Kapitel 10

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Der Wind fuhr durch meine Haare und zerzauste sie total, während ich aus vollem Hals den Text von ' I Think I'm In Love ' brüllte und Amalia neben mir total zu dem Beat abging.

Zwar wurden wir von allen anderen Leuten schief angestarrt und einmal sogar, als wir im Stau gestanden waren, gefragt, ob es uns gut ginge, aber unsere Antwort war immer ja gewesen.

Und es war sogar die ganze Wahrheit gewesen. Es ging mir echt bombastisch. Ich fühlte mich so gut, wie schon lange nicht mehr. Ich genoss meine Freiheit, ich vergaß alles was ich zuhause erlebt hatte. Ich ließ alle meine Sorgen hinter mir. Ich vergaß Thomas, meine Eltern, die Hochzeit. Alles.

Und es war ein unbeschreibliches Gefühl. Ich genoss meine Freiheit wirklich.

Meine Augen schlossen sich, der Wind riss an meinen Haaren und hinterließ eine leichte Gänsehaut auf meinem ganzen Körper.

Amalia schien es genauso zu gehen, denn auch sie öffnete ihre Haare und gab sie dem Wind hin

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Amalia schien es genauso zu gehen, denn auch sie öffnete ihre Haare und gab sie dem Wind hin.

Ich konnte sie lächeln sehen, für einen kurzen Moment waren ihre Augen sogar geschlossen, doch sie musste ja Auto fahren.

Doch ich schloss meine Augen wieder, ließ mich von Wind und meiner Freiheit davontragen, weit weit weg von der Welt.

Und es funktionierte.

Jede Faser meines Körpers war entspannt, mein Geist war frei.

Frei sein.

Das war ein Gefühl, dass ich mir seit Jahren gewünscht habe. Doch ich hatte es nie bekommen. Nicht ein einziges Mal. Ich hatte dem Alltag nicht entfliehen können, meine Seele war in meinem eigenen Körper gefangen gewesen. Ich hatte immer die perfekte Tochter spielen müssen, ich hatte immer das liebe, freundliche Mädchen sein müssen. Die liebe Tess Johnson, die keiner Fliege etwas zu leide tat. Die tolle Tochter von Mr. Johnson, dem erfolgreichen Geschäftsmann.

Doch nie war ich gefragt worden, ob ich das überhaupt sein wollte. Nie. Man hatte mich immer aus reiner Höflichkeit mit Miss angesprochen, man war immer davon ausgegangen, ich sei perfekt.

Doch das war ich nicht.

Und das wollte ich auch nicht sein.

Ich wollte frei sein, mein Leben genießen können. Dinge tun, die jeder normale Jugendliche meines Alters tat. Auf Partys gehen, shoppen gehen.

Spaß haben.

Doch das durfte ich ja nicht, weil der Galaabend ja viel wichtiger war. Weil die tolle Tochter ja anwesend sein musste, damit alle sahen, wie wunderschön und wohl zogen sie doch war.

Doch nie hatte man mich gefragt, wie es mir wirklich ging. Niemand. Nie hatte mich gefragt, ob ich überhaupt zu all diesen Abenden wollte.

Und es würde auch niemals jemand tun. Denn es interessierte keinen der reichen, angesehenen Leute, wie sich die Tochter eines angesehenen Geschäftsmannes fühlte.

Den Leuten ging es nur um sich selber. Sie waren geizig, eitel, hochnäsig, arrogant.

Auf das Wohl anderer gaben sie einen Scheißdreck, Hauptsache das eigene Wohl war gesichert und es war alles im Rahmen.

Doch ich war niemand, der gerne auf Galaabende ging. Ich hasste diese schicken Kleider und die gespielte Freundlichkeit.

Ich wollte meinen Spaß, ich wollte mit Amalia über die ganzen Möchte-Gern Supermodels bei ' Germany's next Topmodel ' lachen.

Doch dafür hatte ich jetzt reichlich Zeit.

Und diese Zeit würde ich genießen, leben.

Mit allen Sinnen.

Under the Mistletoe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt