Unsicher, was mit mir anzufangen, stand ich in meiner Zimmertür und betrachtete Kieran, der vor meinem Schreibtisch stand und zu grübeln schien.
Meine Ma hatte ihn mit offenen Armen empfangen und sofort hereingebeten. Ich hatte gelauscht und mitbekommen, wie er nach mir fragte. Meine Ma hatten sich natürlich um Kopf und Kragen geredet und ihn schließlich zum Essen eingeladen. Nur hatte er dieses Mal nicht abgelehnt.
"Es ist hier, mh?", sagte er mit belegter Stimme und räusperte sich, während er sich im Raum umsah.
"Kann man denn nichts tun, ohne, dass die ganze Welt davon erfährt.", schnaufte ich gereizt, als ich endlich verstand wovon er sprach. "Ja, es ist hier."
Vorsichtig lehnte ich mich in den Türrahmen. Warum hatte ich mein Fenster nicht zugelassen? Es war zwar mehr als notwendig zu reden, aber ich war auch mehr als fertig. Kieran nickte.
"Ich kann es spüren.", entgegnete er abwesend und deutet auf meinen Schrank. "Dürfte ich?"
Desinteressiert zuckte ich mit den Schultern. "Solange du die Kommode nicht öffnest." Meine Unterwäsche ginge ihn wohl kaum etwas an. Einen kurzen Moment darauf zauberte er den Schuhkarton hervor. Ich sollte ein besseres Versteck dafür suchen.
"Wie hast du das gemacht?", erkundigte ich mich neugierig. Hielt daraufhin direkt einen Moment inne um zu testen, ob ich es auch 'spürte'. Kopfschüttelnd öffnete ich meine Augen.
Das Einzige, was ich mit aller Intensität wahrnahm, war Kieran. Gutheißen konnte ich das allerdings nicht.
"Wie bereits gesagt, ich spüre es. Das Buch... Es ist als ruft es nach mir." Letzteres war nur noch ein flüstern.
Er legte es sorgsam auf dem Tisch ab und es wirlte als würde er erst jetzt den Block bemerken. Kieran schien die Worte zu überfliegen, obwohl es nicht viel zu überfliegen gab und ich meine ein leises Lachen zu hören.
"Du bist ja wirklich erstaunlich weit gekommen.", bemerkte er belustigt.
Endlich trat ich in den Raum und schob die Tür etwas ran. Mein Scheitern war mehr als offensichtlich, da konnte ich mich noch so rausreden, es würde nichts helfen. "He! Ich war auf mich allein gestellt und bin bereits am Titel gescheitert.", beichtete ich und ließ mich auf dem freien Stuhl nieder.
Kieran stand mit verschränkten Armen neben mir und musterte mich schweigend. Sicher wartete er darauf, dass ich ihn mit Fragen nur so löcherte, doch wollte ich es dieses Mal anders angehen. Die Augen starr an die Wand gerichtete, wartete ich, dass er sprach.
Ich sah mir einige Zeichnungen an, dich ich an meine Magnetwand gepinnt hatte. Eigentlich war die ganze Magnetwand voll damit, die untersten Bilder mochte man nur an winzig kleinen Ecken erkennen.
Da hefteten sich meine Augen auf ein Bild, jedenfalls einen halb verdeckten Ausschnitt davon, von dem ich längst dachte, es zerrissen zu haben. Kieran. Es war das allererste Porträt von im gewesen.
Ob er es gesehen hatte? Ich sah zu ihm auf und bemerkte wie er meinem Blick gefolgt war.
Zögernd streckte er die Hand aus und schob das überlappende Bild beiseite. Es war eine kleine Kritzelei von mir gewesen, lediglich ein Mädchen, dass in die Sterne schaut.
Bedächtig entfernte er das Bild von der Wand und nahm es genauer unter die Lupe. Keiner sprach ein Wort. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so ruhig war es.
Ganz ungeniert betrachtete ich Kieran. Es war ungewohnt mit diesem intensiven grün in den Augen, doch ich mochte es. Es machte ihn wirklich noch einen kleinen wenig attraktiver.
"Ich mag das.", sagte ich leise. Er drehte fragend den Kopf zu mir. "Deine Augen. Ich mag dieses grün."
Ein Schmunzeln glitt über seine Lippen, doch verschwand recht schnell wieder, als er das Datum des Bildes erblickte. Das Bild war von Februar dieses Jahres. Eine Zeit zu der wir uns unmöglich gekannt hatten.
Ich erwartete einen neckischen Kommentar, irgendetwas, womit er mich mal wieder auf die Palme brachte, doch er legte das Bild ohne weiteres beiseite.
"Veritas bedeutet Wahrheit.", begann er zu erzählen und ich nahm langsam das Buch in die Hand. Sanft strich ich über die Buchstaben, sie verschwammen.
Die Buchstaben wurden durch völlig neue ersetzt. 'Lux', las ich nun.
"Licht.", wisperte ich. Keine Ahnung woher ich diese Eingebung nahm, noch nie hatte ich Lateinunterricht gehabt, dennoch war ich mir ziemlich sicher.
Kieran nickte und strich selbst einmal darüber. 'Libertum'
"Freiheit. Dieses Buch hat viele und doch keinen Namen.", sprach er.
Willkürlich begann ich zu sprechen: "Wo wir gerade bei Namen sind."
"Du hast es gesehen.", stellte er fest und schlug das Buch auf. Mein Finger zeigte auf die entsprechende Stelle, Nummer 100. "Was hat es damit auf sich?"
Kieran fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schloss die Augen. "Was denkst du denn?", fragte er mich.
"Das ist eine Todesliste." Kieran lachte, doch es klang keineswegs glücklich. Er brummte verstimmt: "So kommt es mir manchmal vor, ja. Im Grunde ist es aber nur eine Liste derer, die das Buch lesen können."
Da hatte ich auch meine Bestätigung, dass es sich bei Nummer 1 um Kieran handelte. "Aurelio also...", bemerkte ich und knuffte ihn in die Seite. Er reagierte nicht darauf.
"Ich bin nicht stolz auf diesen Namen.", erklärte er kalt und schlug die Seiten um.
"Warte doch mal!", meinte ich und schob meine Hand dazwischen. "Was ist mit den anderen?"
Kieran's Blick wurde wehmütig, während er die Namen betrachtet. "Ich kannte ein paar von ihnen. Einer hat dieses Buch verfasst." Mit dem Zeigefinger deutete er auf einen der Namen. Die Nummer 55.
Pim Tuddels
Das war mal ein... außergewöhnlicher Name.
Kieran hielt die Luft an und fügte hinzu: "Pixie." Pixies? Diese kleinen fliegenden Figürchen? Das wurde ja wahrlich immer besser. "So ähnlich wie Elfen?", erkundigte ich mich, stand langsam auf und lief etwas hin und her um mein Gemüt zu beruhigen."Elfen haben keine Flügel. Dann meinst du wohl eher Feen.", berichtigte er mich.
Ich machte einfach nur irgendeine komische Handbewegung und ließ mich längst auf das Sofa fallen. "Ich hab keine Ahnung von diesem ganzen Hokuspokus. Das ist alles so ... chaotisch.", nuschelte ich unverständlich in eines der Kissen.
Kieran stand wahrscheinlich immer noch am Schreibtisch, doch ich spürte nur allzu deutlich, dass er mich betrachtete.
Die Tür flog auf und May sprang ins Zimmer. Ich hörte wie sie über den Fußboden tapste und sich schließlich auf mich warf. "Das Essen ist fertig.", verkündete sie stolz und stand langsam von mir auf.
"Bist du mit deinem Geheimauftrag fertig?", erkundigte ich mich und setzte mich langsam auf.
"Nein.", sie kicherte und schielte zu Kieran. "Ich dachte du triffst dich nicht mit ihm."
"Dachte ich auch. Aber dann stand er vor unserer Tür und Ma lud ihn zum Essen ein.", meinte ich und trat in den Flur.
Als Kieran und May mir nicht folgten, drehte ich mich auf halber Treppenhöhe verwirrt um.
Aus dem nicht schoss Kieran mit May auf den Schultern aus der Tür und an mir vorbei, sie konnte sich kaum halten vor Lachen. "Du kriegst uns nicht!", rief sie mittendrin, als ich versuchte die beiden einzuholen.
Natürlich erreichten sie als erster die Küche und führten einen wirklich seltsamen Siegestanz auf.
Ja, sie beide tanzten und ich lag beinahe in der Ecke vor Lachen.
In Kieran steckte also doch noch ein waschechtes Kind. Ich schmunzelte bei diesem Gedanken.
_____________________________________________Mal eine andere Seite von Kieran? Ich weiß es selbst nicht so wirklich :D Muss jetzt erstmal noch ein CV für Englisch schreiben. Wünscht mir Glück ;) Man sieht sich.
eure stieli_29
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Begebenheiten
FantasyWinter ist 17, vor kurzem ist sie umgezogen und schon seit längerem zeichnet sie Bilder eines mysteriösen Jungen. Als dieser dann plötzlich vor ihr steht, ist sie vollkommen sprachlos. Doch das sollte nicht die einzige ungewöhnliche Bekanntschaft bl...