Kapitel 14

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Die Menschen gehen komisch mit der Liebe um.
Sie lachen über sie, machen sie klein oder verleumden sie.
Selten wird sie offen und klar zugegeben und nichts Schlechtes wird dazu gesagt. So etwas passiert einfach nicht.
Doch warum eigentlich?
Weil die Menschen selbstsüchtig sind und das Leid der anderen für jeden von uns grundsätzlich größer sein muss als das eigene. Erst wenn wir sehen, dass es anderen noch schlechter geht, sind wir zufrieden.
„JOSY!“, brüllte plötzlich jemand hinter mir. Verwirrt blieb ich stehen und schob den Träger meiner Tasche wieder nach oben.
Jeremy kam an mir vorbeigejoggt, stellte sich vor mich und lief außer Atem rückwärts vor mir her, als ich mich wieder in Bewegung setzte.
„Was ist?“, fragte ich ihn überrascht. Mit ihm hatte ich auf dem Weg zur Uni nicht gerechnet.
„Ich hab nur eine klitzekleine Frage…“, begann er und ich hob abwartend eine Augenbraue.
„Ja?“, hakte ich nach, als er zögerte.
„Würdest du bitte, bitte, bitte mit mir einen Kaffee trinken gehen? Ich verspreche dir, ich versuche nichts, ich lasse dich weitestgehend in Ruhe, aber ich will mit dir reden. Einfach nur reden, ohne Hintergedanken. Bitte!“, fragte er flehend. Ich überlegte.
Was sollte ich darauf sagen?
„Ich verspreche auch, ganz lieb zu sein.“, fuhr er fort. Das entlockte mir ein Grinsen.
„Na schön.“, antwortete ich lachend. Er legte seinen Kopf in den Nacken und lächelte erleichtert.
Dann ging er neben mir her und legte mir einen Arm um die Schulter.
„Dankeschön!“, sagte Jeremy sanft, küsste mich auf die Wange und ging dann winkend in die andere Richtung zurück.
Ich blieb mitten auf der Straße stehen und sah ihm nach.
Wieso verdammter Mist war ich damals noch mal in ihn verliebt gewesen?
Ach ja, weil er, wenn er einen anlächelte, der wunderbarste Mensch dieser Erde war.
Weil er charmant war, gut in der Schule und nett zu allen.
Weil er unglaublich gut aussah und zu seinen Schwestern wundervoll war.
Weil er dieselben Vorlieben hatte wie ich.
Weil er einfach perfekt war.
Ich konnte keine Fehler entdecken.
Deshalb war ich so sehr in ihn verliebt gewesen. Ich wusste, ich war nicht perfekt. Deshalb klammerte ich mich mit aller Kraft an das Perfekte in ihm. Ich wollte so sehr glauben, dass es nichts Schlechtes an ihm gab.
Ich war so unzufrieden mit mir, dass ich einfach jemanden brauchte, der mir zeigte, dass es auch anders ging.
Vielleicht war er so etwas wie mein Vorbild.
Ich machte mich erneut auf den Weg zur Uni, doch die gesamte Zeit des Unterrichts kreisten meine Gedanken mehr um Jeremy, als ums Singen.
In genau der Sekunde, in dem es zum Stundenende klingelte, bekam ich eine SMS von Jeremy mit der Adresse des Cafes, in dem er sich mit mir treffen wollte.
Ich starrte eine Weile stumm den Bildschirm meines Handys an, dann schüttelte ich den Kopf und schrieb ihm zurück, dass ich in mein Lieblingscafe gehen wollte und wenn er nicht bereit sei, sich dort mit mir zu treffen, sei das Treffen wohl nicht möglich.
Stolz auf mich selbst machte ich mich dann auf den Weg.
Meine Mutter hatte mir jahrelang vorgelebt, was es hieß, eine unabhängige Frau zu sein, und genau das verkörperte ich jetzt mit Leib und Seele.
Ich war zu früh da, also bestellte ich mir schon einmal einen großen Caramel Macchiato und setzte mich an meinen Lieblingstisch am Fenster.
„Hi.“, begrüßte Jeremy mich, als er circa zwei Minuten nach mir das Cafe betrat.
Wie zur Hölle hatte er es so schnell hierher geschafft?
„Hi…“, antwortete ich etwas überrumpelt. Er grinste und setzte sich mir gegenüber. Dann bestellte er einen schwarzen Kaffee ohne alles.
„Also…“, begann er und beugte sich über den Tisch näher zu mir heran. „Was genau führt dich denn hierher in die große, wunderschöne Stadt?“
Ich lächelte, als mir Die Liebe als Antwort durch den Kopf huschte.
„Die Universität.“, sagte ich stattdessen. Jeremy zog eine Augenbraue hoch und sah mich überrascht an. Anscheinend hatten wir beide mit einer anderen Antwort gerechnet, als mit der, die mein Mund gerade von sich gegeben hatte.
„Was studierst du denn Schönes?“, wollte er interessiert wissen.
„Gesang und Schauspiel.“, antwortete ich etwas einsilbig. Er grinste.
„Heißt das, wenn ich irgendwann ins Theater gehe und dich sehe, sollte ich mich nicht wundern, sondern eher damit rechnen?“, fragte er amüsiert.
Ich lachte.
„Ich hoffe zumindest, dass es jemals dazu kommen wird, dass ich gut genug bin, für eine Rolle bei einem Stück überhaupt infrage zu kommen.“, sagte ich.
Er lächelte und machte dann Platz für die Kellnerin, die unsere Getränke vor uns auf den Tisch stellte.
Ein paar Augenblicke waren wir beide mit unserem Kaffee beschäftigt, dann sah ich ihn wieder an.
„Was machst du denn so mittlerweile?“, fragte ich dann neugierig.
Ich meine, wer wollte nicht wissen, was aus den Menschen geworden ist, in die man früher verliebt war?
„Ich bin Fotograf. Also hauptsächlich für Konzerte oder Veranstaltungen, aber ab und zu auch für andere Dinge. Bis vor kurzem war ich allerdings der Fotograf von ‚One Direction’. Also auch für normale Shootings und all das.“
Ich nickte. Daran konnte ich mich noch recht gut erinnern. Doch nach einem kurzen Moment der Stille fiel mir etwas auf.
„Moment, was heißt das, du warst der Fotograf der Jungs?“, wunderte ich mich verblüfft. „Bist du es denn nicht mehr?“
Er lächelte mich schief an.
„Ich schätze, wenn man seinen Job behalten möchte, sollte man sich nicht an die Freundin seines Arbeitgebers heranmachen.“, sagte er leise. Sein Blick verließ meinen keine Sekunde.
Ich wurde rot, als ich begriff, was er da gerade gesagt hatte.
„Das stimmt wohl.“, murmelte ich idiotisch und trank einen Schluck aus meinem Glas. „Und sonst? Hast du eine Freundin?“
Jeremy lächelte wieder schief und ich hätte mich selbst ohrfeigen können für die Frage.
„Wäre ich dann hier?“, fragte er sanft. Ich wurde wieder rot.
„Dumme Frage.“, brummelte ich in mein Glas.
„Und wie läuft es bei dir? Immer noch so ein großer Fan des Fußballs?“, lachte er.
Ich wunderte mich ernsthaft, woher er wusste, dass ich Fußball liebte.
Anscheinend war mein fragender Blick ziemlich deutlich, denn er antwortete „Du hattest in der neunten Klasse dieses süße Deutschlandtrikot mit deinem Namen hinten drauf an.“.
Ich musste lachen.
„Sag ein Wort gegen Fernando Torres und du musst um dein Leben fürchten.“, grinste ich und trank den letzten Schluck aus meinem Glas.
Er sah mich einen Moment abschätzend an, dann stand er auf, legte etwas Geld auf den Tisch und hielt mir seine Hand hin.
„Ich muss dir unbedingt etwas zeigen!“, sagte er und schenkte mir ein spitzbübisches Lächeln.
Ich sah seine Hand einen Moment nachdenklich an.
Und dann ergriff ich sie und folgte ihm aus dem Cafe nach draußen.

Love The One You're With (Book 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt