... denn ich würde immer ihn wählen, ist das klar?

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„Kopf hoch, Castiel", versuchte Sophia ihren jüngeren Bruder aufzumuntern. Der Hinweis auf Gott hatte sich als eine Sackgasse erwiesen. „Weißt du was, Brüderchen? Du brauchst eine Ablenkung! Ich meine, wann war das letzte Mal, als du nicht dein Leben riskiert hast und etwas getan hast, dass nichts mit all dem hier zu tun hat?"

Da musste Castiel nicht lang nachdenken. „Dean hat mich mal in ein Bordell gebracht", erzählte er.

„Wie bitte?!", klappte Sophia der Mund auf.

„Wir waren hinter Raphael her und wir dachten, dass ich wahrscheinlich sterben werde ... Da hat Dean zu mir gemeint, dass er weiß, dass Bert und Ernie schwul sind und dass er mich auf keinen Fall als Jungfrau sterben lässt ... Ich verstehe immer noch nicht, was das Eine mit dem anderen zu tun hat und wer diese Leute überhaupt sein sollen ..."

„Bert und Ernie sind zwei Figuren aus der Sesamstraße. Das ist eine Fernsehsendung für kleine Kinder", erklärte Sophia ihm. „Dean hat dich also in ein Bordell gebracht ... und dann?"

„Du verurteilst mich also nicht?", fragte Castiel verwundert nach.

„Ich finde solche Etablissements in der Tat verwerflich, aber ich kann nachvollziehen, warum Dean dich dort hingebracht hat. Das war die einfachste Variante, dich schnell entjungfern zu lassen. Und wie war es?"

„Ich hab ihr in die Augen gesehen und gesagt, dass es nicht ihre Schuld war, dass ihr Vater abgehauen ist. Er hat einfach nur seinen Job bei der Post gehasst. Daraufhin hat sie mich angeschrien und fortgeschickt", erzählte er ganz monoton.

„Ach, Bruder!", lachte Sophia.

„Dean hat auch gelacht. Er hat mir erklärt, dass diese Branche nur aufgrund abwesender Väter funktioniert." Plötzlich runzelte Castiel die Stirn.

„Was ist?", fragte Sophia sofort.

„Dean", murmelte er. „Irgendwas stimmt nicht ..."

„Soll ich mitkommen?", fragte Sophia besorgt.

„Ich geh allein. Ich werde dich rufen, wenn es dringend ist", verschwand er.

***

„Anna will also Sam töten?", fasste Sophia ungläubig zusammen.

„Sie will ihn töten und all seine Zellen in der Galaxis verstreuen, sodass man nicht mehr alles von ihm findet, um ihn wieder zusammenzusetzen", erläuterte Castiel, während er einen Zauber vorbereitete, um sie zu orten. Weder er noch Sophia konnten ihre Präsenz spüren.

„Ich fasse es nicht. Dann ist sie jetzt so 'ne Art Glenn Close", schnaubte Dean. „Ich dachte, wir könnten ihr vertrauen ..."

„Wer ist Glenn Close?", fragte Castiel verwirrt.

„Nur so 'ne Psychoschlampe, die Kaninchen abgekocht hat", winkte Dean ab.

„Du hast 'Eine verhängnisvolle Affäre' nicht gesehen? Castiel, hast du dir überhaupt schon mal einen Film angeschaut oder ein Buch gelesen, seit du auf der Erde bist?", fragte Sophia. „Nein? Gar nicht? Jungs, wenn wir das mit Anna geklärt haben, müsst ihr mit Cas mal einen Filmmarathon machen ..."

„Klar, ich weiß auch schon, womit wir anfangen werden", grinste Dean.

„Alle Westernfilme mit Clint Eastwood?", riet Sam.

„Bingo!"

„Wer ist Clint Eastwood?", fragte Castiel.

„Oh nein, Cas, das hast du jetzt nicht gesagt!", klatschte sich Sam eine Hand gegen die Stirn. Dean hielt dann erst mal einen langen Vortrag über den großen Clint Eastwood.

„Würde Annas Plan den Teufel tatsächlich aufhalten?", fragte Sam plötzlich dazwischen. „Hat sie vielleicht Recht?"

„Nein", widersprach Castiel. „Sie ... Sie ist eine Glenn Close."

„Sophia, was meinst du?", fragte Sam.

„Ich denke, dass Annas Plan wahnsinnig ist und wir einen anderen besseren Weg finden werden", antwortete sie.

„Aber es wäre eine Möglichkeit?", hakte Sam nach.

„Schluss damit!", fuhr Dean ihn an. „Sammy, komm schon, das ist doch nicht dein Ernst ... Und Cas, wieso suchen wir eigentlich nach Anna, wenn sie Sam erledigen will? Warum schlafende Hunde wecken?"

„Weil Anna es weiter versuchen wird", antwortete Castiel. „Sie wird nicht aufgeben, bis Sam tot ist ... Deswegen müssen wir sie zuerst töten ... Sophia, ist das okay für dich? Sie ist immerhin unsere Schwester."

„Natürlich gefällt mir das nicht", meinte Sophia. „Aber was bleibt uns anderes übrig? Wir können sie nicht Sam töten lassen."

„Du hast dich so schwer damit getan, Luzifer töten zu wollen, weil er dein Bruder ist und du deine ganze Familie liebst ... Jetzt bist du bereit, Anna auszuschalten und der Gedanke scheint dich nicht annähernd so stark zu quälen wie bei Luzifer", stellte Sam fest.

„All die Leute, die du liebst ... Liebst du jeden von ihnen gleichermaßen? Nein, denn jeder ist anders und bei jedem kommen noch lauter andere Faktoren dazu: Wie lange man sich kennt, wie viel Zeit man miteinander verbringt ...

Anna wurde mehrere Jahrhunderte nach mir geschaffen. Die Erzengel hingegen kenne ich seit Beginn meiner Existenz. Michael und Raphael waren schon immer eher pflichtbewusste Typen statt welche von der fürsorglichen Sorte. Ich liebe die beiden zwar auch, aber bei Luzifer und Gabriel ist es einfach anders.

Luzifer war der coole große Bruder, zu dem man aufsieht. Er hat mich viel gelehrt, mich beschützt und mich sogar ein paar Mal gerettet. Er war stets für mich da, wenn ich mal jemanden zum Reden brauchte. Er hat mir immer zugehört.

Gabriel ist dann nochmal eine andere Geschichte. Obwohl Gabriel viel älter als ich ist, kommt es mir manchmal vor, als wären wir Zwillinge. Im Himmel waren wir immer so gut wie unzertrennlich. Wir fanden es furchtbar, als dann Luzifer rebelliert hat und alle Engel Seiten wählen mussten. Luzifer oder Michael? Gabriel und ich wollten diese Wahl nicht treffen, also sind wir aus dem Himmel geflohen und weilen seitdem auf der Erde."

„Gabriel und du scheint mir aber nicht mehr ganz so unzertrennlich zu sein, kann das sein?", fragte Dean nach.

„Unsere Zeit auf der Erde hat uns beide stark verändert. Es hat uns menschlicher gemacht. Und Menschen, die zu viel Zeit miteinander verbringen, neigen ja meistens dazu, sich häufig zu streiten. Gabriel und ich hatten viele Auseinandersetzungen, oft wegen Kleinigkeiten, manchmal waren es aber auch heftige üble Streits. Aber am Ende vertragen wir uns früher oder später jedes Mal, weil wir die Nähe zueinander vermissen.

Denn egal, was passiert, was auch immer zwischen uns stehen mag, am Ende würden Gabriel und ich immer auf einer Seite stehen. Ich würde jeden, der es wagt, ihn zu bedrohen, in Fetzen reißen und umgekehrt gilt das genauso.

Also falls ihr mal so verrückt sein solltet, Gabriel jagen zu wollen, würde ich euch alle ausradieren, denn ich würde immer ihn wählen, ist das klar?"

„Glasklar", nickte Dean. „Wir haben es verstanden ... Cas, wie weit bist du?"

„Ich bin fast soweit", meinte Castiel und goss heiliges Öl in die Schüssel. „Zod ah ma ra laee est la gi ro sa."

Der Inhalt in der Schüssel leuchtete rot auf und sprühte Funken. Castiel stützte sich schwindlig an einem Stuhl ab.

„Castiel?", eilte Sophia besorgt an seine Seite. „Geht's dir gut? Mann, du hättest mich das machen lassen sollen ..."

„Ist schon okay", winkte er ab. „Ich hab Anna gefunden. Wir konnten sie nicht aufspüren, weil sie nicht im jetzigen Hier ist ... Sie ist ins Jahr 1978 gereist."

„Was?? Wieso 1978?", fragte Sam. „Da war ich noch nicht mal geboren ..."

Sophias Augen weiteten sich, als die Erkenntnis in ihr einschlug. „Oh Gott, sie hat vor, John und Mary zu töten, oder?!"

LilienmondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt