22.07.18 – SGZ – Fliegen Jarel
„Eins."
„Nein! Ich mach das nicht!"
„Zwei."
„Du kannst zählen bis du schwarz wirst! Ich springe nicht!"
„Drei."
Bei den Göttern, Jarel hatte in den letzten Tagen dem Tod mehrmals in die Augen geblickt. Ein Pferd dazu überredet ihn auf seinen Rücken zu dulden! Und jetzt soll er das machen?
Drohend hob er die Faust. Der alte Sack konnte ihm den Buckel runterrutschen mit samt seinen ganzen Prüfungen.
Gelassen ignorierte Harim Jarels bleckende Zähne und knickte den vierten Finger ab.
„Vier." Und als ob das nicht reichte grinste dieser ihn genüsslich an. „Entweder du springst freiwillig oder Ares wird nachhelfen."
Das konnte nur ein schlechter Scherz sein! Der weiße Hengst scharrte bereits mit dem Huf im lockeren weißen Sand.
„Das war nicht die Abmachung zwischen uns beiden Ares!"
Spöttisches Gelächter ertönte in seinem Kopf. „Oh ich werde es genießen dich Fliegen zu sehen. Du stinkst wie eine Horde Stiere, die um ein Weibchen buhlen."
Panik kroch mit einem ekligen eisigen Schauer in ihm hoch. Todesangst hinterließ wenigstens den Willen zum Kämpfen und den Feind niederzuringen um jeden Preis. Aber das?!
Kehliges Lachen gesellte sich zu dem Gelächter von Ares dazu. „Jetzt stell dich nicht so an. Du wirst nur ein bisschen nass. Ein Bad hatte noch keinem geschadet."
Auf den Rand der Klippe deutend schrie Jarel Harim an. „Sag mal geht's noch? Das hier ist kein kleiner Teich! Da geht es einige Meter runter! Hast du überhaupt runter gesehen? Die Steine da unten sehen nicht gerade zum kuscheln aus!"
Gleichgültig zuckte der alte Zausel mit den Schultern. „Du stellst dich mit deinen Zahnstochern einen Koloss entgegen und fürchtest dich vor einem kleinen Sprung? Man könnte fast meinen du hast sowas wie Höhenangst. Ein kleiner Freiflug hat noch keinem geschadet." Seine ausgetrockneten Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln und entblößten die leicht gelben Zähne. „Wirst du jetzt freiwillig runterspringen oder sollen wir dir bei deinem Abflug helfen."
„Du bist wahnsinnig! Dein Hirn muss endgültig verfault sein!" Genau das musste passiert sein. Die Hitze in den letzten Tagen musste ihm den Verstand geraubt haben. Keiner der bei Sinnen war, schickte einen anderen für ein Bad über eine Klippe in einen Wasserfall mit einem reißenden Fluss aus denen Felsen wie Zähne zu ihm hochstarrten. Wenn er auch nur einen halben Meter daneben sprang, konnte er sein Rückgrat von außen betrachten.
Krieg dich wieder ein. Nicht alles ist wie es scheint.
„Dann will ich sehen wie du da runterfliegst. Bist du am Ende ein Gaul mit Flügel?" Gab Jarel fauchend von sich. Zu spät bemerkte er, dass er die letzten Worte nicht sagen hätte sollen. Bei dem Wort Gaul wurde Ares äußerst unangenehm. Da war die Spinne aus dem Wald die ihn aufgespießt hatte, noch lieblich dagegen.
Hastig hob Jarel die Hände und sah Ares entschuldigend an. „Tut mir leid. Ich hab..."
Ein derber Schlag gegen seinen Brustkorb legte klar, was Ares von seiner Entschuldigung hielt. Erst verlor seine Füße den Kontakt zum Boden. Dann füllte der blaue Himmel sein gesamtes Blickfeld aus.
Nun ja für einige Herzschläge hatte er das Gefühl zu Fliegen. Schwerelos, frei und ungebunden. Einen Herzschlag lang vergaß er sogar warum er eigentlich nicht ins Wasser wollte.
Bis der Himmel kippte und er die grau weißen Felsen vorbei rasen
Er konnte nicht schwimmen.
Der Blick nach unten verhalf nicht gerade dazu, seine Gedanken daran zu verdrängen. Wieso musste es immer dieses verdammte Wasser sein? Ein Sumpf hätte es doch auch getan. Sogar Treibsand. Mit Sand konnte man sich doch genauso gut waschen.
Aber nein, er musste gleich Kopf über in diesem weißschäumenden ohrenbetäubenden brüllenden Ungetüm von einem Wasserfall eintauchen.
Die Fluten schlugen über ihn zusammen. Zerrten ihn in die Tiefe wie Seile die einen gnadenlos festhielten.
Fesseln. Nie wieder wollte er dieses Gefühl spüren. Wütend versuchte Jarel an die Oberfläche zu kommen. Für einen winzigen Moment spie das Wasser ihn aus und gewährte ihm einen Atemzug. Noch nie war frische Luft so erquickend. Nur um gleich darauf wieder von einem weiteren Schwall unter Wasser gedrückt zu werden.
Herum gewirbelt wusste er nicht mehr wo oben und unten war. Bis ein Felsen hart gegen seinen Rücken prallend ihm einen kleinen Hinweis gab wo es lang ging.
Seine Finger fanden auf der glatten Oberfläche kaum halt. Mit beiden Armen und Beiden den Felsen umklammernd zog er sich langsam nach oben, bis sein Kopf die Oberfläche durchbrach.
Kaum nach dem das Wasser nicht mehr dort war, wo es nicht mehr hingehörte und zwar aus seinen Lungen, brüllte er zu den beiden Gestalten hoch. „Ich bring euch dafür um! Das schwör ich euch! Eines Tages werde ich mich dafür rächen!" Das dumme an der Sache, dafür müsste er aus dem Wasser rauskommen und das Ufer war nicht gerade in Reichweite.
Und ewig konnte er sich auch nicht an den Felsen festklammern.
„Besser du lässt los bevor ich dich dazu zwinge."
Direkt vor seiner Nase konnte er zwei schwarze Stiefel sehen. Die nicht so recht zu der Stimme passten. Langsam hob Jarel den Kopf. Bis er in ein vertrautes Gesicht blickte. „Karah?"
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Die vier Reiter
FantasiJarel lebte für die und von der Schlacht. Wer zahlte, dem waren seine Dienste gewiss. Aber manchmal kann sich alles schlagartig ändern.