»Chapter Fourteen

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An den Moment, in dem ich meine Umgebung wieder wahrnahm, konnte ich mich nicht erinnern. Es war, als hätte ich eine Zeit lang das Bewusstsein verloren, fast so, als wäre ich zwar präsent gewesen, hätte die Dinge, die um mich herum passiert sind, jedoch nicht wahrgenommen.

Ein kalter Wind, der meine blonden Haare um meinen Kopf fliegen ließ, war das Erste, was ich nach meiner Trance wahrnahm. Ein plötzliches Frösteln übernahm meinen Körper, meine Finger wurden taub und ich spürte meine Beine nicht mehr.

Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, seitdem ich hier angekommen war. Es fühlte sich an wie ein paar Minuten, doch ich bezweifelte, dass es sich um eine kurze Zeitspanne handelte - immerhin begann ich so heftig zu frieren, dass ich erst jetzt realisierte, wie dunkel es draußen bereits war und ich nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wo ich mich befand. Oder wie ich zurück in meine Wohnung kommen könnte.

Das nächste was ich wahrnahm, waren die Grillen, die mich förmlich anbrüllen. Nur sie durchbrachen die Stille, nicht einmal mein heftiges Ein- und Ausatmen drang bis zu meinen Ohren durch.

Ich genoss die Stille, die sich um mich gelegt hatte und bis in mein Inneres vorgedrungen war. Alles hatte an Bedeutung verloren, nichts spielte mehr eine Rolle. Ich war es so leid, mich Tag für Tag durch mein Leben zu schlagen, deshalb war ich froh über diesen Moment der Stille. Ich war alleine, niemand konnte sehen, wie schwach ich war.

Langsam hob ich den Kopf - alles, was ich vor mir erkennen konnte, war Dunkelheit. Sie hatte mich verschluckt. Bis meine Augen sich an das schwache Licht gewöhnt hatten, war ich vollkommen blind - ein Gefühl, das ich hasste, so sehr, dass ich mich plötzlich von den Knien auf meine Füße hochstemmte. Mein Oberkörper hob und senkte sich schnell, zu schnell, während ich mich nach vorn beugte um mein Gleichgewicht wiederzubekommen.

Etwas Kaltes berührte meinen Nacken und ich zuckte zusammen. Meine Hand schnellte nach oben und ich berührte die Stelle, an der mich der Regentropfen getroffen hatte. Der nächste Tropfen traf mich auf der Wange und der danach auf meinem Knöchel.

Der Regen wurde immer heftiger, doch anstatt mich abzuwenden und Schutz zu suchen, legte sich ein sanftes Lächeln auf meine Lippen und ich streckte mein Gesicht nach oben, damit mir der Regen ins Gesicht prasseln konnte.

Es war Ewigkeiten her, seitdem ich das Letzte Mal diese kalte und zugleich angenehme Nässe auf meiner Haut gespürt hatte.

Ich realisierte gar nicht, dass ich anfing heftig zu zittern, so sehr, dass meine Beine zuckten und ich wieder auf die Knie sank.

"Leah?"

Es war eine Stimme, die dieses Mal die Stille durchbrach. Sie klang rau und fehl am Platz in meinen Ohren, deshalb hob ich verwirrt den Kopf. Hatte ich mir das nur eingebildet? Ich kniff leicht meine Augen zusammen, doch konnte immer noch keine Person erkennen, die meinen Namen hätte sagen können.

"Leah, geht es dir gut?" Wieder hörte ich jemanden sprechen.

Dann spürte ich ein Gewicht auf meiner Schulter - eine warme Hand, die den dünnen Stoff meiner Jacke berührte und eine Gänsehaut auf meiner Haut auslöste.

Nur langsam begriff ich, wer hinter mir stand. Mein Verstand war vernebelt und brauchte zu lange um die Stimme einem Gesicht zuzuordnen. Nicht schnell genug konnte ich realisieren, wer mich in meinem Moment der Schwäche gesehen und berührt hatte.

Doch als die Gedanken in meinem Kopf klar waren, mein Gehirn endlich erfasste, wer diese Person war, schob ich die Hand von meiner Schulter.

"Geh weg und lass mich in Ruhe." Die Kälte und Gleichgültigkeit meiner Stimme erschreckte mich selbst, doch ich wusste, dass die Mauern um mich herum wieder errichtet worden waren. Fast hätte dieser Ort es geschafft, meinen Schutz -meinen einzigen Schutz- zu durchbrechen und mich somit ein für alle Mal zu enthüllen.

"Was ist denn los? Hey, du zitterst ja. Wie lange sitzt du schon hier in der Kälte?"

"Das geht dich nichts an." Mit einem Mal stand ich auf, wischte meine dreckigen Handflächen an meiner Jeans ab und drehte mich zu dem Jungen um, der mich gefunden hatte. "Was willst du denn noch hier, Aiden?"

"Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Du bist einfach abgehauen und ich weiß doch, dass du dich hier noch nicht sehr gut auskennst. Außerdem-"

"Lass gut sein." Verärgert über die weiteren Lügen, die er mir immer noch versuchte aufzutischen, verschränkte ich die Arme vor der Brust. "Du kannst jetzt damit aufhören. Dein Spiel ist vorbei."

Verwirrt fuhr Aiden sich durch das dunkle Haar und legte den Kopf anschließend schräg. "Wie bitte? Was meinst du?"

Genervt verdrehte ich die Augen. "Ich bitte dich. Dein Geheimnis ist gelüftet - ich weiß, dass du nicht der bist, der du vorgibst zu sein."

"Verdammt, Leah!" Anscheinend aufgebracht massierte sich Aiden die Schläfen. Als er wieder anfing zu sprechen, klang seine Stimme ruhiger und beherrschter als zuvor. "Ich habe wirklich überhaupt keine Ahnung was du damit meinst, Leah. Ich wollte nur nach dir sehen, weil ich den Eindruck hatte, dass du ziemlich aufgebracht warst, als du das Café verlassen hast. Ist zwischen uns alles in Ordnung? Oder bist du meinetwegen so ..."

"So was?" Provokant zog ich eine Augenbraue hoch. "Mit dir hat mein Verhalten überhaupt nichts zu tun. Eher damit, was du getan hast."

"Und was hab ich getan, Leah?" Aidens Stimme nahm eine verzweifelte Tonlage an, doch ich wusste, dass das nur gespielt war - das konnte nur gespielt sein. "Das ist der Punkt, an dem ich dir nicht mehr folgen kann. Was hab ich falsch gemacht?"

"Du hast mich verraten!" Ich trat einen Schritt auf ihn zu und deutete mit dem Zeigefinger auf ihn. "Ich habe zwar keine Ahnung, wie du es herausgefunden hast, aber irgendwie hast du das. Und dieses Wissen hast du zu deinem eigenen Vorteil genutzt. So war es doch, oder? Wie viel hat er dir gezahlt, damit du mich verrätst? War es wenigstens eine ordentliche Summe Geld?"

"Ich kann dir nicht ganz folgen." Aiden runzelte die Stirn. "An wen soll ich dich denn verraten haben?"

Humorlos lachte ich auf. "Tu nicht so, als wüsstest du nicht, was ich meine. Das ist mein Ernst, Aiden. Deine Heuchlerei geht mir echt auf die Nerven!" Gereizt von seiner falschen Masche, reagierte mein Körper schneller als mein Verstand.

Mit einem Mal riss ich meine Jacke runter und deutete mit meiner zitternden Hand auf die Narben, die mich verunstalteten. Der Regen, der sofort die nackte Haut berührte, war in diesem Moment vergessen. Die Narben, die mich mein Leben lang gekennzeichnet hatten, spielten als einziges noch eine Bedeutung.

"Du bist Schuld daran, dass bald noch mehr Narben meinen Körper verunstalten werden. Du bist Schuld daran, dass ich zurück in die Hölle muss. Du bist Schuld daran, dass mein Stiefvater mir wieder meine Freiheit nehmen wird. Und du bist verdammt nochmal Schuld daran, dass ich nie wieder einem Menschen vertrauen kann. Nie wieder."

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Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen und es war nicht all zu langweilig :) Ich hab mir überlegt eine Art Special-Kapitel zu machen, in dem es dann nur darum geht, was in der Vergangenheit passiert ist usw. Das wäre dann so, als ob Leah das ganze Kapitel über erzählen würde. Was haltet ihr davon? c:

Lasst es mich wissen!

Wünsch euch allen noch einen schönen Tag/ eine schöne Nacht :3

Amy x.

MineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt