Teil29

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Viel zu leicht glitten seine Klingen durch schwarze blubbernde Masse, die einst einem Hals entsprachen. Gequälte Schreie dröhnten durch die Schlucht und warfen sich von den Felswänden wieder.
Ganz Dunkelwies glich nur noch einem Schatten aus der Vergangenheit. Seine Bewohner hatten längst nichts mehr mit den Lebenden zu tun.
Genau das hatte Jarel gespürt. Obwohl er es sich einfach nicht erklären konnte woher. Dass es nach einer Falle stank, war offensichtlich. Und dieser alte Knochensack wusste es ganz genau, was hier vor sich ging.
Wieder so eine Prüfung. Nur damit er endlich an eine Hose gelangte? Wie krank war das?
Eine weitere verfluchte Seele streckte ihre verfaulten Klauen nach ihm aus. Die Überreste von jemanden, den er mal gekannt hatte.
Mehr aus Mitleid stieß er seine Klinge dorthin, wo das Herz sein sollte.
Obwohl er ihre Mordlust riechen konnte. Die Begierde sein Fleisch ebenso in eine schwarze faulende Masse verwandeln zu wollen, verschwand dieses Bedauern nicht. Es brannte in seinem Inneren wie glühende Kohle. Dieser Anblick tat ihm auf eine Weise weh, die einfach keinen Sinn ergab.
Über sich selbst fluchend, versuchte Jarel Abstand zwischen sich und einen weiteren Angreifer zu bringen. Wage glaubte er in der dürren schwankenden Gestalt Lenus zu erkennen.
Statt Messern waren seine Hände zu Waffen geworden, die nach Jarels Hals gierten.
Warum? Diese Frage hämmerte in seinem Kopf ständig, während er beinahe mühelos den Arm vom Rumpf trennte und den Kopf gleich hinterher.
Warum tat der Anblick ihm weh? Das sollte so nicht sein! Die Freude am Kämpfen und an einem leer gefegten Kopf während seiner Klingen ihre Pflicht taten, dass alles war weg. Mitsamt der Angst vor dem Tod.
Bitterer Geschmack breitete sich auf seiner Zunge aus.
Dunkelwies mochte zwar ein Loch von Halsabschneidern sein und so ziemlich alles beherbergen was nichts in einer friedlichen Gesellschaft zu suchen hatte. Aber sie in diese nie enden wollende Höllenqual zu stecken machte ihn dermaßen sauer, dass ihm dabei speiübel wurde.
Alles was seine Klinge berührte fiel in sich zusammen und zurückblieb Asche.
Dieser Anblick bescherte ihm nur kurzwährende Erleichterung. Die eine andere verfluchte Seele gleich wieder verscheuchte.
Was trieb das alte Knochengerippe? Wollte der alte Sack ihm ernsthaft die ganze Arbeit überlassen?
Grimmig bleckte Jarel die Zähne. Das würde diesem Mistkerl wirklich ähnlichsehen.
Gerade wo er ihm so ziemlich jede Art vom Sterben an den Hals wünschte, tauchte der graue Kopf nicht unweit in der schwarzen Masse zwischen den Häusern auf.
Wenn ihm nicht das nächste Ding an die Kehle geflogen wäre, hätte Jarel anerkennend gepfiffen. Der dürre Ast verstand es sein Breitschwert zu schwingen. Wie eine Sense ging die breite Klinge durch die Gegner und hinterließ ein Massaker seines gleichen.
Bei den Göttern, er hatte selbst alle Hände voll zu tun. Endlich begann sein Oberstübchen sich zu leeren und er verfiel in seinen eigenen Rhythmus.
Sein Todestanz begann und endete erst, als eine knöcherne Hand seine Schulter packte und Jarel herumriss. „Es ist vorbei, Kleiner."
Mehrmals blinzelnd fand er sich in der Gegenwart wieder. Harim wirkte noch blasser als sonst und sah ihn müde an. „Es tut mir leid."
„Was?!"
Harim zuckte vor ihm zurück.
Gut so. Jarel spürte wieder diese unsägliche Wut. Dieser alte Sack hatte es gewusst was hier vor sich ging.
Bestimmt schon bevor sie in diese Schlucht ritten. Heftiger als nötiger stieß er seine Schwerter in die Scheide. „Du hast es von Anfang an gewusst was hier abgeht!"
Harim hob beschwichtigend seine Hände. „Ja, ich wusste es. Es ging nicht anders. Du musstest es selbst erkennen."
Darauf gepfiffen! In den Staub vor Harims Stiefel spuckend, brüllte Jarel so laut, dass seine Stimme von den Felswänden zurückgeworfen wurde. „Erkennen? Du feiger Hund hast sie leiden lassen! Weil du es allein nicht mehr geschafft hast, oder? Wo sind die anderen Reiter? Wo sind deine Gefährten, die angeblich jedes Heer mit einem Finger Schnipser auslöschen können?!" Energisch zeigte Jarel auf Mizgas Haus. „Wie lange schon mussten sie so leben?!"
Wieso musste der alte Sack ihn so traurig ansehen. Die Antwort lag praktisch auf dessen Gesichtszüge. Um so mehr tat es weh, die Antwort zu hören. „Seit du sie verlassen hast."
Das verschlug einem regelrecht die Sprache. Dieser Abkömmling aller Monster wusste wann er dieses Kaff hinter sich gelassen hatte.
Seine Füße fühlten sich so schwer an und kosteten ihm verdammt viel Kraft sie zu bewegen. Selbst seine Arme glichen Sandsäcken, die einfach nicht zu heben waren. Er wollte seine Hände um diesen ausgedörrten Hals legen. Das letzte bisschen Leben aus dem Körper pressen, dass noch in diesen alten Knochen steckte.
Stattdessen schmeckte er seine eigenen salzigen Tränen. Ein fetter Kloß steckte in seinem Hals und ließ ihn nur noch leise krächzen. „Warum? Warum hast du nichts unternommen?" Dieser Schmerz in seiner Brust raubte ihm fast den Atem. Wieso ging es ihm so nahe? Er hatte diese Brut doch gehasst. Sie waren nichts weiter als Halsabschneider. Was machte es da für einen Unterschied, dass sie ihn bei sich aufgenommen hatten, als er halbverdurstet ankam. Sie ihm das Gefühl gaben, nicht nur für das Kämpfen zu leben.
„Es tut mir leid. Manchmal muss man sich entscheiden, was wichtiger ist. Außerdem hatten sie sich selbst für diese Hölle entschieden."
Kein einziges Wort stimmte aus diesem Mund. Nicht eines. Dieses halbherzige Lächeln reichte, um sie in Lügen umzuwandeln. Als ob es diesem Knochensack wirklich leid tat.
„Und was war dann mit dieser verdammten Burg wo ich Karah fand?! Die habt ihr ohne mit der Wimper zu zucken, den Erdboden gleichgemacht! Warum hast du sie überhaupt am Leben gelassen, wenn dir alles so scheiß egal ist?!"
Seine Hände schafften es, das Wams vom Alten zu ergreifen. Knirschend drohte der dünne Stoff unter seinen Fingern zu zerbröseln. „Sag schon du schlechter Witz von einem Ritter auf zwei Beinen! Was hat dich da angetrieben, dein verfluchtes Schwert gegen Unschuldige zu erheben?!"
Harim machte sich nicht mal die Mühe ihn aufzuhalten. Mit diesem dünnen Lächeln auf den Lippen wagte es der Bastard ihn auch noch mitleidig anzusehen.
„Waren sie wirklich unschuldig? Woher willst du das wissen, wo dein Weg dich gerade zufällig vorbeiführte?" Leise seufzend, schüttelte der Halunke den Kopf. „So leid es mir tut, gewisse Dinge ergeben nur einen Sinn, wenn du es direkt vor Augen hast. Ich bedauere diesen Umstand hier, aber wie gesagt, dieses Los hatten sie sich selber ausgesucht. Jeder einzelne wollten es so, um auf ewig ihrem Vergnügen nach zu gehen. Du warst es, der sie alle daran erinnerte, dass es ein Fehler war."
Da blieb einem glatt die Spucke weg. Wollte dieser alte Sack ihm die Schuld für diesen ganzen Mist hier geben?
„Was redest du für einen Schwachsinn?! Mizga flehte mich, MICH, um Erlösung an! Sie wollte von mir getötet werden!"
Allein der Gedanke an ihr gequältes Gesicht trieb ihm die Galle wieder hoch.
Aber natürlich tat Harim es wieder mit diesem verfluchten mitleidigen Lächeln ab und klopfte Jarel zur Krönung auf die Schulter. „Aber natürlich. Du hast in ihr das letzte bisschen Menschlichkeit in ihr geweckt und sie daran erinnert. Sie hat gesehen wer du wirklich bist. Schon damals, als du hier gelandet bist."
Eigentlich sollte Jarel es tierisch stören, dass der alte Mann ihn verfolgte wie eine Zecke am Arsch, aber seine Wut über diese Antwort war einfach zu groß. Was gebe er darum, seiner Mordlust einfach nachkommen zu dürfen. Diesem was auch immer langsam von unten nach oben aufzuschlitzen und dann zufrieden zuzusehen, wie er langsam den staubigen Boden mit Blut tränkte.
Stattdessen stieß er ihn angewidert von sich. Der einzige Grund warum er dieses Aas am Leben lassen musste, war Karah. Er allein konnte Jarel zu ihr führen. Und das schmeckte noch bitterer als jede Kräutermixtur.
„Wars das mit den Prüfungen, oder hast du noch so einen Scheiß im Petto. Mir reichts bist da!" Mit dem Handrücken tippte er sich von unten gegen sein Kinn. Er hatte die Schnauze gestrichen voll.
Statt einer Antwort, ertönte dumpfe Aufschläge von Hufen hinter sich. Ares schritt mit leicht gesenktem Kopf auf ihn zu und hielt dabei was ihm Maul.
Bei dem Anblick hätte Jarel am liebsten laut losgelacht. Halb baumelnd, halb mitgeschliffen trug sein Pferd eine schwarze Lederhose auf ihn zu. Genau deswegen war er ja eigentlich in diese Stadt gekommen. Warum nur mussten an jedem gottverdammten Ding, dass er für sein Ziel brauchte eine Prüfung kleben?
Viel zu müde, um sich auf einen weiteren Streit mit Harim einzulassen, nahm er Ares das Geschenk ab und genoss nach einer gefühlten Ewigkeit, die wohltuende Kühle auf seiner erhitzten Haut. Die Hose saß wie angegossen. Kniff nicht und die Verschnürungen an der Seite fühlten sich gerade zu vertraut an. Wenigstens etwas, worüber sich man freuen konnte.
Mit Schwung glitt Jarel auf den Rücken von Ares und wartete darauf, dass Harim es ihm gleichtat. Allmählich hatte er diese ganzen Spielchen satt.
Dennoch spürte er Mitleid bei dem Anblick, wie steif der alte Mann in den Sattel stieg. Bildete er sich es ein oder verzog er sein Gesicht, wenn Harim seine linke Schulter bewegte? Falls da was war, überspielte es dieses Knochengestell geschickt mit einem Pfiff. „Dann wollen wir mal dich deinen neuen Freunden vorstellen."
Was sollte dieser Spruch jetzt? Jarel blieb gerade mal die Zeit die Stirn zu runzeln.

Die vier ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt