Kapitel 15

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Hoffnung ist etwas Willkürliches.
Sie verleiht dem Inhaber eine riesengroße Portion an Energie und Glück. Man weiß nie wann sie kommt oder wann sie wieder geht, nur wenn sie da ist, spürt man es.
Ich stand vor dem riesigen Bild, das über Jeremys Sofa hing und versank in der Geschichte des Bildes, ohne es wirklich zu merken.
„Josy?“, riss mich Jeremy wieder in die Realität zurück. Ich nickte.
„Es ist wunderschön.“, flüsterte ich.
Das Bild war eigentlich simpel aufgebaut.
Ein Fußballschuh am Fuß eines Menschen, der bereit war, den Fußball zum Anpfiff zu schießen. Doch wenn man genauer hinsah, sah man, dass auf dem Schuh die Initialen F. T. standen.
Jeremy hatte doch tatsächlich Fernando Torres’ Fuß fotografiert und es sah aus wie ein Kunstwerk.
Vermutlich verstand man das nur, wenn man ein Fußballfan war.
„Danke.“, sagte Jeremy leise und riss mich bereits zum zweiten Mal innerhalb von zwei Minuten aus meinen Gedanken.
Ich drehte mich zu ihm um und sah in seine Augen. Er war nur ein klitzekleines Stückchen größer als ich. Unwillkürlich fiel mir Harry ein, zu dem ich immer aufsehen musste, da er so viel größer war als ich.
„Vielleicht sollte ich von dir auch ein Foto hier hinhängen.“, murmelte Jeremy leise und strich mir vorsichtig über die Wange.
Fast hätte ich schallend gelacht.
Doch ich riss mich zusammen. Ich war frei nicht wahr? Ich hatte das Recht mich anmachen zu lassen. Ich hatte das Recht zu allem.
Also schenkte ich Jeremy ein Lächeln.
Und weckte damit unbewusst seine Hoffnung. Hoffnung war leicht zu wecken, wenn man wusste, was der andere mehr oder weniger fühlte.
Ich wich seiner Berührung schnell aus und setzte mich auf das Sofa.
Seufzend legte ich meine Hand in den Nacken. Seit neuestem hatte ich Nackenschmerzen, aus welchem Grund auch immer.
Vielleicht waren Herzschmerzen seit neuestem im Nacken?
Jeremy musterte mich kurz.
„Alles in Ordnung?“, fragte er sanft.
Ich nickte.
„Nur mein Nacken mal wieder.“, sagte ich mit einem kleinen Lächeln. Er grinste.
„Lass mich mal.“, forderte er mich auf, stellte sich hinter mich und schob meine Hand vorsichtig zur Seite.
Dann begann er meinen Nacken zu massieren. Eigentlich wollte ich nicht so offen und verletzlich sein, doch ich schmolz dahin in seinen Händen.
Woher zum Teufel konnte er so gut massieren?
Ich schloss meine Augen und genoss das Gefühl.
„Weißt du…“, begann Jeremy leise. „Ich werde echt nervös, wenn ich in deiner Nähe bin. Es tut mir leid wegen dem blöden Spruch mit dem Foto eben.“
Ein verschmitztes Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich sah zu ihm hoch.
„Kein Problem.“, grinste ich. Er lächelte mich mit diesem Lächeln an, das ich früher so abgöttisch geliebt hatte.
Er beugte sich zu mir herunter und sah mir eine halbe Ewigkeit in die Augen.
„Ich würde dich jetzt wirklich wahnsinnig gerne küssen…“, murmelte er und einen Augenblick später lagen seine Lippen auf meinen.
Irgendwie hob er mich über die Lehne des Sofas in seine Arme. Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und vergrub meine Hände in den kurzen Haaren. Mit geschlossenen Augen taumelten wir durch die Wohnung und landeten schließlich auf seinem Bett.
Dort kam ich zur Besinnung.
Was machte ich hier nur?
Ich knutschte mit dem Kerl, den ich so lange geliebt hatte.
Und jetzt war ich kurz davor mit ihm zu schlafen?!
War ich hier in einem irren Spiel von ‚verkehrte Welt’?
Mir fiel Harry ein.
Harry.
Mit seinen braunen Locken und den Grübchen.
Mit dem gütigen Lächeln und dem sanften Blick.
Und dann drehte ich meinen Kopf zur Seite, damit Jeremys Mund nicht länger auf meinem war.
Ich wollte.
Ich wollte wirklich.
Aber ich konnte nicht.
Ich öffnete die Augen und sah in schokoladenbraune, aus denen die Verwirrung nur so sprudelte.
Welcher Junge verstand auch schon wirklich, was in Mädchen vor sich ging.
Ich sah an mir herunter und stellte fest, dass ich so sehr in den Kuss vertieft war, dass ich nicht einmal mitbekommen hatte, wie Jeremy mir mein T-Shirt ausgezogen hatte.
Doch nicht nur ich hatte einen Teil meiner Kleidung eingebüßt.
Jeremy hatte sein T-Shirt auch nicht mehr an.
Und was ich sah verpasste mir eine Gänsehaut.
Er hatte einen dieser Oberkörper, die aussahen wie gephotoshoppt. Einen dieser Oberkörper, die auf Kalenderblätter gedruckt wurden.
Vollkommen und bis ins kleinste Detail durchtrainiert.
„Wow…“, murmelte ich beeindruckt, bevor ich mich zurückhalten konnte. Er grinste kurz, doch dann wurde er wieder ernst.
„Josy…“, flüsterte er und strich mir über die Wange. „Du kannst nicht seinetwegen oder?“
Ich biss mir auf die Lippe, um sie vom Zittern abzuhalten.
Wehe du fängst jetzt an zu heulen! Wag es ja nicht!
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter und schob Jeremy zur Seite.
Mit verschwommenem Blick von den Tränen, die sich ihren Weg nach oben bahnten, suchte ich mein T-Shirt.
Als ich es gefunden hatte, war Jeremy auch vom Bett aufgestanden und sah mir fast ein bisschen verzweifelt zu.
Ganz offensichtlich hatte er keine Ahnung wie er mit dieser Situation umgehen sollte.
Doch er musste das auch nicht wissen.
Ich wusste es ja selbst nicht einmal.
Schnell zog ich mein T-Shirt wieder an.
Ich rannte ins Bad, schloss die Tür ab und rutschte langsam an der Innenseite hinab, bis ich auf dem Boden saß.
Und dann fing ich an zu weinen.

Love The One You're With (Book 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt