3. Robin

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Um viertel über sieben, stand ich vor dem Restaurant und blickte durch die Glasfront hinein. Damit mich Jodie nicht sofort erkennen würde, hatte ich meine Baseball Cap tief in mein Gesicht gezogen. In so einem noblen Restaurant war das aber nicht unbedingt die beste Tarnung. Als ich sie erblickte, schlug mein Herz augenblicklich doppelt so schnell. Doch das Hochgefühl hielt nicht lange an, bevor der Schmerz zurückkam. Mein Magen zog sich zusammen und es bildete sich ein riesen Kloß in meinem Hals. Es fühlte sich so falsch an, sie dort mit einem anderen Mann zu sehen.

Scott schien in seine Ausführungen vertieft, doch Jodie zeigte kein besonderes Interesse. Ich konnte von hier sehen, dass sie sich langweilte. Plötzlich streichelte Scott ihr zärtlich über die Finger. Das Blut in meinen Adern schien zu gefrieren. Am liebsten wäre ich geradewegs auf die beiden zugelaufen und hätte Scott mitten im Restaurant verprügelt. Mittlerweile wusste ich aber wie sehr es Jodie hasste, wenn ich ihretwegen so durchdrehte. Außerdem war das auch nicht mein Stil, da ich normalerweise niemals eifersüchtig war. Deswegen versuchte ich meine Mordgedanken zu verdrängen. Als ich wieder zu den beiden blickte, zog Jodie ihre Hand weg und lächelte ihn entschuldigend an. Erleichterung machte sich in mir breit. Sie will dich nicht. Denn auch wenn sie es nicht zugeben will, liebt sie mich immer noch. Die Schadenfreude ließ mich automatisch grinsen.

Zwei Mal atmete ich tief durch, bevor ich vor das Pult trat, um mich zu einem Tisch bringen zu lassen. „Tisch für eine Person, Mr. Bradley?", fragte die zierliche Angestellte. Ich nickte und fragte dann: „Können Sie mir bitte den Tisch hinter Scott Thompson geben? Den hinter der Blumenwand? Und wäre es möglich durch den Hintereingang zu dem Tisch zu kommen?"

Sie blickte mich abschätzend ein: „Mr. Bradley, ich möchte Ihnen wirklich nicht zu nahe treten und keinesfalls möchte ich den Eindruck erwecken, als wären sie nicht einer meiner Lieblingsgäste. Ganz im Gegenteil, sie geben immer ein großzügiges Trinkgeld und sind noch nie unangenehm aufgefallen. Trotzdem würde ich Sie gerne darauf hinweisen, dass es wahrscheinlich nicht gerade das Klügste ist, seiner Ex Freundin nachzuspionieren."

Erwischt.

„Ich habe nicht vor ihr nachzuspionieren. Das müssen Sie mir glauben. Es geht mir nur darum einen Weg zu finden, wie ich sie wieder zurückgewinnen kann. Ich weiß, alles was man auf dem Video von uns beiden zu sehen bekam, lässt nicht gerade darauf schließen, dass ich ein hoffnungsloser Romantiker bin. Aber ich liebe diese Frau und ich brauche sie wie die Luft zu atmen. Bitte, geben sie mir die Chance ihr nahe zu sein, bis ich mir einen Plan zurechtgelegt habe, wie ich sie davon überzeugen kann zu mir zurück zu kommen." Meine Schauspiellehrer wären stolz auf mich. Ich hatte es geschafft meine Stimme zittern zu lassen und mit glasigen Augen an ihr Herz zu appellieren. Innerlich grinste ich. Auch wenn ich mich außer mit Jodie, nie wirklich auf eine Beziehung eingelassen hatte, wusste ich offenbar immer noch, wie man mit Frauen sprechen musste, um sie rumzukriegen.

An dem verzückten Lächeln, welches sich auf ihren Lippen gebildet hatte, erkannte ich, dass es geklappt hatte. Flehend blickte ich ihr ins Gesicht und zog dabei meine Mundwinkel leicht in die Höhe. Die Wangen der Kellnerin röteten sich leicht.

„Mr. Bradley, ich gebe Ihnen den Tisch hinter der Abtrennung. Wenn sie um die Ecke blicken, haben Sie einen guten Blick auf den Tisch von Mrs. Meier und sollten dabei auch noch unentdeckt bleiben. Außerdem können Sie von dort aus ihre Unterhaltung mitverfolgen. Auch wenn ich weiterhin der Meinung bin, dass sie ihr nicht nachspionieren sollten, hören sie vielleicht doch etwas, was Ihnen weiterhilft, sie zurück zu gewinnen.", sie machte eine kurze Pause und lächelte mich dann verlegen an. „Denn jetzt mal ganz ehrlich, wenn sie Sie haben kann, wird sie doch nicht diesen Thompson nehmen und wenn ich auch noch so unverschämt sein darf hinzuzufügen, dass sie sich in seiner Nähe sowieso äußerst unwohl zu fühlen scheint." Auch mir war nicht entgangen, wie sich Jodie immer wieder den Berührungen Scotts entzog und unruhig auf ihrem Stuhl hin und her rutschte. Schnell steckte ich der Kellnerin einen Hundert Dollar Schein zu. Sie sollte wissen, dass uns dieses Gespräch nicht zu Freunden machte, wir unterhielten uns immer noch auf geschäftlicher Basis.

Mit einem Nicken brachte sie mich zu meinem Tisch. Um sicher zu gehen, nicht gehört zu werden, tippte ich mit dem Finger auf die Menükarte, um meine Bestellung aufzugeben. Dann fing ich an Jodie zu beobachten. Stalker! Tief in meinem Inneren, wusste ich, dass das falsch war, aber ich musste es einfach tun. Wenn es noch eine Chance für uns gab, würde ich dafür kämpfen.

Sie sah wunderschön aus. Nichts hätte darauf schließen lassen, dass es ihr schlecht ging. Hatte sie denn vielleicht gar keinen Liebeskummer? Hatte sie vielleicht mittlerweile festgestellt, dass sie doch keine so tiefen Gefühle für mich hatte, wie sie dachte? Mir sah man es aus einem Kilometer Entfernung an, wie schlecht es mir ging. Sie hingegen wirkte wie immer. Glücklich. War sie das denn? Sollte ich sie gehen lassen? Würde ich sie nur wieder unglücklich machen?

Mein Verstand sagte mir, dass ich ihre Entscheidung akzeptieren sollte, doch mein Herz ließ das einfach nicht zu. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass sie etwas Anderes für mich empfand, als ich für sie. Selbst jetzt wo sie nicht einmal wusste, dass ich hier war, spürte ich die Verbindung zwischen uns. Wie ein unsichtbares Band, das uns zusammenhielt. Bisher war mir gar nicht aufgefallen, dass weder Jodie noch Scott ein Wort gesprochen hatten, seit ich hier war. Doch plötzlich räusperte sich Scott: „Das Lächeln nicht vergessen, Süße. Ich weiß, es ist schwer für dich zu lächeln. Dabei ist es dieser Bradley nicht mal wert wegen ihm traurig zu sein. Glaub mir Süße, ich war jahrelang sein bester Freund. Ich habe tausend Frauen vor dir gesehen, die sich wegen ihm, die Augen aus dem Kopf geheult haben. Er ist und bleibt ein Arschloch. Aber egal wie oft ich dir das sage, du glaubst es mir ja sowieso nicht. Trotzdem wäre es zu schade, wenn du in diesem Outfit einen so traurigen Blick aufgesetzt hättest. Du siehst einfach unglaublich sexy aus."

Unverzüglich bohrte ich meine Finger in die Tischdecke. Dieser Wichser.

„Scott, könntest du das bitte unterlassen? Es ist mir schon unangenehm, dass ich das Gefühl habe von allen Seiten angestarrt zu werden. Und wenn du über Robin herziehst, schmerzt mein Herz nur noch mehr.", hörte ich Jodie sagen und lockerte meinen Griff dabei etwas. Sie vermisst mich. Obwohl sie es nicht gesagt hatte, wusste ich, dass ihre Worte genau das bedeuteten. Aber im Moment freute ich mich fast noch mehr darüber, dass Scott es versaut hatte. Seine Komplimente berührten ihr Herz nicht, sondern ließen sie unwohl fühlen. Meine innere Stimme feierte triumphierend eine Party.

„Dir braucht gar nichts unangenehm sein. Die starren dich alle an, weil du so heiß bist. Ich bin sicher jeder Mann in diesem Restaurant beneidet mich darum, mit dir hier zu sein. Vor allem nachdem jeder weiß, wie heiß du ohne Klamotten aussiehst und dann machst du auch noch Sachen, von denen die meisten Männer nur träumen können.", er stieß einen Pfiff aus und die Party in mir wurde abrupt abgebrochen. Ich war kurz davor mich zu übergeben. „Ich wünschte du hättest deine Zeit nicht mit Bradley vergeudet. Mit mir wäre dir das alles niemals passiert und davon ganz abgesehen, wäre dieses Liebesspiel noch weitaus heißer gewesen, wenn ich derjenige auf dem Video wäre."

What the Fuck? Wutentbrannt sprang ich auf und warf dabei meinen Tisch um. Aus dem Augenwinkel sah ich die Kellnerin auf mich zustürmen. Sie packte mich am Handgelenk und deutete mir, mich wieder zu beruhigen. Unsanft riss ich mich los und wollte mich schon auf direktem Wege zu Scott machen und mich auf ihn stürzen, als ich die Stimme der Kellnerin vernahm: „Meinen Sie denn wirklich, so bekommen Sie sie zurück?" Hörbar atmete ich aus. Sie hatte recht. Ich musste mich zusammenreißen. Der Höhlenmensch in mir, war schon oft genug mit mir durchgegangen, seit ich Jodie kannte. Um Scott würde ich mich ein anderes Mal kümmern. Für diese Aussage musste er büßen, doch Jodie sollte das nicht unbedingt mitbekommen. Trotzdem würde ich so, weder mit ihr, noch mit mir umgehen lassen. Ein letztes Mal atmete ich tief durch und hob vorsichtig den Tisch an, um ihn wieder aufzustellen. Dann drehte ich mich wieder zu Jodie. Doch dort, wo ich sie erwartet hatte, war sie nicht mehr, nur ein Scott der ziemlich verstört aussah.

Schnell drehte ich mich zur Kellnerin. Drückte ihr abermals eine Hundert Dollar Note in die Hand: „Bitte finden Sie heraus, wo sie hin ist und rufen sie mich an, wenn Sie es wissen." Es war mir egal, dass sie mich eigentlich nicht sehen wollte. Es war mir ebenfalls egal, dass sie eigentlich nur abgehauen war, um von mir wegzulaufen und ich jetzt trotzdem wieder am gleichen Ort war wie sie. Ich wusste einfach, dass sie sich in diesem Moment nach mir sehnte. Ganz sicher brauchte sie gerade nichts mehr, als meine Arme, um ihren Körper geschlungen.

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A/N: Na, was sagt ihr zu Scotts Verhalten?

Wie glaubt ihr, wird Jodie reagieren, wenn sie bemerkt, dass Rob ihr gefolgt ist?

True Pain (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt