Ohne Titel Teil27

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Teil 26

Jarel

Da war so ein lästiges Gefühl. Es schlich sich in seinen Kopf und hinterließ einen schalen Nachgeschmack. Als ob er etwas wichtiges erledigen musste. Viel mehr der Drang nach einem bestimmten Ding zu suchen.
Nur was das sein sollte, wollte Jarel nicht so recht in den Sinn kommen. Sein Schädel dröhnte, wie nach zweitägigen Saufgelage. Das passte aber nicht ganz zu seinen schmerzenden Gliedern.
Was bei den Göttern hatte er getrieben? Da war diese verdammte Höhle mit diesem Spinnenweib. Und dann?
Viel zu steif ließen sich seine Arme bewegen. Als ob er die ganze Nacht gekämpft hätte. Nur wollte es nicht so recht in seinen Schädel, gegen wen oder was.
Da war nichts. Gähnende Leere, wo sowas wie ein Funken von Erinnerungen sein sollten. Egal wie besoffen er früher war, da gab es nicht ein Detail, dass ihm flöten ging.
Grummelnd strich Jarel über sein Gesicht.
„Na? Wieder wach?"
Na klar. Es wäre ein Wunder gewesen, wenn der alte Sack nicht seinen Spott für sich behalten könnte. Moment.
Da lag nicht ein Funken Spott in seinen Worten. Der klang eher besorgt. Als ob Harim sowas wie Mitgefühl für andere besaß. Das Knochengerüst genoss es doch, ihm ständig eins reinzuwürgen.
Und als ob es nicht reichte, dass sein Hirn mit einem glühenden Messer bearbeitet wurde, hämmerte Ares mit einem Vorschlaghammer in seine Gedanken. Wurde auch langsam Zeit. Willst du ewig herum liegen?
Die Zunge klebte regelrecht am Gaumen und ließ ihn nur nuschelnd darauf antworten. „Waschn paschiert?"
Entweder hatte Jarel etwas urkomisches von sich gegeben oder die Sonne hatte endgültig den Verstand von den beiden verbrannt. Ihr Lachen sorgte für eine gewaltige Schmerzwelle, die ihn aufstöhnen ließ. Wenn er sich nicht wie ein Fleischsack ohne Knochen fühlen würde, hätte er ihnen längst das Maul gestopft.
Stattdessen gelang es ihm nur mit Mühe seine Hände als Gehörschutz zu benutzen. Was leider nur gering half.
Der Lachanfall versiegte so schnell wie er gekommen war. Eine Wohltat für seinen Schädel, aber ein mieses Gefühl mit der dran klebenden Frage, was wirklich passiert war.
Wage krochen Erinnerungsfetzen hervor mit dem bitteren Nachgeschmack. So bitter, dass ihm übel wurde.
Scharf durch die Nase atmend, kämpfte er dagegen an, sich nicht zu übergeben. So viel Schwäche wollte er dem alten Sack gegenüber auch nicht zeigen. Eher ließ er sich seine Kehle durchschneiden.
„Kannst du aufstehen?" Schon wieder diese unverkennbare Sorge in seinem Tonfall. Der triefende Spott hätte sich um einiges besser angefühlt. Sah er etwa wie ein Krüppel aus, der nicht mehr allein Essen konnte?
Alles um ihn herum glich einem Blick durch einen Wasserfall. Nach der Hitze auf seiner Haut zu urteilen, lag der Sonnenaufgang schon länger zurück.
Der klägliche Schatten über ihm konnte nur der alte Knacker sein. Schemenhaft nahm Jarel die Hand vor seinem Gesicht wahr. Flüchtig kroch der Impuls in ihm hoch diese wegzuschlagen. Knurrend ergriff er sie dann doch und ließ sich auf die Beine ziehen.
Erneut flammten höllische Kopfschmerzen auf und zwangen ihn fast wieder in die Knie. Der beste Moment für die beiden Witze über ihn zu reißen. Stattdessen herrschte diese verfluchte Stille, die noch mehr nervte, als die gähnende Leere in seinem Schädel.
Fauchend gab er seinen Zorn freien Lauf. „Was ist passiert? Ihr seid euch doch sonst nicht zu fein, auf meine Kosten zu amüsieren. Na los. Sagt schon was euch beiden die Mäuler verklebt hat!"
Langsam wurde die Sicht klarer. Und damit auch das Gesicht des alten Knackers. Bevor dieser Arsch ihn im Sand versinken ließ, sah dieser nicht aus, als ob man ihn mit Knüppeln bearbeitet hätte.
Bei dem Anblick zog sein Magen sich schmerzhaft zusammen. Harim hatte schon vorher ausgesehen, als ob er mit einem Bein im Grab stand. Aber jetzt schien dieser fast greifbar. Sämtlicher Spott schien aus dem ausgemergelten Körper geflüchtet zu sein und hinterließ nur noch einen alten gebrechlichen Mann.
Selbst dieses Lächeln wirkte kraftlos und ohne jede Lebensfreude. Da blieb Jarel die bissige Bemerkung im Hals stecken.
Und trotzdem wurde er das grauenhafte Gefühl nicht los, etwas Wichtiges zu übersehen. Was so offensichtlich schien, dass es einfach nicht in seinen Kopf wollte.
Harim klopfte ihm auf die Schulter. Es war mehr die Bewegung die Jarel sah, an statt zu spüren.
Vielleicht lag es daran, dass sein eigener Körper sich immer noch wie ein Gefäß anfühlte, in dem gerade zufällig sein Geist steckte.
Ein Funke Lebensfreude steckte noch in den Worten des alten Sacks. „Wir sollten aufbrechen. Ich kann dich schlecht ewig so rumlaufen lassen."
Verwirrt runzelte Jarel die Stirn. Bis ihm einfiel was genau gemeint war. Seine Lende genoss ungetrübt die Sonne.
Er gehörte nicht gerade zu der schüchternen Sorte, die jedes Fitzelchen Haut bedeckte, aber ganz ohne Hosen rumzulaufen fühlte sich nicht gerade gut an.
Die andere Blöße schlug wie ein Blitz in seine Gedanken ein. Wo waren seine Schwerter?
Oder waren diese reine Einbildung gewesen? Nur ein Trugbild nach dem grauenhaften Erlebnis in der Höhle?
Dabei könnte er es beschwören, das pulsierende schwarze Metall in den Händen spüren konnte. Ihre betörenden Stimmen wahrgenommen hat. Und dann...
Ja was? Dieses Mal spürte Jarel den Druck auf seiner Schulter. Zwang ihn, in das ausgemergelte Gesicht zu blicken in dem nur die hellen Augen noch lebhaft wirkten im Gegensatz zu seiner Stimme. „Keine Sorge, du hast dir deine Schwerter verdient." Mit einem wehmütigen Lächeln hielt Harim den Waffengurt mit den darin steckenden Schwertern hoch.
Eigentlich sollte er sich über diesen Anblick freuen. Sie mit einem befriedigenden Gefühl um seine nackten Hüften legen und damit an ihren angestammten Platz befördern. Aber da war ein Widerwille, der ihn zögern ließ. Obwohl er sich nicht entsinnen konnte, was während seiner Ohnmacht geschah, kroch ein eisiger Schauder seinen Nacken hoch. Der Anblick von dem schwarzen Stahl jagte ihm, ausgerechnet ihm, Angst ein.
Dennoch ergriff Jarel den Waffengurt. Seltsam. Da waren keine Stimmen, nichts was ihn glauben ließ, dass diese Schwerter ein Eigenleben hatten. Nichts was ihn in die Dunkelheit zerren wollte. Offenbar doch nur ein Traum.
„Du hast sie bezwungen. Was selbst mir nicht gelang."
Ruckartig riss Jarel den Kopf hoch. Hatte der alte Mann das wirklich von sich gegeben?
„Was faselst du da alter Mann?" Statt einer Antwort schwang dieser sich in den Sattel und winkte ungeduldig. „Steh nicht rum. Es gibt noch einiges zu tun."
Da war er wieder. Dieser bissige spöttische Ton. Das fühlte sich um einiges besser an. Besser gesagt, damit konnte sein angeschlagenes Ego umgehen.
Trotzig schlag Jarel den Waffengurt um seine Hüften. Mit verschränkten Armen vor der Brust sah er den alten Mann an. „Erst sagst du mir, wer dir das Gesicht verschönert hat. So gefällst du mir schon besser. Lässt dich nicht wie ein Gespenst wirken."
Jarel hoffte eine scharfe Antwort. Etwas, was ganz zu diesem Klappergerüst passte. Aber stattdessen senkte Harim den Blick und dessen Schultern zitterten.
Wie jetzt? Verfiel der in ein Lachanfall oder hockte die Todesangst in dessen Nacken.
Nach einer endlos wirkenden Stille hob der alte Mann nur seine rechte Hand vom Sattelknauf und zeigte auf Jarel.
Das konnte unmöglich sein ernst sein. Genau diese Worte wollte er ihm an den Kopf knallen. Aber es ging nicht. Nicht eine Silbe kroch über seine Lippen. Nur leises Pfeifen durch seine Nasenlöcher beim Luft holen.
Das war es also was ihm einem dermaßen bitteren Geschmack bescherte, dass er sich am liebsten übergeben hätte. Gut, es wäre gelogen, wenn Jarel sowas wie Sympathie für Harim empfand. Er konnte beim besten Willen nicht sagen, warum er sich auf diese wahnwitzige Reise einließ und selbst davon absah blindlings auf die Suche nach Karah zu begeben.
Eigentlich müsste er diesen dürren Hals umdrehen, für das, was der Spinner ihm alles angetan hatte.
Warum nur ging es ihm dermaßen gegen den Strich, dass seine Hände den alten Kerl so zugerichtet hatten?
Ein derber Schlag traf ihn zwischen den Schulterblättern und ließ ihn nach vorne taumeln.
Ares drang wütend in seine Gedanken ein. Du Holzkopf hast dich kontrollieren lassen! Diese Schwerter hatten dich zu einer willenlosen Puppe gemacht! Ich hätte an seiner Stelle dir längst den Kopf abrasiert. Aber anscheinend hat dein Dickschädel dich gerettet. Also hör auf hier Zeit zu vergeuden.
Falls das seine Art von Aufmunterung war, dann gelang es dem Alptraum auf vier Beinen verdammt gut. Ja, es klang sowas wie Mitgefühl zwischen den Zeilen mit. Wer hätte es gedacht, dass sie an einem Punkt gelangten wo sie mal einer Meinung waren.
Die Starre abschüttelnd, schwang Jarel sich auf den Rücken von Ares. Nach dem das geklärt war, gab es ein Bedürfnis, dem er dringend nachkommen sollte. So schnell wie möglich an eine Hose zu gelangen. Selbst wenn er dafür einem Drachen die Schuppen über die Ohren ziehen müsste. Wirklich überrascht wäre er nun wirklich nicht, wenn so ein Vieh als nächstes auf der Liste stände.
Ares trottete Harim auf seinem Klepper hinterher. Etwas war anders. Aber er konnte ums verrecken nicht sagen, was es war. Ganz hatte Jarel es nicht verstanden, was der alte Mann damit meinte. Er habe die Schwerter besiegt. Wenn diese Waffen einen eigenen Willen besaßen, mussten sie so erschaffen worden sein. Allein der Gedanke war schon irrwitzig überhaupt an Seelen in Schwertern zu glauben. Aber wenn man es nur annahm, so mussten es doch einen Ursprung geben.
Sein Schädel pochte noch und ließ nur mühselig seinen Gedankengang zu. Da war wieder dieses Gefühl etwas so Offensichtliches zu übersehen. Nur was?

Die vier ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt