28. All these questions

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"Sprich!", forderte ich ihn erneut auf, als er endlich stehen blieb.

Den ganzen Tag über war er mir ausgewichen. Hatte mich zwar die ganze Zeit über mit Blicken schier durchbohrt, war aber zu keinem Gespräch bereit gewesen. So hatte ich nach Schulschluss meine letzte Chance ergriffen und hatte ihn noch am Tor abgepasst. Er würde mir nicht so einfach davon kommen.

"Nicht hier.", antwortete er schließlich, sah sich verzweifelt um und packte mich schließlich am Handgelenk.

"Was?", stammelte ich und versuchte mich los zu reißen.

Kieran sagte nichts mehr und schliff mich weiter mit sich. Ich erkannte, dass Widerstand momentan völlig zwecklos war. Da er um einiges stärker schien, seinen Griff nicht ansatzweise lockerte und ich meine Antworten wollte, ließ ihn gewähren. Kieran lotste mich wieder in die Schule, den großen Hauptgang entlang, zur Treppe.

Langsam ahnte ich wohin es ging. Kurz darauf erreichten wir die Bibliothek. Innerlich klopfte ich mir brav auf die Schulter.

Kieran sah sich noch ein letztes Mal um, bevor er mich unsanft in den Raum stieß und die Tür hinter uns schloss.

"Jetzt..." Er legte seine Hand auf meinen Mund bevor ich ausreden konnte.

Was bildete er sich ein?

Ich würde mich nicht abwimmeln lassen, kein weiteres Mal. Also was auch immer dieses Gehabe soll, er konnte es sich sparen. Gerade als ich ihm diese Worte an den Kopf knallen wollte, kehrte er mir den Rücken zu.

Der erste Laut meiner Schimpftriade verklang ungehört. Perplex sah ich ihn an, bis schließlich etwas wie Wut in mir hochkochte.

Kieran setzte sich zaghaft in Bewegung und schlich beinahe lautlos durch die Gänge. Verwirrt legte ich den Kopf schief und beobachtete ihn. Was sollte dieses Ninja Gehabe? Ich weiß man soll seinen Traum leben und so. Ging das nicht etwas zu weit?

Vielleicht sollte ich ihm ein Samurai-Schwert zum Geburtstag schenken. Dann würde er eventuell nicht mehr von Frauen vermöbelt, so wie gestern. Es war im Nachhinein gesehen schon ganz witzig gewesen.

Wann hatte er überhaupt Geburtstag?
Wieder wurde mir bewusst, wie wenig ich doch von ihm wusste. Das würde ich definitiv nicht zu ändern wissen.

"Wir sind allein.", erklang es plötzlich hinter mir. Ein Quieken entwich meiner Kehle und ich machte einen Satz nach vorn.

"Nicht so schreckhaft.", versuchte Kieran mich zu beruhigen, doch ich fasste mir ans Herz.

"Mach das nie wieder."

"Als könntest du mich daran hindern.", stellte er trocken fest und fuhr sich durchs Haar.

"Wer hat denn gestern gegen eine Frau verloren? Ich hab dir den Arsch gerettet, auch wenn ich keine Ahnung habe was das war.", motzte ich ihn an.

"Und wer hat dich am See aus dem Wasser gefischt?"

"Wer hat mich denn erst in den See geschmissen?" Entrüstet lief ich im Gang auf und ab, während ich überlegte, weshalb mein Leben auf einmal so aus den Fugen geriet.

"Es war nicht meine Idee quer über den See zu schwimmen.", entgegnete er nach einer kurzen Pause.

Dieses Gespräch führte zu nichts. Weshalb ich ihm ein knappes Ende setzte: "Wir hatten beide Schuld. Okay?"

Kieran schnaufte nur, was ich als Zustimmung deutete.

"Was willst du wissen?", fragte er schließlich.

Wer war das gestern?
Was wollten sie von mir? Oder uns?
Woher hatte er von dem Angriff gewusst und mit mir fliehen wollen?
Woher kam der Blitz, der mich getroffen hatte?
Wieso bin ich durch die Luft geschwebt?
Was hatte er mit dem Ganzen zu tun?
Warum war er so gelassen und unbeeindruckt?

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