12. - Josephine Sparks

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Schniefend trat ich in den Empfangsbereich und begann die Etage nach meiner Mom abzusuchen. Vermutlich war sie nicht besonders erfreut darüber, dass ich die Schule schwänzte, doch wie hieß es so schön: Augen zu und durch.

"Joephine!", rief die mir wohlbekannte Stimme. "Josephine, was machst du hier?", sagte sie laut und musterte mich vom Kopf bis zu den Zehenspitzen.

"Ich hatte keine Schlüssel!", murnelte ich kleinlaut. Jetzt, wo sie vor mir stand, war es plötzlich viel schwieriger, ihr von Mia zu erzählen. Außerdem müsste ich ihr dann auch von Toby erzählen und das wollte ich auf jeden Fall verhindern... Auf einmal war ich mir nicht mehr sicher, ob ich ihr überhaupt von heute erzählen sollte...

"Wir hatten eine Freistunde!", rutschte es mir über die Lippen. Wie leicht mir diese Lüge nur über die Lippen gerutscht war!

Seufzend bückte sich Mom nach ihrer Tasche und kramte nach ihrer Schlüssel. "Hier!", sagte sie und drückte mir das Schlüsselbund in die Hand.
"Danke!", murmelte ich fast lautlos.

Bevor ich noch etwas sagen konnte, war Mom schon davongewuselt. Ich seufzte leise, dann machte ich mich wieder auf den Heimweg.

Kaum war ich zu Hause, setzte ich mich in die strahlende Sonne auf dem Balkon und holte meine Bücher aus der Tasche. Im Moment wollte ich nichts und niemanden weder hören noch sehen. Doch kaum hatte ich den ersten Buchdeckel aufgeschlagen, flog mir das Foto entgegen, welches mir Toby heute zurückgegeben hatte. Alleine, wenn ich daran dachte, wollte ich im Erdboden versinken. Noch nie hatte ich mich so blamiert, doch im Grunde war es mir egal. Die halbe Schule machte sich über mich lustig, Toby hatte herausgefunden, dass ich in ihn verliebt war und Mia... Mia hatte mich im Stich gelassen. Wie sie mich angesehen hatte...

Schon wieder traten Tränen in meine Augen. Mist, konnte ich mich nicht ein einziges Mal zusammenreißen?
Ich beugte mich über meinen Lernstoff, doch eigentlich konnte ich mich gar nicht konzentrieren. Immer wieder schweiften meine Gedanken ab. Zu Mia, zu Toby, zu Langhaar und seinen arroganten Freund...
Plötzlich fiel mir das Taschentuch in meinem Rucksack wieder ein. Langhaar war so nett gewesen, im Gegensatz zu Blondie.
In der Zwischenzeit hatte ich herausgefunden, wie sie hießen: Harry Styles und Niall Horan.

Man konnte sich die beiden Namen direkt auf der Zunge zergehen lassen - sie klangen so warm, so wohlwollend. Wie konnte ein so kaltherziger Mensch einen so wunderschönen Namen haben. Niall Horan.
Und dazu noch so gut aussehen...

Seufzend widmete ich mich wieder der Kunst des 16. Jahrhunderts. Nur noch eine Woche, dann würde ich auch die Prüfungen fertig haben und ich hätte offiziell einen Abschluss.
Schon alleine der Gedanke an die sich nähernden Ferien spornte mich unglaublich an und so begann ich wieder zu lernen.

Diese Motivation hielt aber nicht besonders lang an - mein Handy klingelte ununterbrochen. Verzweifelt durchsuchte ich all meine Unterlagen und wurde fündig: eingeklemmt zwischen Chemie und Deutsch leuchtete der Bildschirm meines Telefons auf.

"Unbekannte Nummer", murmelte ich leise, dann hob ich schnell ab.

"Hallo?", meldete ich mich zögernd. Ich hasste es einfach, mit fremden Personen zu telefonieren.

"Hi, hier ist Toby!", antwortete der Anrufer. Lauthals schnappte ich nach Luft. Das konnte nicht wahr sein. Ich meine - vorgestern wusste er gar nicht, wer ich war und jetzt? Jetzt rief er mich sogar an!

"Alles okay?", fragte er und ich konnte genau hören, wie er versuchte, sein Lachen zu unterdrücken.

"Ja!", krächzte ich nach einer halben Ewigkeit. Wieso tat er das? Wieso musste er nur so hübsch sein, wieso musste er ein so schönes Lächeln haben und wieso schaffte er es immer wieder, mich sprachlos zu machen?

"Und wie geht es dir sonst?", fragte er weiter. Was sollte ich darauf antworten? Wie es mir wirklich ging? Ganz ehrlich? Ich fühlte mich hintergangen, betrogen, verraten. Ich fühlte mich wie ein altes, verstaubtes Buch, welches man ins unterste Fach des Regals stellte, nur um den hässlichen Umschlag nicht mehr anzusehen. Ich fühlte mich wie ein getretener Hund, den man leiden sehen wollte.

"Gut!", rutschte es mir über die Lippen.
Nichts war gut. Überhaupt nichts.

"Was machst du gerade?", fragte er mich weiter. Noch immer schlug mein Herz unglaublich schnell und mein Atem ging unregelmäßig. Alleine seine tiefe, wohlklingende Stimme zu hören, machte mich verrückt. Er trieb mich beinahe in den Wahnsinn!

"Ich wiederhole Stoff und du?", sagte ich nach einer langen Pause.
"Ich auch!", murmelte er.
Wieder war es still. Viel zu still.
Warum sagte er nichts?

"Josy, du sollst nur eines wissen: Du bist ein unglaublich tolles Mädchen. Wenn du jemanden zum Reden brauchst... ich bin für dich da!", hörte ich seine Stimme nach einer gefühlten Ewigkeit am anderen Ende der Leitung.
Überrascht schwieg ich.

Ein unglaublich tolles Mädchen...

"D-danke!", stotterte ich verwirrt. Es dauerte nicht lange, dann ertönte das wohlbekannte Tuten in meinem Telefon.

Egal was heute passiert war, das war wohl das Merkwürdigste an allem. Toby Sparks hatte mich angerufen. Mich, Josephine Adams.

Ich griff nach einem Stift und überlegte kurz, dann schrieb ich lächelnd einen Namen auf meine Notizen: Josephine Sparks.

Magic - N.H.||slow updatesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt