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Ich klingelte nicht, sondern schob meinen eigenen Schlüssel in das Schloss um die Haustür zu öffnen. Wahrscheinlich waren sie mit irgendwelchen Sachen beschäftigt, zum Beispiel Training, und da wollte ich mit dem nervigen Geklingel nicht dazwischenfunken.
Es waren wohl alle Zuhause, denn PoTo stand am selben Platz wie immer und als ich den Flur betrat, blickte ich auf das alltägliche Chaos nieder. Soweit ich sehen konnte, fehlten keine Schuhe.

Ich schlüpfte leise aus meinen Schuhen, zog mir die rosafarbenen Hausschuhe an und legte meine Jacke ab. Ich trug eine Jeans und einen Pullover, das schicke Kostüm, dass ich an meinem ersten Tag getragen hatte, hing nutzlos im Schrank herum. Niemand erwartete, dass ich zurechtgemacht hier auftauchte und so hatte ich wieder meine flachen Schuhe für mich entdeckt. Ich war nicht einmal geschminkt, aber so hatten sie mich die letzten Tage bereits kennengelernt.

Ich ging zielsicher auf das Wohnzimmer zu, als ich Stimmen in der Küche hielt. Die Tür war nur angelehnt und ich wollte gerade eintreten und hallo sagen, als die als nächstes gesagten Worte mich in der Bewegung Inne halten ließen.

"Hast du endlich mit ihr geredet?", fragte Kyungsoo mit seiner ruhigen Stimme.

"Nein", antwortete sein Gesprächspartner und ich erkannte sofort Jongin in ihm.

"Wieso nicht? Neulich warst du noch davon überzeugt sie nach einem Date zu fragen."

"Ich habe es ja versucht... Aber der Moment hat einfach nicht gepasst", erwiderte Jongin murmelnd.

Ich biss mir nervös auf der Unterlippe herum, hielt die Luft an um mich nicht zu verraten. Natürlich wusste ich, dass es falsch war zu lauschen, doch ich konnte nicht anders. Ich musste wissen, worüber sie redeten. Ob sie über mich redeten. Ob Jias Vermutung sich bestätigen könnte.
Ob Jongin mich tatsächlich mochte.

"Was heißt hier, der Moment hat nicht gepasst? Es gab tausende geeignete Momente, sie ist jeden Tag hier. Sie war mit uns frühstücken und du hast sie abgeholt und weggebracht. Und immer wart ihr alleine, wie hast du da den Moment verpassen können?", fragte Kyungsoo, doch seine Stimme klang neutral und nicht anklagend.

Damit war mir klar, dass es tatsächlich um mich ging. Und irgendwie breitete sich Verständnislosigkeit in mir aus, wie jemand wie Kim Jongin mich auch nur ansatzweise mögen könnte. Ich fühlte mich nicht einmal geschmeichelt, ich war einfach nur verwirrt und wollte mehr Antworten.

"Vielleicht hab ich mich auch einfach nicht getraut...", gab er zu.

"Ganz genau. Jongdae hat sich getraut und du siehst, dass es sich gelohnt hat. Wart ihr nicht auch alleine im Fahrstuhl?"

Das war es gewesen, was er hatte sagen wollen. Ich Idiot hatte keine Ahnung gehabt, hatte in völlig falsche Richtungen gedacht. Ein Date. Jongin hatte mich nach einem Date fragen wollen.

"Ja, waren wir. Und ich hätte sie auch beinahe gefragt, aber dann waren wir schon unten und... Ich weiß es doch auch nicht. Sie bringt mich aus dem Konzept."

Ich biss mir auf die Lippe und wurde rot. Dieser Satz hätte auch von mir kommen können, denn Jongin musste mich nur ansehen um mich aus dem Konzept zu bringen. Das aus seinem Mund zu hören war surreal.

"Du bist anstrengend, Jongin", seufzte Kyungsoo.
Und diesen Satz hatte ich auch schon mal zu ihm gesagt.

"Ich kann dir auch nicht bei allem helfen, das musst du schon selber hinkriegen."

"Sie geht mit Jongdae aus, da kann ich sie jetzt schlecht noch fragen... Ich war zu langsam, fertig. So ist das Leben", sagte der Junge plötzlich energischer als zuvor, beinahe wütend, und ich wich etwas von der Tür zurück.

"Alles nur Entschuldigungen", tat Kyungsoos es mit seiner ruhigen Stimme ab.

"Weil du es ja auch besser weißt."

Es herrschte Stille und irgendetwas sagte mir, dass es Zeit war zu gehen, bevor ich mich in eine unangenehme Situation bringen würde. Doch mein Gehirn versuchte noch zu verarbeiten, was ich gerade mitbekommen hatte.

Jongin hatte mit mir ausgehen wollen. Jia hatte recht. Ich glaubte nicht, dass Jongin irgendetwas auf Beziehungsebene für mich empfand, er fand mich vielleicht interessant und wollte mich besser kennen lernen. So wie Jongdae. Ich war überfordert, verwirrt. Wieso? Wie konnte das sein? Wie konnte ein derart attraktiver und perfekter Mensch mich interessant finden?

"Ich will nur eins gesagt haben: Irgendwann ist es zu spät. Beeil dich oder du hast deine Chance vertan, sie wird nicht ewig alleine bleiben."

Ich schluckte und wandte mich ab, ging schnell aber leise zum Wohnzimmer und riss die Tür auf. Joonmyun, Minseok und Baekhyun saßen auf der Couch und spielten an der Konsole. Sie blickten auf, als ich eintrat und begrüßten mich, ich antwortete schnell und verneigte mich schwach.

Das war alles so unwirklich, ich war so verwirrt. Es hatte mich schon genug aus dem Konzept gebracht, als Jongdae mich gefragt hatte ob ich mit ihm ausgehen würde, doch dieses indirekte Geständnis, das ich gerade mitbekommen hatte, ließ meine Gedanken nur noch mehr kreisen.

Was empfand ich für Jongin? Was empfand ich für Jongdae? Wie im Himmelsnamen passte das alles zusammen, wie sollte ich auch nur ansatzweise meine Gefühle sortieren?

"Alles okay?", fragte Joonmyun, während die anderen bereits wieder den Blick auf den Bildschirm gerichtet hatten.

Nein, ehrlich gesagt war gerade gar nichts okay. Mein Kopf schien zu platzen vor herumfliegenden Gedankenfetzen, mein Herz schmerzte auf eine seltsame Art und Weise und mein Magen war gefüllt mit allerlei Gefühlen, denen ich keine Namen zuordnen konnte. Mein ganzer Körper war verwirrt.
"Ja, alles okay, bin nur etwas durch den Wind."

"Dann ist ja gut. Setz dich doch oder willst du zu Jongdae? Er ist im Probenraum mit Chanyeol oder so."

"Danke", murmelte ich und huschte an den drei vorbei, damit ich sie nicht länger von ihrem Spiel abhielt.

Im verbotenen Flur wurden meine raschen Schritte wieder langsamer und ich atmete kurz tief durch. Alles war okay. Das würde sich in meinem Kopf schon noch alles sortieren. Ich musste all das erstmal sacken lassen, selbst das Date hatte ich noch nicht ganz verdaut, dann würde alles wieder einen Sinn machen. Doch ich wusste nicht ganz, was ich mit all den Informationen anfangen sollte. Jongdae wollte mit mir ausgehen. Jongin wollte mit mir ausgehen.

Und ich? Was wollte ich?

Ich wusste es nicht.

Und eine kleine Jia in meinem Kopf klatschte nun zufrieden in die Hände und stemmte die Fäuste in die Hüften, mit besserwisserischer Miene sagend: "Ich hab's dir ja gesagt."

Natürlich.

[Auf den Collagen sind Jongdae (oben) und Jongin (unten) zusehen]

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[Auf den Collagen sind Jongdae (oben) und Jongin (unten) zusehen]

~My beautiful Black Pearl~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt