Kapitel 7

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An manchen Tagen lohnte es sich einfach nicht aufzustehen. So etwas weiß man in der Sekunde, in der man die Augen aufschlägt und den Wecker ausmacht.
Es lohnt sich nicht, denn alles was man an solchen Tagen abbekommt, ist Schmerz oder Ähnliches. Nicht einmal unbedingt körperlich. Meistens ist es seelisch.
Darüber dachte ich nach, als ich abends wieder nach Hause kam und einen Anblick vor mir hatte, den ich nicht erwartet hatte.
„Harry, sag mal, willst du mich verarschen?“, rief ich durch die Wohnung.
Ein paar Sekunden später erschien sein Lockenkopf in der Tür.
Gepaart mit einem breiten Grinsen auf seinen Lippen.
Ich zeigte in einer ausladenden Handbewegung auf das Chaos, das er und die Jungs innerhalb von ein paar Minuten veranstaltet hatten.
„Josy, wir räumen später wieder auf.“, entschuldigte sich Louis lautstark vom Sofa aus.
„Versprochen.“, schob Zayn hinterher.
Ich stöhnte müde und beschloss, die Jungs machen zu lassen.
„Ich schwöre euch, wenn heute Abend nicht alles sauber ist, wenn ich ins Bett gehe, dann rufe ich eure Freundinnen an und sage ihnen, dass ihr meine Ordnung kaputt gemacht habt und dann gibt es für euch alle monatelang keinen Sex mehr.“, grummelte ich.
Harry grinste.
„Gut, dass du meine Freundin nicht anrufen kannst.“, sagte er mit einem frechen Funkeln in den Augen.
Meine Augen verengten sich ein kleines bisschen und mein Blick wanderte zu ihm.
„Für dich habe ich etwas ganz Tolles. Wenn es nachher nicht sauber ist, werde ich jedes Mal, wenn du Lust auf Sex hast – was oft passiert – alles tun, damit du glaubst, ich wäre dabei und dann werde ich mich irgendwann, wenn du es kaum noch aushältst, umdrehen und schlafen.“, erklärte ich ihm ruhig. Sein Blick wechselte von triumphierend zu bestürzt.
„Das Problem ist, dass du dann aber auch irgendwann Spaß haben wirst. Du wirst es also nicht lange durchhalten können.“, machte er einen letzten Versuch, mich vom Gegenteil zu überzeugen.
Ich lachte kurz und ironisch, dann sah ich ihn wieder an.
„Keine Gnade.“, antwortete ich fest.
„Aber das ist unfair!“, jammerte Harry und fast hatte ich das Gefühl, es fehlte nicht mehr viel und er würde mit dem Fuß aufstampfen.
„Es ist auch unfair, dass ich einkaufen muss und aufräume und dann sind die Jungs hier und innerhalb von ein paar Minuten kann ich von vorne anfangen. Ich will auch irgendwann einmal meine Ruhe haben.“, seufzte ich. Eigentlich wollte ich nur noch nach oben in mein Bett und nachdenken.
Über Jeremy.
Über Harry.
Und darüber, ob es das alles wert war.
„The Voice fängt an.“, brüllte Louis und unterbrach damit absichtlich, wie es mir vorkam, unsere Diskussion.
Ich fuhr mir einmal ordnend durch die Haare und zupfte mein T-Shirt nach unten, dann ging ich müde ins Wohnzimmer zu den anderen.
Kurz bevor ich meinen Fuß auf die Schwelle setzen konnte, schlang Harry seine Arme von hinten um mich und hielt mich fest.
„Hey.“, sagte er sanft. Sein Atem kitzelte an meinem Nacken, doch ich war nicht bereit, meinen Widerstand einfach so aufzugeben.
„Was willst du?“, fragte ich zögernd. Er nahm mein Zögern offensichtlich als Zeichen meiner Zustimmung, denn er hauchte mir kleine, vorsichtige Küsse auf den Hals.
„Es tut mir leid.“, murmelte er mit mittlerweile rauer Stimme.
Ich legte meine Hände auf seine an meinem Bauch und versuchte, mich aus seinem Griff zu lösen, um ihm nicht zu verfallen, doch er verstärkte seinen Halt nur noch.
„Harry.“, sagte ich seufzend.
Er ließ mich sofort los.
Wenn ich wütend wurde oder war, dann wusste er, dass mit mir nicht zu spaßen war.
Und im Moment wurde ich wütend. Allerdings nur, weil ich müde war.
Ich hätte mich ohrfeigen können, dass ich meine schlechte Laune an ihm ausließ. Aber andererseits ging es mir schon besser und dass nur, weil ich wusste, dass ich ihn jetzt am Haken hatte.
Dass er jetzt den Rest des Abends darauf achten würde, was mit mir los war, ob es seine Schuld war und, wie er es besser machen konnte.
Manchmal hatte ich eine sadistische Seite.
Wir sahen uns ‚The Voice’ an, riefen den Juroren zu, sie sollten sich doch umdrehen und sangen bei unseren Lieblingsliedern mit.
Die ganze Zeit über versuchte ich, Harrys Blick zu ignorieren, doch das war schwerer, als gedacht.
Er beobachtete mich.
Als er irgendwann auf die Toilette ging und ich mir gerade eine Hand voll Chips in den Mund geworfen hatte, sah Louis mich warnend an.
„Josy.“, sagte er einfach nur.
„Was?“, fragte ich und hob abwehrend meine Schultern.
„Hör auf damit.“, forderte Liam sanft. Ich sah ihn überrascht an. Normalerweise hielt er sich bei so etwas heraus.
„Bitte.“, fügte Niall hinzu. „Ich kann das nicht mit ansehen, wie du ihn ignorierst.“
Ich stöhnte und presste mir ein Kissen auf das Gesicht, um meiner Wut nicht freien Lauf zu lassen.
„Okay.“, nuschelte ich.
„Danke.“, sagte Louis und küsste mich schnell auf die Wange, kaum, dass ich das Kissen wieder vom Gesicht genommen hatte.
„Habe ich etwas verpasst?“, fragte Harry und warf mir einen besorgten Blick zu.
Ich schluckte meinen Stolz herunter und schüttelte den Kopf. Er setzte sich wieder neben mich, war jedoch darauf bedacht, einen gewissen Abstand zu mir zu halten, den ich geschaffen hatte, bevor er gegangen war.
Ich rutschte an ihn heran und legte meinen Kopf auf seine Schulter.
„Es tut mir leid.“, flüsterte ich ihm so leise zu, dass nur er es hören konnte.
Ein winzig kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen.
Ich begann, mit den Locken in seinem Nacken zu spielen und küsste ihn auf die Stelle hinter seinem Ohr.
„Sollen wir euch alleine lassen?“, fragte Louis frech. Ich wurde rot und schüttelte den Kopf.
„Also ich hätte nichts dageg-…“, begann Harry, doch ich unterbrach ihn, indem ich ihm einen Kuss auf die Lippen drückte.
„Pssst.“, sagte ich und sah wieder zum Bildschirm, auf dem gerade ein Mädchen komplett durchdrehte, weil sie weiterkam.
Mit demselben Interesse wie schon letztes Jahr sah ich mir die Juroren an.
„Ist euch einmal aufgefallen, dass Danny echt heiß ist?“, fragte ich, bevor ich es mir verbieten konnte.
Ups.
„Ich habe ein Foto mit ihm.“, grinste Harry.
Erleichterung durchströmte mich. Bei Harry wusste man nie, wie schnell seine Laune umschlug. Ähnlich wie bei mir. Aber er schien nicht sauer oder eifersüchtig zu sein.
„Angeber.“, murmelte ich und küsste ihn wieder. Ich spürte sein Lächeln an meinen Lippen und ich spürte das Vibrieren meines Handys in meiner Hosentasche.
Mühsam fischte ich es hervor und sah auf das Display.
Zögernd öffnete ich die SMS von Jeremy.

Falls du jemals daran zweifelst, was diese Welt dir zu bieten hat, komm zu mir. Ich schätze, ich werde dir hinterherlaufen, bis du mir etwas anderes sagst. Aber du sollst wissen, dass es so ist. Ich wette, es ist das beste Gefühl der Welt, morgens neben dir aufzuwachen. – Jeremy xx

Ich starrte auf das Display. Und starrte und starrte.
Hatte er mich gerade per SMS angemacht?
In meinem Körper machte sich das Kribbeln von früher breit und einen Moment gab ich mich diesem Gefühl hin. Genoss es.
Einen Moment zu lang.
„Josy.“, sagte Harry. Jede Liebe war aus seiner Stimme gewichen.
„Hmm?“, machte ich, noch ganz benommen von der SMS. Ich hob meinen Blick und bemerkte, dass alle mich ansahen.
Harrys Blick war der Kälteste, doch als er in meine Augen sah, wurde er etwas weicher.
„Es tut mir so sehr weh, zu sehen, dass du dich nicht zwischen ihm und mir entscheiden kannst.“, sagte er leise.
Ich hatte es heute Morgen gewusst. An manchen Tagen lohnte es sich einfach nicht aufzustehen.

Love The One You're With (Book 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt