Sein bisheriges Leben hielt sich an Überraschungen nicht zurück. Warum bei den Göttern musste er immer dabei die Arschkarte ziehen? Wenn er nicht diesem schrulligen Kauz begegnet wäre, könnte Jarel mit Freuden in einer anderen Schlacht Bäuche aufschlitzen und seinen Lohn dafür einkassieren.
Stattdessen fror er auf dem Rücken des weißen Hengstes so stark, dass seine Zähne ein kleines Konzert für die Wüstenbewohner zum Besten gaben.
Tagsüber verbrannte die Sonne seine Haut. Schatten waren der größte Luxus.
Während über seinem Haupt der Himmel, übersät mit wie Diamanten funkelnden Sternen, den weißen Sand hell erstrahlen ließ, kroch die Kälte durch seine Glieder bis zu seinen Knochen. Selbst die Lederjacke vermochte nicht beizutragen, dass er nicht das Gefühl hatte, gleich zu erstarren.
Fröhlich pfeifend ritt Harim neben ihm und stopfte seine Pfeife. Gab es denn nichts, was diesem Kauz die Laune verhagelte?
Hunger nagte an seinen Eingeweiden. Sowas wie einen Proviant gab es nicht mehr. Die Wasserschläuche, dienten nur noch als nettes Anhängsel.
War das die nächste Prüfung? Schnaubend schob Jarel seine Finger unter die Achseln. Ganz abwegig war es nicht. Erst musste er gegen ein Pferd antreten, dann einen Wasserfall ertragen, wo er beinahe abgesoffen wäre, wegen einer Jacke. Wirklich überraschend wäre es nicht, wenn der Hunger am Ende auch sowas wie die nächste Hürde zu seinem Ziel wäre.
Dazwischen schob sich immer wieder Karah. Wie sie vor ihm auf dem Felsen gestanden hatte und damit drohte ihn in die Fluten zu stoßen. War das wirklich Karah gewesen?
Nein, diese Frau sah aus wie sie. Vielleicht gab es nur eine zufällige Ähnlichkeit. Genauso wie ihre Stimme reinzufällig gleich klang.
Knurrend schüttelte Jarel den Kopf. Die Sonne hatte eindeutig seinen Verstand leicht verbrannt.
Eine Einbildung. Ja, das wäre die beste Erklärung. Sie war nur Einbildung gewesen.
„Wir sind da." Platzte Harim in seine Gedanken.
Ares blieb ohne sein Zutun stehen.
Wo auch immer sie angekommen sein sollten, da war nichts weiter als Wüste. Immer noch. Wenn man von der Gebirgskette absah, die sich in der Ferne schwarz vom Horizont im Osten abhob.
„Ist das einer deiner geistig verklärten Scherze, alter Mann? Alles was ich sehe ist Sand, ach ja Sand und nochmal Sand."
Breitlächelnd lehnte Harim sich vor und zeigte mit seinen knochigen Fingern auf eine Stelle direkt vor Ares. Eine kleine Mulde im Sand. „Da findest du was Besseres, als deine Zahnstocher, die du Schwerter nennst."
Vor den letzten Erlebnissen hätte Jarel, Harim endgültig als Spinner abgetan.
Stattdessen hockte er auf einem Pferd, deren Nähe er davor so gut es ging, gemieden hatte. Trug eine Lederjacke, die sich an seinen Oberkörperschmiegte, als wäre sie lebendig. Und noch bevor sein Kopf Argumente ausspucken konnte, die einen Grund fanden, nicht an der Stelle nach etwas zu suchen, was am Ende nicht da war, flog er mit Schmackes über den Kopf von Ares und küsste den Sand.
Wie er dieses Pferd hasste. Ihm doch egal ob es seine Gedanken lesen konnte. Irgendwann war das Maß an Erträglichen voll.
Spöttisch höhnte Ares in seinen Kopf. Stell dich nicht so an. Ich bin das kleinere Übel.
Das kleine Übel? Wenn das nicht viel versprechend für die Zukunft war. Grummelnd stemmte Jarel seine Hände in den Sand und versuchte seinen Oberkörper aufzurichten. Der Sand hatte da eigenen Pläne. Es verschluckte seine Hände. Zerrte an ihnen wie ein Raubtier.
Fluchend versuchte Jarel sein Gesicht über der Oberfläche zu halten. Statt ihm zu helfen, hockte Harim auf seiner alten Märe und winkte ihm zu. „Viel Spaß. Keine Sorge, sie wird dir nicht allzu sehr weh tun."
„Sie?!" Konnte er gerade noch ausspeien bevor sein Sichtfeld dunkel wurde. Atmen ging gar nicht mehr. Sand drang in seinen Mund, seine Nase und rieb über die Augen. Unbarmherzig drückte es seinen Brustkorb zusammen. Es gab kein Oben und kein Unten.
Da war das Bad weit angenehmer als das! Was in seinem vergangenen Leben hatte er verbrochen so bestraft zu werden?
Plötzlich gab der Sand seinen Körper frei und ließ ihn in freien Fall in grelles Licht trudeln.
Schmerzhaft drang es durch seine geschlossenen Lider. Selbst seine Hände vermochten es nicht auszusperren.
Darauf wartend, dass der Boden ihn mit unerbittlicher Härte empfing, schloss er mit seinem Leben ab.
Gerade als er seine Entschuldigung an Karah fast beendet hatte, schmiegte sich etwas um seinen Körper und federte seinen Sturz ab.
Langsam gewöhnten seine Augen sich an das grelle Licht. Schemenhaft glaubte Jarel dünne Seile zu erkennen. Die sich zu einem netzartigen Gewebe verbanden. Seine Sinne schrien ihm die Gefahr entgegen. Selbst der betörende leicht süße Duft konnte sie nicht zum Verstummen bringen.
Viel mehr verstärkte sich der Drang zur Flucht in ihm, als er die liebliche Stimme nahe an seinem Ohr hörte. „Sei willkommen. Sei Gast auf ewig."
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Die vier Reiter
FantasyJarel lebte für die und von der Schlacht. Wer zahlte, dem waren seine Dienste gewiss. Aber manchmal kann sich alles schlagartig ändern.