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Ich ließ mich an meinem Schreibtisch nieder und blickte auf meine Termine für heute. Den Papierkram, die Bearbeitung eines Auftrages und um drei das Meeting mit S.M Entertainment, dass ich meiner Freundin abgenommen hatte.

Wie immer kam sie zu spät, aber das schien niemanden zu stören, solange sie überhaupt kam und dann auch ernsthaft arbeitete. Sie ließ sich neben mir auf den quietschenden Schreibtischstuhl fallen und knallte mir ein Paket vor die Nase.

"Hier, deine Reißbällchen", meinte sie und pustete sich die kurzen Haare aus dem Gesicht, die ihr wild vom Kopf standen.

Ich riss den Korb auf und sog den wundervollen Geruch der selbst gemachten Backwaren auf, Jias Spezialität. Wie sie beim Backen nicht ins völlige Chaos ausbrach war mir schleierhaft, jedenfalls war sie eine großartige Bäckerin und ich konnte nicht genug davon kriegen.

Ich steckte mir einen davon in den Mund, die restlichen ließ ich im Korb und schloss ihn, damit sie nicht so schnell kalten wurden.

"Du weißt, was ich vom Essen am Arbeitsplatz halte, Kairi", machte Jia unseren Chef nach und kratzte sich an ihrem imaginären Schnurrbart, während ich anfing loszuprusten und mich fast an dem Reißbällchen verschluckte.
Wir wurden je in unseren Spielereien unterbrochen, als das Telefon klingelte und Jia den Hörer zum Ohr hob.

"Guten Tag", sagte sie und stützte ihren Kopf auf einer Hand ab, als würde sie sich bereits auf ein langes Gespräch einstellen.

Ich schluckte mein Reißbällchen herunter, bevor ich noch daran ersticktes und fuhr meinen Computer hoch um mich an die Arbeit zu setzen.

Ich hörte ihr nicht zu, als sie mit einem unseren Kunden telefonierte, denn ich konzentrierte mich auf meine Arbeit. Ich ließ mich meistens viel zu schnell von meiner Freundin ablenken, aber dadurch war stundenlanger Recherche wenigstens nicht ganz so trocken.

Ich suchte gerade nach einem geeigneten Ferienhaus für einen berühmten Schauspieler, dass schön weit abgelegen war und dessen Vermieter vertraulich waren, als Jia plötzlich zusammen zuckte und die Augen aufriss.

"Was ist los?", versuchte ich sie durch Lippenbewegungen zu fragen, während sie sich in meinen Arm krallte.

Sie formte etwas mit den Lippen, während sie in regelmäßigen Abständen ein zustimmendes "Hm" oder ein "Selbstverständlich" in den Hörer brabbelte. Ich starrte sie an und versuchte noch immer herauszufinden, weshalb sie so aufgeregt war.

Dann klemmte sie sich den Hörer unter das Ohr, ließ meinen Arm endlich los und machte mit den Fingern ein Zeichen. Sie streckte von jeder Hand drei Finger aus, so dass sie zu einander schauten. Dann formte sie ein X. Und dann ein Dreieck oder etwas ähnliches. Ich war völlig verwirrt und versuchte aus ihren Hieroglyphen etwas zu lesen, doch ich kam einfach nicht darauf, was sie mir mit weit aufgerissenen Augen versuchte mitzuteilen. Sie formte etwas mir den Lippen und ich gab mein bestes, doch ich kam nicht drauf. Sie rollte wütend mit den Augen, schaute mich bedeutungsvoll an und hob die Stimme.

"Natürlich werden wir uns um Ihre Jungs sehr gut kümmern. Nein, mit EXO haben wir vorher noch nie zusammen gearbeitet."

Und dann ging mir bei ihren bedeutungsschweren Worten ein Licht auf und ich wunderte mich selber darüber, dass ich die internationale Handzeichen nicht erkannt hatte. Jeder kannte EXO, selbst ich mit meinem beschränkten K-Pop Wissen. Wie sollte man sie aber auch übersehen? Sie waren einfach überall und ich glaubte mich sogar an ein oder zwei Lieder zu erinnern.

Aber wieso drehte sie deshalb so durch? Wir hatten schon mit Got7, SHINee, BTS, Super Junior und vielen mehr zusammen gearbeitet, was war an dieser Gruppierung von Jungen anders? Jia schien zumindest ganz aus dem Häuschen und als sie endlich auflegte, entglitt ihr ein Freudenschrei.

"Hast du das gehört?!", fragte sie und ich nickte langsam. "Wir werden mit EXO zusammen arbeiten! Deswegen hatte S.M Entertainment hier angerufene."
Sie schien überglücklich zu sein, während ich nur Bahnhof verstand, doch meine Freundin setzte bereits zur Erklärung an.

"Als ich noch relativ neu war, hat mich eine damalige Arbeitskollegin auf eine Veranstaltung mitgenommen, auf der wir für unsere Agentur Werbung gemacht haben. Das war dort wirklich öde, nur reiche Menschen und keinen Spaß! Jedenfalls habe ich mich da mit ein paar Leuten unterhalten, bis ich dann Kim Jong In kennengelernt habe.
Kairi, du hast keine Ahnung wie er war! Er ist so charmant und so unfassbar attraktiv. Und er war zuvorkommend und höflich, ich wäre beinahe in Ohnmacht gefallen!"

Ich blickte verwirrt drein.

"Wer?"

"Kim Jong In. Aus EXO."

"Von dem habe ich noch nie gehört", antwortete ich und sie schlug sich mit der Hand auf die Stirn.

"Kim Jong-In ist Kai von EXO! Kai ist nur sein Bühnenname. Sag mal, hörst du überhaupt deren Musik?"
Ich zuckte mit den Schultern, denn ich wollte nicht zugeben, dass ich mich nicht sonderlich gut in diesem Punkt auskannte. Zumindest sagte der Name Kai mir etwas und ich glaubte ihm sogar ein Gesicht zuordnen zu können.

"Ist das nicht der Tänzer?"
Sie riss die Arme hoch und klatschte in die Hände.

"Applaus für unseren Blitzmerker!"

Ich rollte mit den Augen und drehte mich wieder dem Rechner zu, bewegte die Maus um den schwarzen Bildschirm wieder hell aufblinken zu lassen und wollte mich gerade wieder auf die Arbeit konzentrieren, doch ich spürte noch immer ihre Blicke auf mir.

"Demnach gehe ich davon aus, dass du es bevorzugen würdest, den Auftrag zu übernehmen?", fragte ich.

"Bist du bescheuert?"

Völlig irritiert drehte ich mich zu ihr um. Ich verstand sie echt nicht mehr, eben hat sie mir noch von dem ach so großartigen Kai geschwärmt, aber ihn treffen wollte sie nicht?

"Ich kann ihm doch nicht als Angestellte vor die Augen treten!"

Mein Kopf traf die Tischplatte und ich blieb noch einen Moment so liegen. Sie war so unmöglich.

"Außerdem muss ich immer noch die ganzen Sachen erledigen, die ich dir gestern schon aufgezählt habe! Auch wenn ich wollte, könnte ich den Auftrag auf keinen Fall mehr unterbringen. Und ich hab dir Reißbällchen gemacht, denke dran."
Ich seufzte.

"Gut, ich mach es."

"Und du gibst ihm meine Nummer", fügte sie hinzu.

"Nicht dein Ernst?"

"Doch!"

Ich ließ meinen Kopf auf der Tischplatte liegen und schloss genervt die Augen. Na super.

~My beautiful Black Pearl~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt