Jarel
So lange du aufrecht stehen kannst und das Schwert in den Händen hältst, gibt es kein Aufgeben. [/i]
Und wieder krochen vergangene Stimmen in seinen Gedanken herum. Als ob Jarel je diese Lektion vergessen könnte, die ihm damals eingetrichtert wurde.
Sein Körper fühlte sich wie glühendes Eisen an. Die Kehle lechzte nach Wasser und seine Beine glichen eher knochenlosen Fleisch. Liebend gern hätte er lieber die Augen geschlossen und sich der Müdigkeit hingegeben. Aber so lange sie nicht weit genug von dieser Hütte wegwahren, durfte er es nicht.
Karahs strafte ihn mit einem missmutigen Blick, für seine Dickköpfigkeit. Überdeutlich konnte er den Protest darüber in ihren Augen sehen. Warum auch immer sie diesem Harim vertraute, er konnte es jedenfalls nicht. Alles an diesem alten Kauz roch nach Gefahr und Tod. Ein weiteres Mal wollte Jarel ganz sicher nicht mehr in Gefangenschaft leben. Dafür hatte er sich seine Freiheit zu sauer verdient.
Ihre Hand wegschiebend, weigerte er sich ihre Hilfe anzunehmen. Er konnte stehen. Seine Füße gehorchten ihn zwar nur bedingt, aber besser als noch vor Stunden.
Glühend brannte seine Wunde an der Schulter. Dieses elende Spinnenvieh hatte es geschafft sich ein bleibendes Denkmal an seinem Körper zu setzen. Auch gut. Wie auch immer es passierte, er lebte noch. Alles andere konnte getrost vergessen werden.
Konzentriert suchte er nach seinem Schwert. Die Dunkelheit vor seinen Augen war einem Schleier gewichen, der nur verwaschen sein Umfeld zeigte. Besser als nur auf die Ohren angewiesen zu sein.
Dennoch hörte er, wie Karah scharf Luft holte, als er unsanft gegen etwas Hartes stieß. Der Pein in seinem Schienbein trieb ihm Tränen in die Augen.
Scheppernd kam etwas direkt vor ihm auf dem Boden zu liegen. Seine Finger danach ausstreckend, spürte er die vertraute Kühle seines Schwertes.
Seine Fingerkuppen strichen liebevoll über die Oberfläche der schartigen Klinge. Jede einzelne Kerbe hatte ihre eigene Geschichte. Zeugte davon, dass er bis jetzt es immer irgendwie geschafft hatte zu überleben.
Entschlossen, presste Jarel seine Lippen aufeinander. Egal wie, er musste Karah von hier wegschaffen. Weg von Harim, weg von diesem Ort.
„Jarel. Ich bin mir nicht sicher ob du..." Karah stand so dicht neben ihm, dass er ihren Geruch deutlich wahrnehmen konnte. Verdammt, er war zu sehr in Gedanken versunken gewesen. Wie hätte er sonst ihre Bewegungen überhören können?
„Wir gehen." Gab er mit fester Stimme von sich. Sie sollte nicht merken, wie sehr ihn das alles nervös machte. Vorsichtig die Klinge in seinen Gürtel schiebend, straffte er seine Schultern und drehte sich zu ihr. Nur verschwommen nahm er ihre Gestalt wahr.
„Wohin? Wir sind hier mitten an einem Wald, der von Bestien nur so strotzt. Ein zweites Mal überleben wir so eine Begegnung nicht." Trotz schwang in ihrer zitternden Stimme mit.
Warum begriff sie nicht, dass Harim die größere Gefahr war? Was gebe er darum, zu wissen, woher dieses Wissen kam. Diese beklemmende Angst, die ihm den Atem raubt und ihn lähmt. Als ob er in die Fratze des Todes blickte.
Seinen Körper gehorchte nur wiederwillig. Konzentriert einen Fuß nach dem anderen setzend, pulsierte sein Blut rauschend in den Ohren. Erst beim vierten Schritt legte sich diese Trägheit in ihm. Bewegen, der einzige Gedanke, den er zuließ. Er musste sich bewegen.
„Vorsicht!"
Die Warnung kam zu spät in seinem Hirn an. Sein Bauch machte auf unliebsame Weise Bekanntschaft mit einer Tischkante.
Weiße Flecken tanzten vor seinen Augen. Scharf nach Atem ringend, dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis der Schmerz langsam abebbnete.
Warme Hände schlossen sich um seinen Oberarm. Zerrten ihn mit überraschender Kraft zur Seite.
„Es braucht keine Monster um dich auf den Boden zu hauen. Das schaffst du schon selber. Warum sagst du nicht gleich, dass du so viel siehst wie ein geblendeter Sklave?"
Wiederwillig ließ Jarel sich ziehen. Soviel zu seinem Vorhaben seine Schwäche nicht offen zu zeigen. Wie sollte das dann in einem Kampf klappen?
So wird das nichts, Frischfleisch. Mit dem Murks überlebst du keine zwei Tage in der Arena.[/i]
Knurrend verdrängte Jarel die spöttische Stimme des Arenameisters. Als ob ihm das nicht klar genug wäre. Nein, jetzt spielte sein Verstand auch noch mit seinen Ängsten. Am Ende war er zu allem übel auch noch auf die Hilfe von Karah angewiesen. Wie erbärmlich.
Kalte Wut stieg in ihm hoch. Bei den Göttern, so wollte er sicher nicht abtreten. Angestrengt kniff Jarel die Augen etwas zusammen. Etwas schärfer wurde die Umgebung dadurch. Genug um zu sehen, dass Karah mit ihm bereits im Freien stand.
Ihre Finger verkrampften sich um seinen Oberarm. War das Fieber schuld oder wurden ihre Finger immer kühler? Wie sehr er es verfluchte nur Schatten zu erkennen. Dafür trieben seine Ohren mit ihm einen grausamen Scherz.
Leise wispernde Laute riefen einen Namen. Sie riefen nach Karah.
Hastig ergriff er ihre Finger, die sich von ihm lösen wollten. „Karah!"
Für einen kurzen Atemzug verharrte sie neben ihm. Ließ ihn spüren, dass sie noch da war.
Mit dem nächsten Lufthauch, der ihn streifte, spürte er sie nicht mehr. Sein Griff ging ins Leere. Beklemmende Kälte kroch in ihm hoch. Erneut versuchte Jarel nach ihr zu greifen. Alles was er spürte war kühle Luft. Das Wispern war verstummt und machte einer noch mehr beklemmende Stille Platz.
Den Mund aufreißend, versuchte er ihren Namen zu rufen. Seine Kehle gab keinen Laut von sich. Nicht ein krächzen. Stattdessen spürte er erneut diese Angst, die seine Brust wie ein Kette umschlang und immer enger wurde, bei jedem Ausatmen.
Sie hatten Karah geholt. Dieser eine Gedanke brannte sich wie glühendes Eisen in seinen Kopf fest, bevor die Dunkelheit sich wie eine lähmende Decke über ihn stülpte.
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Die vier Reiter
FantasyJarel lebte für die und von der Schlacht. Wer zahlte, dem waren seine Dienste gewiss. Aber manchmal kann sich alles schlagartig ändern.