Natürlich wusste ich, dass Robin nicht ganz Unrecht, mit seiner Aussage hatte. Er hätte sich Jordan gegenüber niemals so benehmen dürfen. Aber dann könnte man, auf der anderen Seite, auch mir die Schuld geben, denn wenn ich Robin gleich die Wahrheit gesagt hätte, hätte er sie nie abgeschleppt. Egal wie oft ich die Situation durchspielte, ich drehte mich im Kreis. In diesem Fall hatte Scott an allem schuld, niemand sonst und zu allen unglücklichen Umständen, die dafür geführt hatten, dass es überhaupt so weit kommen konnte, konnte man nur sagen, dass das Schicksal ein verdammtes Arschloch war.
Trotzdem versuchte ich das Gute zu sehen. Wir hatten einen, allem Anschein nach, gesunden Sohn. Obwohl uns das Leben so schrecklich mitgespielt hatte, hatten wir zugleich auch das schönste Geschenk erhalten, welches wir bekommen konnten und wenn ich niemals mit Scott nach New York gegangen wäre, wäre William jetzt wohl nicht auf der Welt.
Der Rettungswagen wurde gestoppt und dir Tür aufgemacht. Zwei Sanitäter schoben mich aus dem Auto und anschließend in das Krankenhaus. Robin war ständig neben mir und hielt meine Hand. Im Behandlungszimmer angekommen, wurde nun endlich auch William wieder zu mir gebracht. Der Doktor kam herein: „Mrs. Meier. Zu aller erst möchte ich Ihnen gerne mitteilen, dass ihr Baby vollkommen gesund ist, natürlich ist er noch ein bisschen Schwach, da er doch 7 Wochen zu früh auf die Welt gekommen ist, aber die Atmung sowie sein Herz funktionieren selbstständig und somit dürfen Sie ihn bei Ihnen am Zimmer behalten. Ich werde jetzt noch ihren Bauch abtasten, um zu sehen, ob sich auch bei Ihnen soweit alles normalisiert hat." Nachdem er das gemacht hatte, nickte er. „Nun werde ich mich um die restlichen Verletzungen kümmern. Wo genau haben Sie denn noch schmerzen?" Langsam schüttelte ich den Kopf: „Ich habe keine Schmerzen. Auf den Händen habe ich mehrere Schnittwunden, aber die sind glaube ich, nicht so schlimm. Ansonsten wurde ich nur einmal ins Gesicht geschlagen, aber auch das tut nicht mehr weh." „Mrs. Meier, wir müssen alle ihre Verletzungen dokumentieren. Immerhin wurde ein Mann getötet. Wir brauchen diese Informationen für die Polizei." Ohne noch etwas zu sagen, ließ ich alle Untersuchungen über mich ergehen, aber wie ich bereits vermutet hatte, war es nicht so schlimm. Als die Tortur beendet war, kam eine Schwester in das Zimmer.
„Um Ihnen eine Geburtsurkunde ausstellen zu können, brauche ich noch einige Informationen von Ihnen. Wie wird das Kind heißen?" „William", antworteten Robin und ich gleichzeitig. „Und der Nachname?" Ich blickte Robin an, darüber hatten wir noch nie gesprochen. Die Schwester schien das Dilemma zu verstehen in dem wir stecken: „Wenn Sie sowieso vorhaben sollten, bald zu heiraten und das ganze vollkommen altmodisch halten möchten, rate ich Ihnen dem Baby gleich den Namen vom Vater zu geben." Heiraten? Darüber hatten wir auch noch niemals gesprochen und ich dachte auch nicht, dass Robin wirklich jemals heiraten wollte. Normalerweise gab es nichts worüber ich mich nicht mit Robin unterhalten konnte, aber in diesem Gespräch fühlte ich mich irgendwie unwohl. Wie würde Robin wohl auf so ein Thema reagieren? Zu meiner Verwunderung lächelte er mich liebevoll an: „Jodie, du hast jedes Recht mitzuentscheiden, aber wenn es nach mir geht, bin ich in diesen Thema sehr konservativ. Wenn du meine Frau wirst, möchte ich dir gerne meinen Namen geben." Verlegen nickte ich. „Okay das Baby wird also William Bradley heißen.", flüsterte ich. Robin blickte mich besorgt an: „Ist alles okay?" Wieder nickte ich leicht, doch er zog mich fester in den Arm. Dann fuhr die Schwester fort: „Ihr Baby ist im Moment amerikanischer Staatsbürger, da in den vereinigten Staaten das Geburtsortsprinzip gilt. Um die britische und deutsche Staatsbürgerschaft müssen Sie sich noch kümmern." Robin tippte in sein Handy, vermutlich um irgendjemanden damit zu beauftragen. „Sie müssen bitte noch diese Dokumente ausfüllen." Danach verließ die Schwester das Untersuchungszimmer.
Anschließend wurde ich in mein Zimmer gebracht. Eigentlich hatte ich protestiert, denn ich wollte nicht hierbleiben. Ich hatte genug davon, eingesperrt zu sein. Doch ich musste noch mit einem Psychiater sprechen und die Ärzte wollten mich und das Baby zumindest eine weitere Woche zur Kontrolle hierbehalten. Frustriert schmiss ich meinen Kopf auf das Kissen. Robin blickte mich aufmunternd an: „Ach komm schon Süße, es sind nur ein paar Nächte. Ich werde natürlich die ganze Zeit bei dir und William bleiben." Schnell setzte ich mich wieder auf und drückte ihn einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen. Erst jetzt wurde mir klar, wie sehr er mir gefehlt hatte und dabei waren wir gerade mal drei Tage eingesperrt. Vorsichtig hob ich William aus seinen Bettchen. Robin hatte sich neben mir auf mein Krankenbett gesetzt. Langsam wiegte ich das Baby in meinen Armen hin und her und betrachtete es liebevoll. William hatte seine Finger um Robins Zeigefinger gelegt und Robin streichelte sanft über das Fäustchen. „Ich liebe euch, so sehr.", sagte er und eine Träne lief ihm über die Wange.
Durch ein lautes Klopfen, wurden wir aus dieser intimen Situation gerissen. Jordan trat in das Zimmer. Sie hatte tiefe Augenringe, zwang sich jedoch trotz allem zu einem Lächeln. Schnellen Schrittes ging sie auf Robin zu und umarmte ihn: „Herzlichen Glückwunsch, ihr habt einen wunderschönen Sohn.", sagte sie leise. Robin wirkte vollkommen überfordert mit dieser Situation. Dann nahm sie mich in den Arm und gratulierte mir ebenfalls. „Darf ich ihn denn halten?", fragte sie und ich überreichte ihr das Baby. Zärtlich drückte sie einen Kuss auf Williams Stirn. „Es tut mir alles so wahninnig leid.", entfuhr es Robin. Jordan sah in schockiert an: „Du kannst ja nichts dafür. Robin, Scott hatte mir den Brief vorgelesen der für mich bestimmt war, bevor er Jodie entführt hatte. Natürlich hast du dich ziemlich scheiße benommen, aber ich bin dir deswegen nicht mehr böse." Robin sah sie entsetzt an: „Aber ohne mich..." Abrupt wurde er durch Jordan unterbrochen: „Das ist nicht wahr. Du bist nicht daran schuld, was Scott gemacht hat. Fang also erst gar nicht damit an, dir Vorwürfe zu machen. Ich weiß, es hört sich schrecklich an was ich jetzt sage, aber ich bin unwahrscheinlich froh darüber, nicht alleine in dieser Situation zu sein. Jodie hat das Gleiche durchmachen müssen wie ich, doch sie ist so wahnsinnig tapfer mit dieser Situation umgegangen. Ich habe schreckliche Angst davor alleine zu sein und auch davor einzuschlafen und meinen furchtbaren Alpträumen ausgeliefert zu sein, doch jedes Mal, wenn ich an Jodie denke, habe ich die Hoffnung es irgendwann genauso gut verarbeiten zu können, wie sie." Jordan sprang auf, legte William in Robins Arme und lief dann zu mir. Fest zog sie mich in eine Umarmung, legte ihren Kopf an meine Schulter und begann zu schluchzen. Zärtlich streichelte ich ihr mit den Fingern über die Haare. Ich wusste, es gab nichts was ich sagen konnte, was diese Situation in irgendeiner Weise besser gemacht hätte. Jordan musste, genauso wie ich, selbst lernen damit umzugehen. Es war ein langwieriger Prozess und es schmerzte schrecklich, doch ich hatte keinen Zweifel daran, dass auch Jordan es irgendwann verarbeiten könnte. Dieses Arschloch hatte es nicht verdient einen so großen Einfluss auf unser Leben zu haben und ich würde alles dafür geben, meiner neugewonnenen Freundin dabei zu helfen, darüber hinweg zu kommen. Auch wenn das möglicherweise bedeutete, dass ich meine eigene qualvolle Geschichte wieder aufrollen musste. Doch, wenn ich eines aus meinen Therapiesitzungen gelernt hatte, war es, dass es einen nur dann nicht auffraß, wenn man darüber redete. Wir waren Opfer und wir durften uns auf keinen Fall selbst die Schuld daran geben was passiert war. Jordan hob den Kopf wieder: „Weißt du, auch wenn diese ganze Geschichte noch so belastend ist, würde ich es sofort wieder tun. Es war die richtige Entscheidung, mich anstatt von William zu opfern. Er ist so wahnsinnig süß." Sie brachte ein kleines Lächeln zustande, als sie zu ihm hinüberblickte.
Bevor wir etwas erwidern konnten, klopfte es wieder an der Tür. Josh, Paul, Sarah, Gabrielle und mein Dad kamen in das Zimmer.
„Dad was machst du denn hier?", schrie ich. „Naja wenn ich schon zum ersten Mal Großvater werde, sollte ich das doch miterleben." Er lachte und ging zu Robin um sich William zu schnappen. „Die Anklage gegen mich wurde fallen gelassen."
Josh ging ebenfalls zu William hinüber: „Ich bin Onkel. Ich kann es nicht fassen. Der Bruder der noch niemals zuvor eine Beziehung hatte, hat mir doch tatsächlich einen Neffen geschenkt und so einen Süßen noch dazu. Für einen Moment habe ich sogar geglaubt, er hätte auch ein Grübchen und ich wäre nicht mehr der Einzige in dieser Familie, der dieses Merkmal hat." Josh blickte seine Mutter mit einem vielsagenden Blick an: „Mum, ich weiß, dass Dad nicht mein leiblicher Vater war." Gabrielle holte tief Luft. „Irgendwie hatte ich immer schon so eine Vermutung, aber als er dann in diesem Brief ‚auch er ist mein Sohn' geschrieben hatte, habe ich einen Vaterschaftstest anfertigen lassen. Ich weiß nicht, warum ihr mir das verheimlicht habt, aber eigentlich ist es ganz egal, denn Dad wird für immer mein einziger Vater bleiben." Gabrielle lief eine Träne über die Wange, doch sie nickte zaghaft.
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A/N Alle vereint, alle Lügen aufgedeckt. Zeit, dass die Geschichte ein Ende nimmt. Nur noch ein Kapitel vor dem Epilog. ;)
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True Pain (Band 2)
RomanceHIER GIBT ES EINIGE WICHTIGE HINWEISE ZU DIESEM BUCH: - enthält sexuelle Szenen - enthält Gewaltszenen - enthält frauenverachtende Szenen - ist nicht geeignet für Frauen, die zum Opfer sexueller Gewalt wurden. Jodie hatte sich endlich ein neues Leb...