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"Ich fahr dich zur Arbeit", verkündete Yoora und blickte stolz auf mich herunter.

Unwillig löste ich den Blick vom Bildschirm und führte den letzten Löffel Müsli zum Mund. Was hatte sie denn plötzlich gestochen? Sie hatte noch nie angeboten mich zu fahren, sie zog mich eher damit auf, dass ich öffentliche Verkehrsmittel nutzte. Sie gab generell gerne damit an, dass sie die einzige war, die genug Geld verdiente um ein Auto zu haben.

"Wieso?"

"Du bist meine kleine Schwester und ich möchte dir etwas Gutes tun!"

"Willst du nicht. Wieso, Yoora?"

Sie strahlte mich immer noch fröhlich an und ich kaute misstrauisch auf meinem Müsli herum. Ich stellte die Schale ab, streckte mich und erhob mich schließlich von der gemütlichen Couch. Jiho war bereits los, weil er sich irgendwo bewarb, während Yoora zu meiner Überraschung jetzt schon vor der Arbeit herum nervte. Normalerweise schlief sie länger.

"Gibt keinen Grund", meinte sie lächelnd.

Gut, ich würde es schon noch heraus finden. Ich ging also auf ihren Deal ein, zog mich schnell an und band mir meine dunklen Haare hoch, damit sie mir nicht immer ins Gesicht hingen. Wenn sie das schon anbot, konnte ich es wenigstens nutzen, ihre Beweggründe waren mir gerade ehrlich gesagt egal.

Ich folgte ihr nach draußen und dort wartete bereits ihr cremefarbener Zweisitzer. Ich blickte auf mein Handy nieder, als sie neben mir einstieg und das Auto startete. Ich hatte keine neuen Nachrichten. Wieso schrieb er mich nicht an? Hatte ich irgend etwas falsch gemacht? Ich hatte ihm aber die richtige Nummer gegeben, da war ich mir sicher. Mir entglitt ein frustriertes Seufzen, doch Yoora ignorierte es glücklicherweise.
Wir fuhren gerade auf eine der breiten Hauptstraßen, als sie mich neugierig anschaute.

"Also wohin fahren wir?"

"Zu meiner Arbeit."

"Und wie ist die Adresse?"
Verwirrt wandte ich mich ihr zu.

"Du weißt wo ich arbeite. Du bist schon tausend mal unangekündigt herein geplatzt!"

"Aber heute musst du bestimmt nicht zu deiner Arbeit", bemerkte sie und schenkte mir einen wissenden Blick, der mich noch mehr verwirrte.

"Rück raus mit der Sprache oder ich steige sofort aus."
Sie seufzte und legte den Kopf in den Nacken.

"Ich fahr dich zu deinem Termin! Jiho hat es mir erzählt..."

"Hat dir was-?" Da wurde es mir schon klar. "Du hoffst, dass ich zu Exo's Haus fahre?! Deswegen das ganze Theater? Damit du sie stalken kannst?!"

"Wieso bist du sauer?! Ich bin unfassbar enttäuscht, dass du diese Neuigkeit nicht deiner großen Schwester erzählst!"

"Weil ich ganz genau weiß, wie du reagierst! Und hier ist der Beweis dafür! Ich fasse es nicht."

Ich verschränkte wütend die Arme vor der Brust und Yoora wuschelte sich genervt durch die Haare. Genau diese Situation zeigte, wie es immer nur um sie ging. Sie wusste von meiner Schweigepflicht, generell war ihr Verhalten einfach unmöglich.

"Lass mich raus, Yoora."

"Stell dich jetzt nicht so an, kleine Schwester!"

"Ich soll mich nicht so anstellen? Du versuchst mich schon wieder auszunutzen."

"Ausnutzen?!"

Sie drückte die Bremse etwas zu stark, als wir auf Grund einer Ampel zum Anhalten gezwungen wurden.
"Du bist meine Schwester und du kennst meine Träume! Du weißt wie sehr ich eine Rolle in einem Drama haben will und du machst rein gar nichts um mich zu unterstützen."

"Das ist auch nicht meine Aufgabe! Ich hab mit meiner Arbeit genug zu tun, da muss ich mich nicht auch noch mit deinen dämlichen Träumen rumschlagen, die du am Ende sowieso erreichst. Durch pures Glück!"

"Was redest du da? Ich arbeite hart für meinen Erfolg!"

Ich schnaubte wütend und spürte sofort ihren funkelnden Blick auf mir. Sie war sauer, wahrscheinlich hätte ich das auch nicht sagen dürfen. Aber es war die Wahrheit und ich würde es bestimmt nicht zurück nehmen!

"Steig aus", sagte sie.

Fassungslos starrte ich sie an. Das war nicht ihr Ernst. Sie schmiss mich raus? Ich hatte zwar eben noch gesagt, dass ich gehen wollte, doch heraus geschmissen zu werden war etwas anderes. Das kratzte an meiner Ehre. Und es verletzte mich.

Wir standen gerade wieder an einer roten Ampel und ich blickte sie nur wütend an, packte meine Tasche und öffnete die Autotür mit einem starken Ruck. Wie ich sie manchmal hasste.

Ich schwing die Beine aus dem Auto, hievte mich heraus und knallte die Tür zu. Ich rannte schnell zum überfüllten Gehweg und gliederte mich ohne mich noch einmal umzudrehen in die Menschenmassen ein.

'Werde zu spät kommen. Yoora', sendete ich an Jia.

'Wie immer?'

'Schlimmer.'

~My beautiful Black Pearl~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt