Jarel Teil 1

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„Na, was ist? Wird das heute noch was?"

Jarel konnte den Unmut seines Hintermannes spüren. Aber was sollte er machen. Es ging eben nicht schneller. Gelassen trat er einen weiteren Schritt nach vorne. Das Kratzen der Feder auf Papier, jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Zu allem Übel nahm sich der Münzmeister alle Zeit der Welt, die Löhne auszuzahlen. Erst eine nervenaufreibende blutige Schlacht, und danach dafür Geduld aufbringen, die einem eigentlich schon längst abhanden-gekommen war.
Die Stimmung im Zeltlager wurde immer aufgeheizter. Grollend wurde nach dem Geld verlangt. Aber natürlich kriegte dieser Fettwanst das nicht einmal mit.
Während sein Schreiber die Namen aufschrieb und gleichzeitig die Summe des Lohnes sagte, genoss dieser eine vor Fett triefende Keule. Allein der Geruch vom gebratenen Fleisch, ließ Jarels Magen schmerzhaft zusammenziehen.
Bald konnte er sich eine anständige Mahlzeit leisten.
Gerade als der Fleischkoloss vor ihm seinen Abgang machte und er endlich an die Reihe kam, brach Tumult hinter ihm in der Reihe aus. Nein, das kümmerte ihn nicht. Er wollte nur seinen Sold und dann nichts wie weg von hier. Die Probleme anderer gingen ihm nichts an.
„Name?" Kam es gelangweilt von der anderen Tischseite.
„Jarel." Kaum war sein Name über die Lippen, wurde der Lord hellhörig.
„Bist du nicht dieser Bastard, der mit zwei Schwertern kämpft?"
Dieses Mal klang Jarel gelangweilt. „Ja. Bin ich. Kann ich jetzt meinen Sold haben?" Himmel, er war doch nicht der Einzige hier, der einen eigenen Kampfstil hatte.
Jemand legte seine Hand schwer auf Jarels rechte Schulter. Finger bohrten sich unter das Schlüsselbein. Eigentlich hätte er Schmerz spüren sollen, aber nach diesem Tag, gab es nicht ein Fleck, der nicht schmerzte. Da kam es auf einen weiteren Schmerz auch nicht mehr an. Was ihn mehr beunruhigte, war dieses gefährliche Glitzern in den kleinen Schweinsaugen des Lords. Breit grinsend hielt er den Beutel mit seinem Sold in der Hand.
Jarel hätte am liebsten laut aufgestöhnt. Schon wieder diese Nummer. Wie erwartet, kam auch schon die gewohnte Frage.
„Komm in meine Armee. Ich bezahle dich ausführlich und du kannst sogar ein Ritter werden. Wie wäre es?"
Immer noch war da diese verfluchte Hand, die ihm die Schulter zu brechen drohte. Darauf lauernd, dass er brav ja sagte.
Jarel lächelte nur müde. „Nein danke."
„Aber ... aber ich werde dich gut bezahlen ..." Versuchte es der Lord erneut. Es dauerte eine Weile bis dieser Begriff, dass er den Geldbeutel längst nicht mehr in der Hand hatte. Und auch der Soldat zu seiner Rechten, der meinte mit diesem Griff ihn umstimmen zu können, stöhnte bereits, als Jarel ihn mit lässiger Bewegung beim Handgelenk packte.
Der Mann war gut um einen Kopf größer als er. Eingepackt in eine schwarze Rüstung konnte er nur zwei Augen erkennen, die ihn ungläubig anstarrten. Anscheinend hatte ihm noch keiner gesagt, dass seine Handgelenke viel zu leicht zugänglich waren. Ja, er sah noch sehr jung aus. Und ja er war auch nicht gerade ein Muskelberg. Aber er wurde nicht ohne Grund fliegende Klinge genannt.
„Warum nicht?" Quiekte der fette Lord halb stehend.
„Weil ich selbst entscheide, für wen ich kämpfe."
Lässig mit der Hand zum Abschied winkend, machte er auf den Absätzen seiner abgewetzten Stiefel kehrt und schlenderte aus dem Zeltlager.
Zeit, sich in eine neue Schlacht zu werfen. Zu vergessen, wofür man eigentlich lebt. Viel besaß er nicht. Einen Beutel mit ein paar Habseligkeiten und seine zwei Klingen.
Keiner konnte bisher ihm wirklich standhalten. Und wenn der Gegner noch so übermächtig wirkte. Sie alle hatten immer einen Schwachpunkt. Es war nie hoffnungslos. Nein, eher langweilig. Keine wirkliche Herausforderung. Aber von irgendwas musste man ja auch leben. Also was blieb?
Seufzend steckte Jarel den Beutel in sein Wams. Mit dem Geld konnte er sich ein paar warme Mahlzeiten leisten. Vielleicht auch ein Bett, das nicht von Flöhen verseucht war.
„Hey du!"
Jarel war keine Stunde vom Zeltlager entfernt und schon kam der nächste Ärger angekrochen. Nein, angeritten traf es besser. Ein Strich in der Landschaft auf einem Pferd, das dem Tode näher war, als der Reiter selbst.
Dennoch, Jarel konnte es sich nicht erklären. Diesen Mann durfte er nicht unterschätzen. Nicht, wenn er noch ein bisschen am Leben bleiben wollte. Dieser roch nach Tod und Blut. Stank traf es besser.
Beide Hände an die Hefte seiner Schwerter legend, beobachtete er mit verengten Augen den Fremden.
Mit einem Grinsen im Gesicht, als könnte er kein Wässerchen trüben, ritt der Unbekannte direkt auf ihm zu und hob beide Hände, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war. Ein Schwert baumelte am Sattel.
Bildete Jarel es sich nur ein, oder war das fast so lang wie die Gestalt auf dem Klepper? Nein, der konnte doch unmöglich so ein Schwert führen. Schon gar nicht einen Behänder.
Was wollte dieser Verrückte von ihm?
Im letzten Moment zügelte dieser den Klepper vor ihm und lehnte sich ein Stück im Sattel vor.
Mit seinen Falten konnte er es mit jedem alten Weib aufnehmen. Aber dieser Blick sprach was anderes. Es lag Wissen in ihnen und gleichzeitig Tücke.
Jarel konnte sich nie erklären, weshalb er allein am Blick eines Mannes oder einer Frau erkannte, was dieser vorhatte. Aber es hatte ihm schon mehr als einmal den Hals gerettet. Und gerade schlug sein Instinkt mehr als Alarm.
Der alte Mann redete ihn mit einem warmen Lächeln an. „Ich suche jemanden. Hast du einen Mann gesehen, der seine hässliche Visage hinter einer schwarzen Rüstung versteckt?"
Immer noch die Hände auf den Heften locker liegend lassend, deutete Jarel mit dem Kinn Richtung Zeltlager. „Ja. Falls du den treuen Hund von Lord Matarines meinst."
Gackernd richtete sich der Fremde wieder auf und lenkte das alte Ross an ihm vorbei. „Vielen Dank und gute Reise. Vielleicht kreuzen sich unsere Wege ja wieder."
Zischend ausatmend, entließ Jarel die Anspannung. Wann hatte ihn je ein Mann so nervös gemacht? Er konnte sich nicht erinnern, das jemals so empfunden zu haben. Wer auch immer dieser eigenartige Kauz war. Je mehr Land zwischen ihm und ihn war, umso besser.
Sein Beutel über die Schulter zerrend, nahm Jarel seinen Weg wieder auf.


„Dieser Jungspund soll der neue Reiter werden? Ist er jetzt völlig senil geworden?" Missmutig kaute der schwarze Reiter auf einem Strohhalm.
Sein Begleiter im roten Mantel zupfte auf einer Gitarre. Schnurrend versuchte dieser, ihn zu besänftigen. „Sei nicht immer so negativ. Jeder von uns hat seine Zeit. Und dieser dort ist eben der nächste Reiter. Der alte Mann weiß was er tut."
Knurrend spuckte der Hüne den Strohhalm aus. „Wenn du mich fragst, die Jahrtausende haben ihm die Birne weichgekocht, wenn er ernsthaft jemanden wie ihn in Betracht zieht."
Glucksend ließ der Rot Gekleidete einen Akkord erklingen. „Das hat dein Vorgänger auch gesagt."
Nur noch knurrend, wendete der schwarze Reiter sein Pferd. Wo der Huf des Pferdes den Boden berührte, blieb Asche zurück.

Die vier ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt