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'Willst du herkommen? Ist ziemlich krass, oder? Tut mir Leid, dass du da mit reingezogen wurdest', schrieb Jongdae.

Ich starrte auf mein Handy nieder und mir war nach Heulen zu Mute.

'Bin schon auf dem Weg. Jia fährt mich. Kann sie mit rein kommen?'

'Natürlich.'

Ich blickte auf den Chat nieder und war irgendwie froh über die Unterstützung. Tatsächlich saßen wir bereits in Jias vollgemüllten Auto und kämpften uns durch den zähen Verkehr von Seoul. Ich war fertig mit den Nerven, könnte noch immer nicht ganz fassen, was gerade vor sich ging.

Vielleicht sollte ich mein Handy ausmachen, damit ich nicht mehr die ganzen Hass-und Drohnachrichten auf Twitter und Instagram bekam, doch ich konnte es nicht. Ich konnte nicht auf diesen kleinen Knopf drücken, um mich selber von der Qual zu erlösen. Ich konnte es einfach nicht und ich wusste nicht einmal wieso. Der Fehler war, sich die Nachrichten durchzulesen. Mittlerweile waren sie nicht mehr auf koreanisch, sondern auch chinesische, japanische und englische Nachrichten. Und Sprachen, von denen ich noch nie gehört hatte. Mein Gehirn war überfordert.

"Mach das Ding aus, Kairi", meinte Jia und trug ein ernstes Gesicht.

"Ja, gleich...", murmelte ich und scrollte weiter durch die Bilder.

Mittlerweile teilten sie auch meine Bilder und trotz der ganzen Wut, bekam ich tausende von Likes, Retweets und Follower. In kürzester Zeit würde ich so etwas wie berühmt und wahrscheinlich war auch das ein Grund, weshalb ich das Handy nicht ausschalten konnte. Ich musste es sehen, diesen Wandel. Nicht, weil ich im Mittelpunkt stehen wollte, sondern weil ich nicht fassen konnte, was vor sich ging.

"Kairi, ich nehme dir das gleich weg!"

Ich antwortete nicht, überflog nur all die neuen Mitteilungen und die, die sekündlich dazu kamen. Es waren keine netten Nachrichten, denn ich wurde beschimpft wie niemals zuvor und das gleich in mehreren Sprachen. Doch zwischen all den Hassnachrichten waren auch Glückwünsche und das verwirrte mich mit am meisten. Mädchen allen Alter schrieben mir, wie glücklich sie für mich waren und dass eine schöne Beziehung mit ihm zu führen schien. Wenn die bloß wüssten, dass da nichts wahres dran war!

Jias Hand schnellte vorwärts, packte mein Handy und schleuderte es in ihren Fußraum.

"Hey!"

"Sonst hörst du nie auf!"

Ich schwieg und nickte nur. Wahrscheinlich hatte sie recht. Diese ganze Sache lastete auf mir, war ein Knoten in meiner Brust und schnürte mir die Luft ab. Und je mehr ich mich versuchte dagegen zu wehren, so mehr schmerzte mir die Brust.

"Wir sind gleich da. Bist du okay?"

"Ich glaube schon."

Dabei war ich mir nicht so sicher. War ich okay? Es war alles so verwirrend, ich war einfach restlos überfordert mit der Situation. Ich fühlte mich hilflos, war verletzt von den bösen Worten der Fans und verängstigt von so viel Aufmerksamkeit. Ich war in der Zeitung. Menschen, die mich kannten, würden mich erkennen. Und mit Sicherheit würde ich meinen Job verlieren. Definitiv.

Irgendwie hatte ich mich vor ihrer Frage nicht so schlecht gefühlt. Es kam alles hoch und ich kämpfte die Tränen zurück. Nein, ich würde nicht weinen. Nicht hier und nicht jetzt. Das war einfach alles zu viel, aber es würde vorüber gehen. Sie würden es vergessen, Chanyeol wird das aufklären. Alles wird wieder gut.

"Alles wird wieder gut, Kairi."

Dafür liebte ich sie. Dafür, dass sie wusste, was in mir vor ging. Sie nahm meine schwitzige, zitternde Hand und drückte sie kurz, dann legte sie sie zurück aus Lenkrad.

Zwanzig Minuten später fuhren wir in die Zielstraße ein und wir hielten vor dem Haus, vor dem Jia mich die letzte Zeit bereits mehrmals abgeholt hatte. Dass das eigentlich gegen die Regeln unserer Agentur sprach, war mir gerade sowas von egal. Ich war wahrscheinlich sowieso bald arbeitslos.

"Bereit?"

Ich nickte und sie parkte neben der Hecke. Wir stiegen aus und dann gab ich bereits den Code in das Sicherheitssystem an, worauf wir das Grundstück betraten. In der Tür lehnte bereits Chanyeol, er trug einen dicken Rollkragenpullover und eine gemütlich wirkende Jeans. Sein Gesicht war so ernst, wie ich es noch nie vorher gesehen hatte und das ließ mich schlucken.

"Hey", murmelte er, als wir auf ihn zu kamen.

Und dann tat er das, was ich gerade brauchte: Er streckte die langen schlaksigen Arme aus und ich fiel ihm in die Arme und versenkte mein Gesicht in seinem Pullover. Das er viel zu groß und ich viel zu klein für diese Umarmung waren, war völlig egal. Wahrscheinlich sah es unbeholfen und seltsam aus, doch es spendete mir ein wenig Kraft und ich hatte nicht mehr das Gefühl, sofort los heulen zu müssen.

"Kommt erstmal rein", hörte ich Kyungsoo hinter ihm in der Tür und wir ließen uns wieder los.

Er beugte sich an dem viel größeren Chanyeol vorbei und grüßte mich mit einem kurzen Nicken, ebenso Jia hinter mir. Dann legte er mir eine Hand auf die Schulter und führte mich mit leichtem Druck ins Innere des Hauses. Seine ruhige Art half mir etwas Fassung zu gewinnen und ich fixierte die Wohnzimmertür vor mir, während ich Jia und Chanyeol leise im Hintergrund flüstern hörte.

Ich drückte die Klinke nach unten und blickte sieben besorgten und ernsten Gesichtern entgegen. Jongdae sprang auf, als er mich erblickte und schlang mich sofort in eine herzhafte Umarmung. Und dann folgten die anderen. Alle nahmen sie mich in den Arm und das war das Problem, weil es mich schon wieder emotional machte und mir wieder die Tränen in die Augen stiegen. Nein. Ich würde nicht heulen. Ich zwang mich den Kloß im Hals wieder herunter zu schlucken und blinzelte auffällig viel.

Dann setzten wir uns auf die mir allbekannte Couch und wie selbstverständlich legte der bisher ruhige Jongin einen Arm um meine Schulter und ich drückte mich dankbar an ihn.

"Wie hast du es mitbekommen?"

"Eifersüchtige Schwester und tausende Nachrichten auf meinem Handy", murmelte ich und schluckte erneut.

"Das tut mir so Leid!"

"Du kannst doch nichts dafür, Chanyeol. Ich will nur, dass das schnellstmöglich geklärt wird, weil ich sonst ziemlich schnell meinen Job los bin."

Und dann fing ich doch noch anzuheulen.

~My beautiful Black Pearl~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt