Spidechse Teil21

106 5 0
                                    


Das Wort Ewig schmeckte wie eine Ratte, die man mit samt ihrem Fell verspeiste. Der Hunger hatte sich gänzlich verabschiedet. Umso mehr nervte dieses helle Licht.
Erneut wisperte die liebliche Stimme direkt neben seinem Ohre, ohne dass Jarel erkennen konnte wer da sich köstlich amüsierte. „Du wirst mir die Zeit wahrlich versüßen."
„Tut mir leid, ich bin nur auf der Durchreise."
Sein bissiger Ton wurde mit einem leisen Lachen aufgenommen. Dieses verfluchte helle Licht, ließ ihn nur schemenhaft erkennen, was direkt vor seinem Gesicht passierte. Seine Sinne spielten verrückten, bei dem weiß glänzenden Stab über seinem Gesicht. Oder war das ein Arm?
Etwas Weiches streifte seine Wange.
Schaudernd kroch der Ekel über seinen Körper. Wie wunderbar es doch wahr, wenn einem die Glieder nicht gehorchten. Was auch immer ihn aufgefangen hatte, hielt Jarel auch fest.
Eine düstere Vorahnung kroch in ihm hoch. Das Kichern direkt über ihm half nicht gerade, das eisige Gefühl zu verscheuchen, dass er in einer Falle saß, aus der es kein so schnelles Entkommen gab.
„Oh, ich dir verzeihen werde."
Verzeihen? Was genau? Er war kein Unschuldslamm. In seinem bisherigen Leben waren einiges an Blut über die Klingen seiner Schwerter geflossen.
„Und was genau?" Wütend biss sich Jarel auf die Zunge. Wie üblich war seine Zunge schneller. Dabei wollte er nur hier raus und nicht wissen, was in diesem Kopf vor sich ging.
Erneut strich etwas Weiches über seine Wange und sorgte für ein Eigenleben seiner Haut.
„Das Blut meiner Tochter hast du vergossen. Dein Fleisch wird neues Leben in meinem Leib erwecken. Dein Leben für ein anderes du sühnen musst."
Verwirrt krauste Jarel die Stirn. Tochter? Er hatte nie seine Hand gegen das weibliche Geschlecht erhoben. Außer sie hatte ihm keine Wahl gelassen. Aber getötet? Nein, nicht mal in der Arena.
Das letzte Wesen, was seine Klinge zu kosten bekam war dieses Vieh gewesen, dass ihn vergiftet hatte.
Oh. Die Erkenntnis ließ ihm einen leisen Seufzer entgleiten. Natürlich. Warum war er nicht gleich auf die Idee gekommen, dass diese Stimme keinem Menschen angehören konnte. Nein, es musste ausgerechnet die Mutter aller Krabbelviecher sein. Spidechse.
Und wieder ein Märchen, dass keines war.
Angestrengt versuchte er sich an die Fetzen zu erinnern, die in Laufe der Jahre zusammengekommen waren. Es hieß sie wartete auf unachtsame Wanderer. Verführte sie mit ihrer Stimme und lockte sie in den Tod. Aber nichts was wirklich hilfreich war. Kein Wunder. Bisher hatte ja keiner es gewagt zu überleben. Und dieser elende Kauz hatte auch nicht ein Wort darüber verloren, wie er lebend wieder aus dieser Falle kam.
Ein bisschen Wehtun. Großartig. Und was hatte das mit den Schwertern zu tun, die er angeblich hier finden sollte? In den Fängen eines Viehs, dessen Kind er getötet hatte? Wahrscheinlich wusste das Harim auch. Allein dafür konnte der sich auf eine Abreibung gefasst machen. Jarel konnte sich schon genüsslich vorstellen, wie seine Finger diesen dürren Hals langsam am Atmen hinderten. Sofern er aus dieser Zwickmühle wieder rauskam. Und als ob das Ding seine Gedanken lesen konnte, schob es sich in sein Blickfeld. Das grelle Licht konnte nur bedingt die Hässlichkeit verdecken.
Zwei grell gelbe Pupillen sorgten für ein Prickeln in seinem Nacken und dann noch diese zarten Fangzähne. Grüne Flüssigkeit tropfte von den Spitzen. Garantiert kein Wein, der den Durst löschen konnte. Das alles wurde von einer Haut abgerundet, die von weißen Härchen bedeckt war. Nur mit Mühe konnte Jarel sein gleichgültiges Gesicht beibehalten, bei den Gedanken, dass dieses Gesicht sich an seine Wange gerieben hatte.
Er schaffte es sogar zu lächeln. „Tut mir leid. Ich bin zäh wie Leder. Ungenießbar. Dein Kind wäre nicht mal in der Lage zu atmen, wenn du mein Fleisch dafür benutzt."
Schwarze dünnen Lippen teilten sich zu einem Lächeln und entließ eine dünne lange Zunge, die langsam über sein Gesicht strich.
Zähneknirschend hielt Jarel den Atem an. Das war es also, was ständig über seine Wange gestrichen war.
Umso grausamer war das liebliche Lachen. Wie konnte so ein hässliches Wesen so verführerisch klingen? „Oh, dein Fleisch verbessert meine Tochter. Es meine Zunge vergnügt."
Und als ob ihr diese Ankündigung nicht reichte, näherte sie sich ihm noch weiter. „Du nicht schreist. Wie schade. Der Geschmack besser wäre."
Sein Hirn war damit beschäftigt, wie er aus dieser Misere wieder rauskam. Da blieb nicht viel Platz für anderes wie hysterisches Schreien. Viel mehr interessierte ihn eine Frage brennender. Wie bei den Göttern hatte der alte Sack das damals überlebt, ohne die Mutter der Monster zu töten?


Die vier ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt