Ohne Titel Teil31

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Teil 31 Avaritia und Phthonos

Jarel fehlte jegliche Erinnerung daran mit solch tierischen Kopfschmerzen aufzuwachen. Vor Freude jauchzend, hockte bestimmt ein kleiner Gnom auf seinem Kopfkissen und prügelte mit einem Knüppel auf ihn ein. Oder doch mit einem glühenden Messer?
Der Schmerz und diese unerträgliche Hitze gehörten zu den Dingen, die man einfach nicht vermissen wollte. Noch weniger, wenn da einer einem ins Ohr schnarchte, dass sich die Balken bogen.
Eine wunderprächtige Ergänzung zu seinem Brummschädel. Wollte er es wirklich wissen, wer das Bett mit ihm teilte?
Halb ein Augenlid hochziehend, kroch gleich wieder der Wunsch in ihm hoch, den Anblick ganz schnell aus seinem Gedächtnis zu streichen. Warum auch immer, den Grund wollte Jarel nicht mal ansatzweise erahnen, lag der Koloss von gestern ausgestreckt neben ihm. Wie hieß er noch? Ava, Ala... oder war das mit Volap? Voluptas! Welche Mutter dachte sich so einen Namen aus?
Wenigstens konnte er sich wieder an den Namen erinnern. Der restliche Abend lag hinter einer fetten Nebelwand. Leider nicht alle aus den vergangenen Tagen. Jedes einzelne Detail kroch aus seinem Hinterstübchen hervor und erinnerte ihn mit einem Vorschlaghammer daran, warum das ganze passierte.
Karah! Sein hastiges Aufrichten des Oberkörpers wurde mit einem Drehwurm und Brechreiz belohnt. Verdammter Met. Wenn das Zeug nur nicht immer so verflucht gut schmecken würde.
Der nächste nüchterne Schlag kam mit dem Blick unter die Decke. Keine Jacke und auch keine Hose. Warum überraschte es ihn dann noch, wenn ein Arm, so dick wie ein starker Ast, seinen Oberkörper wieder ins senkrechte brachte. Was bei den Göttern hatte Jarel getan, um so bestraft zu werden?
Und als ob das nicht schon reichte, setzten diese noch eines drauf. Mit einem Knall, der garantiert sämtliche Gäste aus dem Bett holte, schlug die Tür gegen die Wand und der Barde betrat das Zimmer. Sein Glück, dass die Schwerter sich nicht in Reichweite befanden. Allein für dieses frohlockende guten Morgen. Was sollte an diesem Morgen schon gut sein. Er lag nackt neben einem Saufkumpan und konnte sich nicht ein Stück daran erinnern, warum genau seine Hose einen Abflug gemacht hatte.
Der elende Barde kichernde vor sich hin, ehe der endlich damit rausrückte, weshalb seine Anwesenheit von Nöten war. „Es ist an der Zeit für den Aufbruch. Dein edles Pferd wartet ungeduldig auf seinen Reiter. Oder gedenkt mein Freund noch eine weitere süße Stunde mit dem werten Gefährten zu verbringen?"
Das reichte! Jarel wollte sich aus der Umklammerung befreien. Lediglich ein Ächzen erbrachte seine Anstrengung und ein mürrisches Murmeln neben seinen Lauschern. „Verzieh dich, du elende Laus. Sonst wickle ich dir die Gitarre um den Hals."
Beinahe wäre Jarel ein Lachen aus der Kehle entkommen. Aber das blieb dann bei der nächsten Bemerkung vom Großen im Hals stecken. „Hab mit dem hier noch eine Rechnung offen, also verzieh dich, du dürrer Ast."
Was bei den Göttern hatte er letzten Abend angestellt?! Auf die Kopfschmerzen gepfiffen. Er wollte es nicht rausfinden, was da war. Sein Fluchtversuch zur Seite scheiterte genauso kläglich, wie der aus der Umklammerung zu flüchten. Der Gute hatte wohl stets artig seinen Brei aufgegessen.
Er wollte nicht mit diesem Kerl auf Tuchfühlung gehen. „Lass mich los! Ich steh nicht auf Kerle!"
Falls seine Worte gehör fanden, dann wohl nicht in den richtigen Ohren. Die Umarmung glich einem Schraubstock und ließ ihm kaum noch Platz zum Atmen. Was gebe er darum mit einem Biest zu kämpfen oder auf dem Schlachtfeld zu stehen. Da lag es in seinen Händen, was als nächstes passierte. Stattdessen musste Jarel darauf warten, dass Voluptas die Lust verging, weiter mit ihm zu kuscheln. Stand irgendwo auf seinen Körper, dass jeder mit ihm tun und lassen konnte was er wollte?! Treten half noch weniger. Wenn man von dem erhöhten Druck auf seine Rippen absah. Nicht mehr lange und diese gaben wie ein dürrer Ast nach.
Wunderbar. Noch mehr Schmerzen, die den Tag versüßten.
„Wer ist Karah?"
Das riss ihn aus seinem Bewegungsdrang. Unbekümmert redete der Große weiter auf ihn ein. „Du hast die letzte Nacht ständig ihren Namen gebrabbelt. Ist sie der Grund warum dir meine verfluchte Gabe nichts anhabt?"
„Keine Ahnung von was du laberst!"
Statt zu helfen, verzog sich der Barde eilig. So schnell hatte er noch keinen die Tür die schließen gesehen. Warum wohl. Jarel brauchte nur den muskulösen Arm zu betrachten, der zu glühen anfing. Zu gern hätte er es auf das Morgenrot geschoben, das zaghaft durch Fenster strahlte. Aber dann wäre es rötlich gewesen und nicht golden. Ganz langsam verzog sich der Nebel über seine Erinnerung. Der Meister hinter seinem Rücken hatte letzte Nacht genauso geglüht. Dann war da noch was mit den Dorfbewohnern. Nur was?
Eigentlich konnte ihm das gestohlen bleiben. So gut es ging versuchte Jarel über die Schulter zu blicken. „Was auch immer in deinen Schädel vorgeht, ist mir sowas von Schnuppe. Ich will es erst gar nicht wissen. Das einzige was hier zählt, ist der Sattel, den du mir schuldest."
Außer Haare konnte Jarel nichts erkennen. Lediglich ein Brummen kam als Antwort.
Und gerade, wo man sämtliche Götter dafür verfluchen wollte, die für diesen Faustschlag namens Schicksals verantwortlich waren, durfte seinen Lungen ungehindert ihrer Tätigkeit nachgehen. Der plötzliche kühle Zug auf seinen blanken Rücken wollte ihm nicht so recht das Gefühl der Erleichterung erlauben. Darauf lauernd, dass vielleicht doch noch was kam, das nichts Gutes erahnen ließ, riskierte Jarel einen weiteren Blick über die Schulter.
Er war allein. Voluptas hatte für seine Größe das Zimmer ohne ein Geräusch verlassen.
So leicht gab nicht mal ein blutsaugender Parasit auf.
Warum sollte er sich weiter darüber den Kopf zerbrechen? Sein Ziel lag vielleicht bereits in Reichweite. Da blieb keine Zeit, um herumzutrödeln.
Der dröhnende Schädel erinnerte ihn daran, dass Saufgelagen nicht mehr zu seinem Fokus gehörten.
Klamotten und Waffen lagen ordentlich zusammengelegt auf einem Stuhl unter dem Fenster. Die aufkeimende Frage, was wirklich in seiner geistigen Umnachtung passierte, erstickte Jarel gleich wieder. Es reichte die eine Erinnerung in der Höhle. Da brauchte es wirklich nicht noch eine weitere.
Mit pochenden Kopfschmerzen betrat Jarel das verwaiste Gastzimmer. Flüchtig tauchten Erinnerungsfetzen an den letzten Abend auf. Lag es am Met oder geschah es wirklich?
Schaudernd schüttelte Jarel die Gedanken gleich wieder ab. Er wollte es nicht wissen. Es gab genug andere Dinge, an die er denken musste. Mitunter an die Tatsache, dass dieser Voluptas sein Wort hielt.
Wieso auch musste Aris so störrisch auf einen Sattel bestehen? Dann hätte er sich den ganzen Ärger erspart und wäre längst Karah ein gutes Stück näher. Aber nein, er musste einen Kater ertragen, der einem glatte Todessehnsucht aufdrückte.
Dass die Tische und Stühle alle an die Wände geschoben standen, sollte einem auch nicht interessieren. Egal was für Rituale die Dorfbewohner hielten, sie betrafen ihn nicht. Notfalls ging er einfach zu Fuß weiter. Keiner hatte behauptet, dass alles auf dem Rücken eines Pferdes zurückgelegt werden musste. Diese Kinder der Finsternis krochen eh aus jeder Ecke, wie es ihnen beliebte.
Der Gedanke voran zu kommen, verscheuchte für einen kurzen Moment unliebsame Gefühle. Die sich prompt wieder einnisteten sobald er einen Fuß auf die Straße setzte.
Aris mit einem Sattel hätte vielleicht seine Stimmung weiter gehoben. Aber der Barde mit samt dem Koloss, erwarteten ihn zu Pferde.
Falls man das von Voluptas eines nennen konnte. Dieses schwarze Ungetüm überragte Aris um einen ganzen Kopf. Und als ob das nicht an Unbehagen in der Magengegend reichte, beglückte ihn die Frau von gestern mit ihrer ohrenklingelnden Stimme. „Ich wünsche euch eine gute Reise. Mögt ihr sicher von den Göttern geleitet werden."
Jarel hätte schwören können, dass sie nach Geld für die Unterbringen verlangen würde. Stattdessen drückte die Gute ihm einen grauen Stoffbeutel in die Hände. Ihr breites Lächeln zeigte, dass ein paar ihrer Zähne nicht mehr benötigt wurden. Was ihrer guten Laune keinen Abbruch tat. „Der Proviant sollte für ein paar Tage reichen. Und sorgt euch nicht um den Lohn für den Wirt. Er freute sich darüber, euch bewirten zu dürfen."
Eindeutig nicht mehr alle Tassen im Schrank. Was anderes kam ihm nicht in den Sinn. Wer bei den Göttern, verlangte kein Geld? Es gab nicht einen, der nichts für seine Leistung verlangte. So freigiebig konnte keiner sein. Nicht einmal Kinder. Selbst Bälger luchsten einem Münzen ab mit ihren traurigen Augen.
Als ob der Schock darüber nicht reichte, nervte das schlechte Gewissen erst recht. Es fraß ihm regelrecht ein Loch in den Bauch.
Der fette Fluch auf seiner Zunge ließ sich nur schwer runterschlucken. Noch einmal wollte Jarel diesen Blick nicht ertragen.
Stattdessen gelangte ein anderes Wort ohne sein Zutun über die Lippen. „Danke."
Es fühlte sich so fremd an. Lag vermutlich daran, dass er es bisher nie gebrauchte. Es gab auch nie einen Grund dafür.
Die Dorfbewohnerin belohnte ihn mit einem breiten Lächeln. Das hätte ihm völlig gereicht. Aber nein, sie schlang auch noch ihre Arme um seine Leibesmitte und presste ihn einen feuchten Schmatzer auf beide Wangen.
Er musste im Schlaf gestorben und geradewegs in der Hölle gelandet sein. Wie sollte man sich sonst das alles hier erklären?
Leise wisperte die Gute ihm noch etwas ins Ohr und ließ Jarel wie den letzten Dorftrottel einfach stehen. Kriegte man nicht normalerweise eine fette Gänsehaut, wenn man sich fürchtete? Kalte Luft sorgte für ein prickelndes Gefühl, dass einem gleich sämtlichen Sinn wachrüttelte. Was hatte sie gesagt? Er solle gut auf die Verkörperung eine der Todsünden achtgeben?
Noch so ein Märchen, das keines ist.
Vielleicht pennte er noch friedlich vor sich hin und das alles spuckte nur sein überlasteter Verstand aus. Da half nur eines. Mit beiden Händen flach gegen seine Wangen schlagen.
Er hörte das laute Klatschen und spürte wie seine Wangen brannten. Aber das Gefühl aufzuwachen gesellte sich nicht dazu.
Stattdessen zog der Barde es vor, sich darüber köstlich zu amüsieren. „Immer noch nicht davon überzeugt, dass das Schicksal dich erwählte?"
Es war so verflucht schwer, die Lippen zusammengepresst zu lassen und nicht einen Todeswunsch nach dem anderen den Barden an den Kopf zu werfen. Stattdessen musste er die Wut runterschlucken. Besser noch, ihn einfach ignorieren. Dann bestand immerhin die Hoffnung, dass der rote Reiter ebenfalls seine Klappe hielt.
Dutzende Blicke ruhten immer noch auf ihn, nachdem er den Beutel in der Satteltasche verstaute und aufstieg. Und auch dann noch, wo sich das Dorf nur noch aus der Ferne aus dem grünen Tal erhob.
Aris zog es nicht vor, auf sein stummes Drängen hin, schneller zu traben. Nein, er liebte es gemächlich dahin zu trotten. Wenigstens schwieg er. Eine Wohltat bei den Kopfschmerzen.
Was natürlich diesen elenden Barden nicht in den Sinn kam. „Es ist mir eine Freude euch beide an meiner Seite zu wissen. Ich musste diese ständige Langweile erdulden. Ihr müsst wissen, der schwarze Reiter ist andauert übel gelaunt und verdirbt einen durchgehend die Lust nach einem erquickenden Gespräch."
Wer hätte gedacht, dass es einen von den Reitern gab, dem Jarel glatt symphytisch vor kam.
„Und? Wo ist er? Hat er seinen Posten wegen deinem Geschwafel hingeworfen?"
Hätte er bloß nicht gefragt. Giorit lächelte wie jemand, der sich über einen gefangenen Fisch freute. Jarel hatte den Köder geschluckt und durfte es ausbaden.
Statt wie jeder normale Mensch es zu erzählen, griff der rote Reiter wieder nach seiner Gitarre und untermalte seine Worte theatralisch. „Oh nein. Er, der den Tod über alles bringt, was er berührt, wartet. Seine Hoffnung, dass du den Schwertern verfällst, verflog im Angesicht der verfluchten Stadt. Nun ist er gemeinsam mit Harim einer Fährte auf der Spur. Eine, die dich, mein werter Freund, deinem Ziel näherbringt. Wenn nicht sogar dich dafür beflügelt. Wo möglich wird das unser aller letzter Ritt sein. Oh, ihr Götter, was wäre das für ein Segen nicht mehr auf ewig diese grauenhafte Laune zu erdulden."
„Es wäre ein Segen, wenn du endlich deine Klappe hieltest, bevor ich sie dir stopfe."
Bei diesen wirschen Worten vom Großen konnte Jarel nicht anders, als zu grinsen. Es gab noch einen, dem das Geschwafel gewaltig auf die Nüsse ging. Wenn das nicht ein Grund zum Jubel wäre, was dann?
Du solltest lieber auf das Gespann vor uns achten.
Durchbrach Aris seinen kleine Schadensfreude. Und so wie die beiden Gestalten vor ihm aussehen, verstand er den bissigen Ton. Sie mochten wie zwei mittellose Wanderer aussehen, aber seine Nackenhaare erzählten was anderes. Wenigstens das gelang noch bei seinen Wahrnehmungen. Aber das brachte ihm nicht zu der Einschätzung was genau dort lauerte. Die beiden in Lumpen gekleideten Gestalten konnten genauso gut, nur Lockvögel sein. Es gab ja auch genügend Möglichkeiten sich zu verstecken. Büsche und Hecken gabs zu Hauf und in den Graben vor ihnen konnte er nicht Einblicken. Genau so etwas hasste Jarel. Nichts ging über ein Schlachtfeld, dass schön übersichtlich blieb und keine bösen Überraschungen parat hielt.
Bitter kamen ihm die Fehler in den letzten Tagen hoch. Angefangen bei diesem elenden Wald mit der Bestie. Ab da ging alles den Bach runter. Hätte er diesen umgangen, dann wäre Karah noch bei ihm und er müsste sich nicht den Kopf über neue Kameraden zerbrechen. Oder über Gestalten, die eine Salve an eiskalten Schaudern auslösten. Was sich mittlerweile lästig anfühlte.
Und nun? Abwarten oder gleich die Schwerter zücken. Die beiden konnten genauso gut harmlose Bettler sein.
Voluptas durchbrach die Stille mit einem lauten Lachen. Statt einer Erklärung, was so komisch war, glitt der Koloss aus dem Sattel und rannte mit ausgebreiteten Armen auf die beiden zu. „Avaritia! Phthonos!!"
Jarel hätte schwören können, dass die beiden angesprochenen die Flucht ergreifen wollten. So gehetzt sah man sich nur an, wenn man nichts Gutes erahnte. Wobei einem wirklich Angst und Bange werden musste, von diesen riesigen Pranken gepackt und gedrückt zu werden.
Und nun? Unschlüssig betrachtete Jarel die ungleiche Gesellschaft. Voluptas brummte etwas. Sie standen zu weit abseits, um es zu verstehen und er hatte nicht wirklich den Wunsch näher heran zu rücken. Eigentlich war das die beste Gelegenheit diesen Riesen hinter sich zu lassen.
„Keine gute Entscheidung. Wir brauchen jeden, der den Kindern der Finsternis die Stirn bieten kann."
Jarel würde behaupten, er hätte die Stimme des alten Kauzes nicht vermisst. Dennoch freuten seine Ohren sich über diesen angenehmen kratzigen Klang.
Wann hatte der sich an seine Seite getrollt? Sein Klepper wirkte dem Tode noch näher als beim letzten Mal. Mit samt seinem Reiter. Man hätte fast darauf schwören können, die beiden kamen direkt aus einer Schlacht. Wenn nicht auch gerade unbeschadet. Zu den Blessuren gesellte sich ein weiteres fettes Veilchen unter seinem rechten Auge.
Am besten so tun, als ob das einem nichts anginge. Die nagenden Sorgen im Hinterkopf ignorierte man auch gleich.
Warum auch sollte er sich darüber den Kopf zerbrechen was mit dem Klappergerüst passierte. Der war doch selbst an seiner Misere schuld. Und trotzdem konnte er sich die Frage einfach nicht verkneifen. „Hast du mit einem Felsbrocken geschmust?"
Harim lachte. Was eher nach heißerem Röcheln klang. „Kann man sagen. Die beiden wurden nicht freiwillig aus der Gesellschaft entlassen."
Ach, dann hatte er ihm diese Wiedersehensszene zu verdanken. Warum überraschte ihn das nicht? Der Barde hatte ja davon gebrabbelt, dass der Alte seine Lauscher nach Informationen austreckte.
So wunderprächtig dieser Anblick einen rühren konnte, er konnte dem nichts abgewinnen. Was sollte schon großartig das ganze ausrichten? Gegen die Kinder der Finsternis brauchte es Kämpfer und keine seltsam leuchtenden Wesen. Als Menschen konnte er sie nicht bezeichnen. Ebenso wenig als Götter. Als ob die sich freiwillig unter das Gesinde begeben.
„Hat sie es dir nicht gesagt?"
Stur nach vorneblickend, wollte Jarel den Alten nicht ansehen. Offenbar standen die Fragen wortwörtlich in seinem Gesicht.
„Sie hat viel geschwafelt. Was soll davon schon wichtig sein?"
Der Alte seufzte neben ihm. „Ich hatte gehofft, warmes Essen und ein gut Gebrautes hebt deine Laune."
Gereizt drehte Jarel sich jetzt doch zu Harim um und deutete in Richtung Dorf. „Meine Laune heben? Der Barde hat mich in ein durchgeknalltes Dorf geschleppt. Mich hätt's nicht gewundert, wenn ich mit Mistgabeln und Fackeln gelyncht werden sollte! Diese Heuchlerei war nichts weiter als Fassade! Auf der Straße nicht fluchen aber im Wirtshaus saufen und ..."
Zähneknirschend presste Jarel den Handballen gegen seine Stirn. Neben den rasenden Kopfschmerzen tauchte wieder dieses Bild auf. Das, was er ganz schnell vergessen wollte! Betrunken mochte das recht unterhaltsam sein, aber nüchtern machte der Magen nicht mehr mit. Nicht, dass er noch zu diesen Unschuldigen vom Lande gehörte. Aber der Anblick hätte selbst ein Ochse umgehauen.
Dieser Barde hätte ihn wenigstens warnen können vor solche schrägen Sachen. Der kicherte sich auf der anderen Seite einen ab. Fauchend fuhr Jarel ihn an. „Und wo hast du dich hin verkrochen, als das passierte? Du räudiger Hund hast mich ohne Warnung stehen lassen!"
Diese gespielte Reue auf seiner Visage, trieb einem fast dazu, das Lächeln mit einem Faustschlag auszutreiben. Und dann erst dieser Tonfall. „Gemach, gemach. Verzeih, doch meiner einer wurde wo anders erwartet. Zarte Blumen darf man nicht vernachlässigen."
Ein Weiberheld und einer der schon mit einem Bein im Grab stand. Wenn er sich auf diese Beiden verließ, sollte die Klinge vorher seine Kehle durchtrennen. Als Krönung der Große mit seiner zerlumpten Bekanntschaft. Was konnte der schon großartig beitragen, außer die Nacht zu erhellen?
Entweder hatte dieser seine Gedanken gelesen oder wurde von dem Bedürfnis überwältig, seine Idee laut der Welt mitzuteilen. „Meine Freunde und ich werden dich begleiten, kleiner Reiter."
Mögen die Götter einen Blitz schicken und Jarel von seinen Leiden erlösen. Als ob die je ihre Gnade für ihn gezeigt hätten. Stattdessen durfte er sowas wie ihren Handlanger spielen. Einen anderen Sinn konnte er nicht mehr erkennen. Falls es den je gab.
Und wenn man schon dabei war, dem Wahnsinn ins Gesicht zu blicken, dann sollte man den Rest auch gleich wissen. Bemüht seinen Groll runter zu schlucken, wagte Jarel die Frage. „Was ist da gestern passiert?"
Jarel hoffte auf eine Antwort, die sich erklären ließ. Pulver im Met. Oder ein Kraut im Essen. Nichts was mit diesem unheimlichen Leuchten zu schaffen hatte.
Voluptas legte seine Pranken auf die Schultern beider Fremden. Kurz glaubte Jarel ein Lächeln unter der Filzmatte von einem Bart zu erkennen.
„Das weißt du längst. Spiel nicht den Dummen. Wobei ich gestehen muss, dass es gestern wirklich schlimmer als sonst passierte." Jarel konnte sich nicht über die Verlegenheit freuen. Dafür kochte er zu sehr.
Seine Vermutung spie er dem Großen ins Gesicht. „Wolltest du mich etwa flachlegen?"
Hätte er bloß nicht gefragt. Ein Mädchen erröten sehen, ja das ging als niedlich durch. Aber einem ausgewachsenen Mann, dessen Faust einem den Schädel einschlagen konnte, passte das ganz und gar nicht. Und dann stupste der auch noch völlig verlegen die Fingerspitzen gegeneinander. „Also... ähm..."
Stöhnend verbarg Jarel sein Gesicht hinter beide Hände. Das ging weit über das erträgliche.
Der Barde amüsierte sich königlich, während eine knochige Hand tröstlich seine Schulter klopfte. „Du bist eben ein begehrter Mann. Mach dir nichts draus. Viel schlimmer kann es nicht werden. Außerdem hast du immer noch deine Flamme, die auf dich wartet."
Wieso nur glaubte Jarel seinen Worten nicht? Lag es an dem leisen Zweifel zwischen den Worten? Oder an der Tatsache, dass ihn eine düstere Vorahnung quälte.
„Ich reite mit dem jungen weißen Reiter."
Einer von den beiden Fremden entpuppte sich wahrhaftig als eine Frau. Die Kapuze verbarg weiterhin ihr Gesicht. Es nervte nicht zu wissen, mit wem er sich die nächsten Stunden herumplagen mussten. Allein nach der Stimme zu urteilen wagte er nicht mehr. Das konnte stets immer ein Trugbild erschaffen und darauf konnte Jarel gut und gerne verzichten. Andererseits, was schlimmeres konnte ihn auch nicht mehr erwarten.
"Von mir aus. Da ich sowieso gefragt werde."
Aris hätte sich wenigstens so störrisch zeigen können, wie sonst. Aber nein, der trottete zu der Frau hin und wartete darauf, das Jarel ihr hoch half.
Mürrisch streckte er ihr seine Hand entgegen. Anstatt diese zu ergreifen, rührte das Prinzeschen sich nicht. Erst großartig darauf bestehen, mit ihm zu reiten und dann wertvolle Zeit vergeuden. „Na los! Wir müssen weiter!"
Da erst hob die Frau den Kopf so weit, dass ihre Kapuze etwas zurück rutschte und ihr Gesicht freigab. Ein hübsches Antlitz, das eine erschreckende Erkenntnis mit sich trug. Sie konnte ihn nicht sehen.
Wütend biss sich Jarel auf die Zunge. Seine Ungeduld hatte mal wieder für voreilige Schlüsse gesorgt. Bemüht so gelassen wie möglich zu klingen beugte er sich weiter runter. „Hebe deine Hand einfach hoch und überlass mir den Rest."
Sie nickte und tat wie geheißen. Wieso bedauerte er es auf keine Wiederworte zu stoßen?
Schnell diese lästigen Gedanken verscheuchend, ergriff er ihren knochigen Unterarm. Sie glich einem Federgewicht und ließ sich mühelos hinter sich auf den Sattel ziehen.
Ein gehauchtes Danke erklang und blieb auch das einzige, was das Ganze zu einem ausgedehnten Schweigen verwandelte. Es störte ihn nicht. Viel mehr beruhigte Jarel diese Stille, die sich auf die ganze Gruppe ausbreitete.
Jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen und bemerkte kaum die üppige Graslandschaft, durch die sie Harim führte.
Selbst Aris platzte nicht ungefragt in einen Gedanken und trabte dahin. Seine Begleiterin schob ihre Arme um seine Taille und lehnte sich gegen seinen Rücken. Wenige Atemzüge später vernahmen seine Ohren ein leises Schnarchen. Auch das regte nicht im Geringsten seinen Ärger.
Dabei wollte er so schnell wie möglich weg von dieser ganzen verrückten Gesellschaft und sein Ziel erreichen. Der Gedanke daran wirkte so unnötig. Und das wiederum machte ihn kirre.
Schwermütig seufzend, riskierte er einen Blick zu seinem Linken. Voluptas teilte sein Pferd mit dem anderen Neuen in der Runde. Auch dieser hielt sein Gesicht unter einer Kapuze verborgen. Man könnte fast meinen, sie versteckten absichtlich ihre Gesichter vor der Welt. Der Große mit seinem Urwald im Gesicht machte da nicht wirklich eine Ausnahme.
Trotzdem kam immer wieder eine Frage in ihm hoch. Was hatten sie mit Voluptas gemeinsam. Nach allem wäre es nicht abwegig, dass die ebenso komisch leuchteten und verrücktes bewirkten.
Und wie, bei den Göttern, sollen sie ihm bei dem Kampf gegen die Kinder der Finsternis helfen? Eigentlich sollte das alles ihm gewaltig auf die Nerven gehen. Aber das tat es nicht, was es wieder völlig verkorkst machte. Es fühlte sich eher danach an, dass ihm was Fehlendes zurückgegeben wurde.
Sein Schädel pochte von der letzten Nacht und dem Versuch, das alles unter einem Hut zu bekommen. Genügend Gründe, um mies gelaunt durch den Tag zu gehen. Stattdessen fühlte er sich zufrieden. Vielleicht war doch was im Met..
Mit den warmen Sonnenstrahlen auf der Haut und einem Bauch, der nicht vor Hunger wie ein tollwütiger Köter knurrte, konnte so eine Reise recht angenehm sein. Da störte es nicht, wenn der alte Knochensack vorausritt und hinter einem Hügel verschwand. Noch weniger, wenn aus einer anderen Richtung, eine Gruppe düster blickende Reiter auftauchten. Es bedurfte keiner besonderen Erfahrung, um zu sehen, dass dieses fünfer Gespann von einem blutigen Handwerk lebte. Warum auch sonst sollte man sich bis an die Zähne mit Waffen eindecken. Es würde eher einen nicht verwundert, wenn sie eine Kanone mit sich schleppten.
Eigentlich der beste Moment um sich darüber zu Sorgen, ob man seine Kleider einsauen musste, weil die sich in ihrer Beute verschätzten.
Ja, da war ganz flüchtig dieser Gedanke und ein vorbeirauschendes Gefühl von Wut. Und falls ein Keim davon zurückblieb, wurde dieser von seiner Begleiterin flüsternd erstickt. „Die Gier wird dir zuvorkommen."
Das weckte doch glatt in einem die Neugierde. Diese reizende Ansammlung von Witwenmacher soll von Gier statt von ihm selbst ins Gras beißen. Oder sollte man das anders verstehen? Wieder etwas, um seinen Schädel in einen Schmiedeblock zu verwandelt, auf den ständig eingedroschen wurde. Und trotzdem verschwand diese Gelassenheit nicht. Nein, so ganz richtig war das nicht. Es fühlte sich eher wie Zufriedenheit mit sich selbst an.
Diese Hetze nach einem Ziel in weiter Ferne fehlte. Völlig entspannt kreuzte Jarel seine Unterarme über den Sattelknauf und blickte den heraneilenden Reitern entgegen. Der eine oder andere Fluch mit wüster Bezeichnung kam zwar an, aber ließ ihn völlig kalt. Sowas brachte Jarel nicht wirklich aus der Ruhe. Und auch nicht die äußerst nette Aufforderung alles bis auf die Kleider am Leib raus zu rücken, wenn man am Leben hing.
Nachdenklich schob Jarel eine Augenbraue nach oben. Hing er daran? Nicht wirklich. Aber es wäre lästig es zu verlieren, bevor Karah an seiner Seite ritt.
Einer der Söldner fühlte sich besonders wichtig in seiner Position. Zu gegeben, er konnte ohne weiteres Voluptas das Wasser reichen, wenn man den ausgeprägten Oberkörper unter dem Lederwams hervorquellen sah. Vielleicht besaß der Gute auch das hübschere Gesicht. Aber sonst sah Jarel nicht einen winzigen Grund, warum er sich großartig sorgen sollte.

Grollend erzwang der Anführer die Aufmerksamkeit aller Anwesenden. „Seid ihr taub oder so dumm, dass ihr unsere Aufforderung nicht versteht? Rückt sämtliche Besitztümer raus, wenn ihr nicht den Weg zu den Göttern antreten wollt!"
„Keine Lust."
Damit hatte der Muskelprotz wohl nicht gerechnet. Und wenn Jarel sich das Gesicht seiner Gefährten so ansah, die ebenso wenig. Einer, dem das Fleisch nicht auf den Knochen haften blieb, zupfte nervös an seiner Lanze rum. Der Rotschopf neben ihn, zerrte sein Schwert aus der Scheide. Nur ihr Anführer besaß die Ruhe Jarel weiter gelassen ins Gesicht zu sehen. Oder war da ein Hauch von Zweifel in seinem Blick?
Der Typ zu seiner Linken beugte sich rüber und flüsterte dem Fleischberg ins Ohr.

Eigentlich sollte die langsam dunkler werdende rote Färbung im Gesicht Warnung für das kommende sein. Und vielleicht gabs da auch den einen oder anderen Grund, die eigenen Waffen zu ziehen. Aber warum sollte er seine Energie für so ein lächerliches Geplänkel verschwenden. Er hatte weit besseres zu tun.
„Falls ihr nichts Weiteres zu bereden habt, machen wir uns vom Acker."
Aris lachte in seinen Gedanken. Ich bezweifle, dass diese Gestalten uns einfach so abziehen lassen.
Der Anführer zögerte nicht lange, um diese Vermutung der Wahrheit entsprechen zu lassen. Knurrend und spuckend, plusterte der arme Irre sich im Sattel auf. Sein Blick glich eher einem Hund, der seinen Knochen nicht mit anderen Teilen wollte. „Nichts da! Ich will deine Schwerter! Und das Weib hinter dir! Und am besten verabschiedest du dich gleich von deinem Gaul! Der gehört jetzt mir!"
„Dazu müsstest du mich schon als kalte Leiche runterholen."
Krampfhaft klammerte die Frau sich enger an seinen Rücken. Beruhigend tätschelte Jarel ihre Hand. So weit käme der Fleischberg erst gar nicht.
„Ich will auch was von der Beute!" Platzte der Rotschopf dazwischen. Mit der Schwertspitze zeigte er auf Jarel und bleckte dabei die Zähne. „Ich will diese Jacke! Sie wird mir viel besser stehen als dir!"
Der Hungerhaken fühlte sich dazu ermutigt ebenso seinen Anspruch laut krähend kund zu tun. „Diese Hose sitzt bestimmt viel zu eng."
Jarel brauchte sich nicht die Mühe für die Antwort zu geben. Der Rest der Gruppe beteiligte sich an der heftigen Diskussion wer welchen Anspruch hatte.
„Mir steht der schwarze Gaul zu! Du hast doch schon ein gutes Pferd! Was willst du noch mit einem zweiten?"
„Nichts da! Als ob du je zu was nutze warst. Wenn hier wer was verdient, dann ich. Mir habt ihr die fetten Beuten in letzter Zeit zu verdanken!"
„Träum weiter, als ob es was Besonderes wäre die Handelsrouten abzugrasen! Mir steht die Beute zu. Und wem das nicht passt kann gern einen Arschtritt kassieren!"
„Ach halt doch die Fresse, ich bin es doch, der die meiste Arbeit am Hals hat. Ihr könnt euch immer auf die faule Haut flenzen, während ich mir den Hintern aufreiße!"
Amüsant wie sich die Bande in Haare kriegte. Dabei hatten sie ihren vermeintlichen Opfern nicht das geringste abgenommen.
Gemächlich trabte Aris an der zackenden Gruppe vorbei, wo das Blut bereits reichlich floss. Da verspürte man wenig Lust, sein eigenes mitmischen zu lassen.
Stattdessen plagte ihn die Neugierde. So etwas hatte Jarel schon einmal erlebt. Damals, bevor er ein Sklave wurde.
Dummerweise lagen diese Erinnerung hinter Nebelschwaden und weigerten die Sicht darauf zu gewähren. Und da war es wieder, dieses verfluchte vertraute Gefühl.
Irgendwann in seinem vergangenen Leben musste er seinen jetzigen Gefährten begegnet sein. Es tat fast weh, nicht zu wissen woher. Bevor der Erinnerungsfetzen sich erhaschen ließ, wischte diese selige Ruhe ihn einfach zur Seite und ließ es Jarel vergessen, worüber er sich gerade den Schädel zermarterte.
Dann eben nicht. So wichtig konnte es schon nicht gewesen sein.
Warum sollte er sich auch darüber den Kopf zerbrechen. Es änderte nichts an der Situation, in der er Knietief steckte. Seine Aufmerksamkeit sollte eh nur dem düsteren Berg am Ende des Tales gelten. Und nicht der Stadt, die auf dem Weg dorthin lag.
Oder dem nagenden Gefühl im Nacken, dass er geradewegs in den nächsten Ärger ritt.

Die vier ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt