppten noch bevor ich das Wasser berühren konnte.
Immer noch erinnerte es mich an den Abend, an dem sich alles änderte.
„Du hast es gesehen."
Ich wirbelte erschrocken herum und sah den alten Mann.
Dieses mal schien er noch unscheinbarer als zuvor, wie ein Schatten.
Ich hielt mich jedoch nicht lange auf, sondern sagte das, was ich in letzter Zeit ständig vermutet hatte.
„Ihr seid der alte Mann aus der Geschichte." Zittrig hob er eine Hand und legte sie auf meine Wange.
„Und Bash habe ich sie damals erzählt."
Seine Worte rückten auf einmal alles gerade und mir kamen die Tränen.
„E-er hatte den Kampf verloren?", fragte ich schluchzend und konnte die nächsten Tränen nicht verhindern.
„Weißt du, bei den meisten Wölfen ruhen die zwei Kämpfenden, manchmal sogar ein Leben lang. Aber durch brutale Ereignisse erwachen sie und kämpfen. Der Sieger beschützt durch seinen Charakter, durch sein Wesen, den Wolf vor weiteren Leid. Einer verliert also immer mein Kind. Du musst nun dafür sorgen, dass es bei Raswan nicht der falsche ist, der verliert. Ich weiß, ihr leidet und sobald ihr euch nahe seid wird es noch schlimmer. Glaub mir, ich sehe es. Doch der Schmerz vergeht. Verzeih ihm und auch er wird lernen dir zu verzeihen. Ihr braucht einander, ansonsten ist er verloren." 
Ich schluchzte nun hemmungslos, war nicht in der Lage mich zu beruhigen oder die Worte auf mich wirken zu lassen. Niemals hatte ich hören wollen, dass sich jemand selbst verliert. Dass er in einem Kampf untergeht und als andere Person hervorkommt.
Raswan hatte sich verändert, da seine dunkle, gewalttätige Seite immer mehr gewann.
Schnell schüttelte ich den Kopf und sah wieder zu dem alten Mann, denn er musste mir eine Möglichkeit nennen Raswan zu helfen. Doch er war weg.
Ein paar mal blinzelte ich, um sicher zu gehen, dass er wirklich fort war.
Ich war allein, tatsächlich.
Doch es war nicht das was jetzt zählte.
Jetzt musste ich es schaffen an Raswan ran zu kommen.
Ich musste meine Gefühle überwinden und sein Vertrauen zurück gewinnen.
Da war etwas in seinen Augen, etwas was mir Angst machte.
Nicht weil ich glaubte er würde mir etwas tun, sondern weil ich fürchtete er würde mich abweisen.
Ich musste schnell handeln, zu viel Zeit war verstrichen.

Vanja's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt